Ein kleines Wunder

hat dieser Tage mein oberster Chef vollbracht. Bei meiner dezemberlichen Lohnabrechnung lag ein Brief von ihm. Mit Dank für meine Arbeit. Mit richtigem Inhalt. Mit Reflexion und Ausblick.
Ich habe den Mann gewählt, weil das die Abmachung in der Linken war, nicht weil er mich vollständig überzeugt hätte. Und ich habe mich im Rahmen meiner Möglichkeiten sehr dafür eingesetzt, dass die vorherige Fehlbesetzung endlich abgelöst wird. Weil ich überzeugt war, dass politische Veränderung wirksam ist, aber ohne grosse Illusionen darüber, dass das für mich schnell spürbar wird.
Nun übertrifft der Chef meine Erwartungen. Bei Weitem. Vielleicht wird ja doch noch alles gut.

Poulet oder Omlett?

Die Studentin aus Ungarn ist wunderschön, das muss zuallererst gesagt sein.
Gleichzeitig ist der Beitrag aufschlussreich, weil er zeigt, dass Lehrerinnen und Lehrer sich selber die gleichen negativen Noten geben wie sie ihnen Presse und Gesellschaft verpassen.

  • Die Schulleitung bringt an: Wir wollen erreichen, dass in allen Klassen mindestens einmal im Jahr hospitiert wird.
  • Die Lehrpersonen hören: Wir möchten die Lehrpersonen mindestens einmal jährlich „zerlegen“.
  • Die Qualitätssicherungsstelle verfügt: Mindestens eine Unterrichtsbefragung pro Azubi-Ausbildung, die Unterlagen bleiben bei der Lehrperson und den Lernenden.
  • Die Lehrpersonen befürchten: Nun werden sich die Klassen rächen, überall das Schlechteste ankreuzen; alles landet beim Chef auf dem Schreibtisch.
  • Die Harmonisierungsstelle verlangt: Wir müssen unsere Prüfung schweizweit vereinheitlichen.
  • Die Lehrpersonen schrecken auf: Nun werden meine Schülerinnen und Schüler sicher alle durchfallen.
  • Ich – kleine Abteilungsleiterin – frage meinen Vorgesetzten, ob wir über die Ziele und Folgen der neuen Qualifikationsgespräche noch informiert würden?
  • Er antwortet: Sanktionen würden besprochen. (Dabei hatte ich eher an Lohnerhöhungen gedacht, wir sind seit der Abschaffung des Beamtenstatus normale Angestellte und erst noch ziemlich gute.)
  • Aber es gilt: No News is Good News.

    Der teacher schreibt im Kommentar des erwähnten Beitrags:

    Ehrlich, es ist erstaunlich, wie gut diese Rückmeldungen tun. So merke ich auch, dass wir uns im Lehrkörper viel zu wenig gegenseitig ermuntern. Dort erzähle ich diese Geschichten gar nicht mehr, weil sie niemanden interessieren oder Neid erwecken (könnten).

    Das ist auch so etwas! Ich bin ja wahrlich niemand, der Missgunst aus der Welt zu schaffen vermöchte. Aber mich stört, wie rasch bei uns gute Noten von Klassen in einzelnen Fächern unter Generalverdacht geraten. Der Lehrer benote zu gnädig, korrigiere zu schlecht, frage immer das Gleiche. Dass ein Lehrer einfach engagiert unterrichten und individuell fördern könnte, ist in der Regel nicht der erste, sondern der letzte Gedanke.
    Wenn ich in zehn Jahren Schule etwas gelernt habe, dann ist es, dass die Quelle des miesen Images dieses Berufes nicht zu ermitteln ist. Wer hat angefangen? Unser Publikum oder wir selber?
    Keine Frage ist hingegen, wer die Imagekorrektur vornehmen muss.

    Réflexion e(s)t sélection

    Zwölf von unzähligen Blogbeiträgen, die ich aus naheliegenden wie mysteriösen Gründen gebookmarked habe:
    29.04.2003: Halböffentlichkeit, Aufmerksamkeit by Erratika
    05.05.2004: Streber und stolz drauf by Lehrerzimmer
    28.08.2004: Banditen by Ostblog
    13.09.2004: [was ist glück] by alles-wird-gut
    15.10.2004: Leichen pflastern ihren Weg by Frau Julie
    25.10.2004: über das Wasser by taberna kritika
    19.05.2005: Text-Praktikum by Anke Gröner
    21.12.2005: Die Fee by kaltmamsell
    29.12.2005: Die tägliche kleine Demokratie by Blog 14
    21.02.2006: 100%-Dilemma by niemehrschule
    05.09.2006: Der Bahnhof spät abends by apropos
    10.11.2006: Die Wolke by Hanging Lydia
    Viele, viele meiner Liebsten sind nicht mehr erreichbar – im Laufe der Jahre verschwunden im Netznirvana: Lilas Araber mit der Geige am Checkpoint, Lanus Erzählung über das verloren gegangene Kind –
    den japanischen Informatiker, der Hotelhandtücher fotografiert hat, find ich auch nicht mehr.
    Blogbeiträge bleiben im Kopf, wenn sie an etwas Bekanntes anknüpfen. (So funktionieren alle Hirne, das muss die Lehrerin wissen.)
    Und also sind für mich Weblogs geblieben, was sie von Beginn an waren: aktive und passive Meta-Tagebücher.
    Die Auswahl des Fremden ergibt das Eigene.
    (Keine bahnberchende Erkenntis, ich weiss. Jedes Büchergestell funktioniert so.)

    Empfehlungen online

    Intro:
    Mein ganzes Buchhändlerinnenleben lang habe ich Buchempfehlungen geschrieben. Meistens für Websites oder Organe von Schulen und Vereinen. Es kommt vermehrt vor, dass sich Leute bei mir melden, die persönliche Beratung per E-Mail möchten, vielleicht verdinge ich mich mal als virtuelle Buchhändlerin und mache meinen Schülerinnen ernsthaft Konkurrenz.
    Ich erinnere mich lebhaft, dass ich einmal – noch ehe ich überhaupt mit Bloggen begonnen hatte – einem Historiker im bostoner Exil Jens Rehn und Feridun Zaimoglu empfahl (Tipps am Ende dieses Eintrages). Ich kannte diesen Leser zu dem Zeitpunkt im realen Leben nicht. Und deswegen war er etwas schockiert über die Tatsache, dass es möglich ist, den Geschmack eines Kunden trotzdem genau zu treffen. Vielleicht hat er auch nur geschmeichelt, ich werde es nicht erfahren, denn es ist eine Weile her und vor allem lebt er nicht mehr.
    Deshalb erlaube ich mir das:

    > Nachdem ich mich nun beide Bücher fertig gelesen habe, will ich mir nun endlich deine buchhändlerische Einschätzung meiner Person darlegen lassen, die dich zu dieser treffenden Wahl geführt hat.

    > Eigentlich sollte ich die Berufsgeheimnisse bewahren, vor allem einem Akademiker gegenüber, wo bleibt denn sonst mein Selbstvertrauen? Also halt: Erfolgreicher Buch-Handel heisst Verkauf. Der optimale Fall ist jetzt eingetroffen, du hast beide Bücher gekauft. Um zu diesem Ziel zu kommen, gibt es etliche Möglichkeiten, aber die Voraussetzung ist, dass man rasch ein Kundenprofil erstellt. Das Autoren- und Verlagsprofil hat man schon (jedenfalls die Buchhandels-Generation zu der ich noch gehöre) und dann gilt es nur noch „richtig“ abzustimmen.

    Und dein Kundenprofil wäre jetzt das, wonach du fragst. Online-Bekanntschaft bringt ja auch Vorteile, ich weiss, dass du stilsicher bist und darum Ansprüche an die Sprache stellst, ich weiss, was dir gefallen hat (eine der esten Fragen, die man Kunden stellt) und ich kenne deinen Beruf (kann man Kunden nicht so direkt fragen). Du bist Historiker, du kannst einem Buch wie „Nichts in Sicht“ etwas abgewinnen, auch wenn es dir vielleicht nicht gefällt. Jens Rehn schrieb deutsch und literarisch gute Qualität. Auch ist er selber eine historisch interessante Figur, von der es sich lohnt, sie zu kennen. Du wirst die Lektüre also kaum als Zeitverschwendung abtun, selbst wenn dich die Geschichte nicht überzeugt. Ein Tipp mit geringem Risiko also.

    Der andere Tipp ist heikler, aber weil du das Grossstädtische magst, Zaimoglu auch original deutsch schreibt und Kiepenheuer & Witsch nicht allzu schlecht lektoriert, könnte es dir trotzdem gefallen. Risiko: Du findest ihn ein Grossmaul und meinst, dass er sich wiederholt, denn du machst mir einen akribischen Eindruck, nicht prinzipiell wohlwollend einem neuen Stil gegenüber. Ich kann mein Risiko mindern, indem ich deines erhöhe. Also, indem ich gleich von Anfang an sage, ich finde das Buch bringt Neues, das dich auch interessieren könnte, aber es ist möglich, dass dir die Verpackung nicht gefallen wird. Bist du „mutig“ und liest es trotzdem? Warst du.

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    Was allen Menschen zustehen würde

    Eine klebrige Hand, die aus einem teigverkrusteten Pyjamaärmel hervorlugt, weckt mich auf um mir zu sagen, dass jetzt frische Zutaten vom Markt und speziell feines Lebkuchengewürz einer Freundin verbackt werden.
    Ich stehe auf. Die Waschmaschine dreht treu ihre Tommel, mein Notebook startet für eine letzte Überarbeitung der Lernziele. Der Timer hat der Kaffeemaschine rechtzeitig ein Zeichen gegeben, mein Handy ist frisch aufgeladen.
    Ich schreibe einen morgendlichen Geburtstagsgruss für meine Schwester und amüsiere mich in Gedanken über meine kleine Nichte, die gestern das Meckern gelernt hat. Sie sass auf den Schultern des Onkels und lachte, wie das sonst nur junge Geisslein können. Eine clevere Methode, ihre Muttersprache Berndeutsch und ihre Vatersprache Albanisch zu vereinen.
    Als ich die erste Etappe meiner Reformarbeit gemacht und die Wäsche aufgehängt habe, ziehe ich mich ins Bett zurück, um Pamuks Nobelpreisrede zu lesen mir noch einmal zwei Romane anzusehen, die ich besprechen möchte; einen aus Marokko und einen aus Indonesien.
    Mitten in der Betrachtung fremder Leben und Leiden rüttelt mich erneut die Zuckerhand und fragt, ob ich nun bitte bei der Dekoration helfe?
    Ich lege Rede und Bücher zur Seite. Auf meinem Kissen klebt Teig.
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    Nominated as a cuckoo’s egg

    Thank you very much for nominating me for the Edublog Awards Best Library/Librarian Blog 2006.
    It is a great honour for me.
    I’d just like to point out that I am a bookseller. As well I educate apprentices who have chosen this unprofitable but great profession usually because they love reading books and talking about it. A profession with a touch of everything: literature, science, investigation, consultation but also selling, buying, exhibiting, calculating – commercial stuff.
    I adore what librarians do, but it is not the same job booksellers do. If you want to vote a cuckoo’s egg in this category, you can vote for me.
    You have been warned now.

    Zum Schulschluss ein Rundgang

    Produktekommnikation war heute das Thema in der Verkaufskunde: sachbezogen, kurz und klar.
    1. Blick
    Eingestiegen sind wir mit einem Vergleich der verschiedenen Weihnachtsbriefe mit Empfehlungen, die Buchhandlungen in dieser Zeit unter die Leute bringen. Das war interessant, weil es in der Schule zur Konkurrenzangelegenheit wird.
    1. Blick
    Daran ändern auch Buchhandelsketten nichts. Selbst Lernende, die zum gleichen Konzern gehören, grenzen sich gern von den anderen Filialen ab. (Ich bin ohnehin der Überzeugung, dass Lehre ohne Identifikation nicht möglich ist.)
    1. Blick
    Danach haben wir eine Schaufenster-Tour gemacht. In kleinen Gruppen natürlich. (Sollte ich je den guten Ruf unserer Schule ruinieren wollen, muss ich im Dezember mit analysierenden Azubis die Buchhandlungseingänge versperren.)
    1. Blick
    Es ist ein schöner Rundgang geworden. Ob er auch seinen Zweck erfüllte, gucke ich dann nach der Hochsaison. Jetzt ist zuerst einmal schulfrei.