Wahlwochenende

An diesem verregneten Wahlwochenende geht mir alles gar langsam von der Hand. Aber die Woche war ordentlich, der Pegasus ist versandt, der Unterricht vorbereitet, Tests und Prüfungen aller Art sind erstellt, nötige Anträge geschrieben. Sogar ein bisschen Zeitung habe ich gelesen und freue mich auf das Buch von Buschkowsky:

„Welchen Tiefpunkt hat dieses Land in der geistigen Auseinandersetzung erreicht?“ fragte sich der Autor. „Niemand bestreitet meine Analyse, niemand setzt sich mit meinen Vorschlägen für eine bessere Intergrationspolitik auseinander, und an die Zahlen traut sich erst recht keiner ran.“ (Quelle: Das aktuelle Magazin)

Ich finde keinen einzigen Menschen in meinem politischen Leben (inklusive mir selber), der die Schattenseiten der Einwanderung, die Probleme und Forderungen mancher Zuwanderer, den Druck patriarchaler Gesellschaften auf unsere Liberalität thematisieren darf, ohne zum Rassisten gemacht zu werden. Für den Vorwurf spielt auch gar keine Rolle, wie lange und wie nah jemand am Thema dran ist. (Sarrazin ist beispielsweise für mich nicht ernst zu nehmen, er hat keine Ahnung und in seinem Buch ein Riesendurcheinander veranstaltet).
Vielleicht führt „Neukölln ist überall“ ja wirklich zu der einen oder anderen Veranstaltung, in der man sich differenzierter unterhält. Es gibt jedenfalls Anzeichen. Und zu spät ist es auch nie.
(Auch wenn ich manchmal das Gefühl habe. Zum Beispiel wenn die Mutter meines Schwagers bei ihm und meiner Schwester vor der Türe steht. Eine Analphabetin mit ein paar Plastiksäcken in der Hand. Seit dem Kosovo-Krieg in der Schweiz. Aber nach dem Tod ihres Mannes vom ältesten Sohn beraubt und um ihre Pensionskasse betrogen. Mit nichts im Besitz als ein paar Kleidern, einer angebrochenen Tube Mayonnaise und einer angefangenen Cola.)

So (selbst)gerecht!

Manchmal macht mich dieser Konflikt völlig fertig. Ich lebe mit Menschen hier in der Stadt, die einen persönlichen Befreiungskrieg für Palästina auf Wochenmärkten (mit gerechtem Olivenöl aus Gaza) und in Ausstellungen führen. Während Lila die Mobilmachung an den eigenen Kindern erlebt und der im letzten Krieg verwaiste Vater David Grossman im offenen Brief zum Dialog auffordert, sitzen wir in warmen Stuben und wissen vieles besser.
Zuerst wird zwar meist pflichtschuldig die israelische Politik kritisiert. Aber weil der Stellenwert der Knesset-News in unserem Alltag verschwindend ist, geht das rasch über zu Kritik an den Israelis per se und – immer öfter – an den Juden. Also gemeint sind nicht etwa Kubrick (der Originäre!), Dylan (der Friedensbarde!), Wynona Ryder oder die Geschwister Gyllenhaal (Hippiesprösslinge!). Auch nicht der jüdische Nachbar, denn den kennen wir gar nicht. Palästinensertum ist in Bern sichtbarer als Judentum und auch daran ist der Jude schuld, denn er outet sich inzwischen ungefähr so gern wie der Rom.
Mein Problem ist wohl, dass ich zur Welt kam, als meine Mutter noch nicht lange aus Israel zurück war, Ivrit im Kopf hatte und mir analog ihrem Programm im Kinderhaus des Kibbuz halt jüdische Geschichte und hebräische Kinderlieder beibrachte. Gerade habe ich gemerkt, dass eines meiner Lieblingslieder immer noch einen gewissen Bekanntheitsgrad hat und in Volksschulen, Hobby-Chören und Gymnastikhallen der Welt gesungen und getanzt wird.
Kindheitserinnerungen. Und der Konflikt? Da weiss ich heute – viel, viel Lektüre nach den Kinderliedern – nicht mehr als damals.

Sonntagsgefühle

Lebkuchenproduktion 2012
Die Fotos der letzten Tage, die ich soeben erlese, wirken harmonisch. Und so war das Wochenende. Nur manchmal erscheint mir der Haushalt als endlos, die Reinigung und das Upgrade von Behausung, Lebensmittelsvorrat, Wäsche und eigener Person. Aber wenn man keine anderen Probleme hat, obligen einem so simpe Dinge. Die sind dann also das Leben und gar kein schlechtes.

Schweizer Buchpreis 2012

Doch, doch, ich find’s gut, dass Peter von Matt mit seinem Kalb von der Gotthardpost den Schweizer Buchpreis geholt hat. Ich schätze von Matt ausserordentlich. Bei ihm habe ich immer das Gefühl, er hebe den IQ der Schweiz ohne dass es jemand merke. Letzteres ist sehr wichtig, denn sobald das IQ-Heben registriert wird, gibt’s in diesem Land Probleme für den Urheber. Dank von Matts unermüdlicher Herausgeberschaft (Gotthelf, Frisch) hab‘ ich Vergessenes neu entdeckt, zudem lese ich in seinen eigenen Büchern immer gern, auch in den älteren.
Aber ein bisschen traure ich der verpassten Chance für die Frau Berg schon nach. Einfach so, als langjähriger Fan.

Letzter Elternabend

Fürs Logbuch: Gestern hatte ich meinen letzten Elternabend. Er dauerte 29 Minuten und war – wie alle Elternabende der vergangenen 12 Jahre – nichts für die bleibende Erinnerung. Bestehensnormen, Abrechnungen und „Sie verstehen sicher, dass wir an dem Anlass keine Zeit für individuelle Gespräche haben.“ Voilà.

Mindestlöhne Buchhandel 2013

Da das einige der häufigsten Fragen an mich ist, hier der Link zu den soeben ausgehandelten (und unveränderten) Mindestlöhnen 2013 im Schweizer Buchhandel.
Mindestlöhne bedeuten nicht, dass alle Buchhandlungen sich daran halten müssen. Nur für Buchhandlungen, die den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterzeichnet haben, bzw. Mitglied im Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband sind, sind die Ansätze verbindlich. Für alle anderen bilden sie eine Richtlinie. Und diese muss einigermassen eingehalten werden, wenn Buchhandlungen qualifiziertes Personal finden wollen. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir nicht mehr Buchhändlerinnen und Buchhändler ausbilden sollten, als die Branche braucht, auch wenn das unseren Interessen als Berufsfachschule auf den ersten Blick zuwieder läuft. Da Buchhändlerin für viele Überqualifizierte immer noch ein anziehender Beruf ist, haben wir auch immer einen Anteil junger Leute bei uns, die sich nach der Lehre wieder ins Studium verabschieden und höchstens eine Weile Teilzeit arbeiten. Das führt dazu, dass Angebot und Nachfrage an Berufsleuten relativ gut aufgehen, die Azubis nach Lehrabschluss Stellen finden und die Mindestlöhne vergleichsweise selten unterwandert werden.
Auch wenn es unerfreulich ist, dass der Mindestlohn stagniert, hält sich der Arbeitsmarkt Buchhandel in dem Vierteljahrhundert, in dem ich ihn kenne, in einem würdigen Rahmen.