Januarjammer

Das war glaub ich mein schlimmster Januar, ohne dass (in meinem Umkreis) etwas Schlimmes passiert ist. Ich hatte Mittelohrenentzündung u.v.m. Und auch in der Schule waren Viren und Bakterien die Lebewesen mit der höchsten Präsenz. Viele Kinder von Kolleginnen haben Grippen, Lungenentzündungen und sogar RS-Viren kalt erwischt, was uns alle auch emotional beschäftigte. Und trotzdem musste das Semesterende irgendwie über die Bühne. Bei uns in der Berufsfachschule kommt zu den Noten und Leistungsausweisen noch eine komplizierte Handhabung der Absenzen hinzu*. Dafür kann niemand etwas, aber der Aufwand ist ungeheuerlich und hat mir dieses Mal fast den Rest gegeben. Ich hatte in der Sache so viele Anrufe, dass ich bisweilen alle Telefone ausschalten musste, um überhaupt den vorherigen Anruf noch bearbeiten zu können. Ich bin nachts regelmässig schweissgebadet erwacht, weil ich etwas vergessen zu haben glaubte.
Nun denn, jetzt bleiben mir ein paar Schulferientage, um dem Überblick zurückzuerobern, das neue Semester vorzubereiten und mich natürlich vollumfänglich zu erholen, damit ich das neue Semester voll genesen und fröhlich beginnen kann. (Ich höre oft „Ich möchte nicht mehr zwanzig sein“ und habe es bestimmt selber schon gesagt. Aber das sind die Momente, in denen es mir verdammt viel dienen würde, weniger Verantwortung zu haben und weniger Schlaf zu brauchen. Falls jemand einen Jungbrunnen kennt oder einen Wunsch zu vergeben hat: Nur her damit.)
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Vom Suchen und Finden

Es ist Semesterende und ich bin am Korrigieren. Nicht nur Tests von Lernenden, sondern auch Begleitbriefe zu Zeugnissen oder Missverständnisse zu Notenabgaben.
Trotzdem will ich einen Rückblick auf die letzte Zeit tun. Wir hatten an unserer Schule am 8. Januar eine Veranstaltung „Wie weiter mit dem Islam“ zum Thema Radikalisierung von Jugendlichen. Der Zulauf war enorm und das Echo äusserst positiv. Der daraus entstandene Presseartikel hat über Facebook grosse Verbreitung gefunden. Und nicht nur das, es ist wirklich eine Argumentationsgrundlage für uns Lehrpersonen und auch für viele unserer Lernenden geworden. Ahmad Mansour half uns, in bester Weise mit den Stimmen umzugehen, die wir eigentlich nicht hören möchten, aber die es in den meisten unserer Klassen gibt:
Selber schuld; wer provoziert, muss mit Strafen rechnen; religiöse Gesetze sind mindestens so wichtig wie andere, wenn nicht wichtiger.
Wir müssen gemeinsam Lösungen für das Zusammenleben erschaffen und dürfen es auch sagen, wenn wir Angst haben, sie nicht zu finden. Die Schule ist dafür ein guter Ort.
Ich bin eigentlich froh, dass in Frankreich gerade dank den Problemen an Schulen endlich über die gesprochen wird, die sich eben nicht mit Charlie solidarisieren. Ich erachte es persönlich als völlig kontraproduktiv, wenn Länder sich hier etwas vormachen.
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JeSuisCharlie: Übersetzungsversuch.

L’art n’est pas à mes yeux une réjouissance solitaire. Il est un moyen d’émouvoir le plus grand nombre d’hommes en leur offrant une image privilégiée des souffrances et des joies communes. Il oblige donc l’artiste à ne pas se séparer ; il le soumet à la vérité la plus humble et la plus universelle.
Albert Camus in seiner Nobelpreisrede im Dezember 1957

Übers. sinngemäss: „Die Kunst ist kein einsiedlerisches Vergnügen. Sie verlangt vom Künstler, sich nicht abzukapseln. Sie ist ein Mittel, die grösstmögliche Zahl Menschen anzurühren.“

Ich kann verstehen, dass manche genug von #jeSuisCharlie haben oder finden, die Franzosen hätten schon nach der Anschlagserie im März 2012 aufstehen sollen, ganz besonders gegen Antisemitismus.
Dass Frankreich gerade diese Tat so enorm erschüttert und mobilisiert, hat viele Gründe: Die französische Revolution, die bis heute in jeder Schule gepaukt wird, die Verfassung, deren Präambel und 1. Artikel jedes Kind auswendig lernen muss:

La France est une République indivisible, laïque, démocratique et sociale. Elle assure l’égalité devant la loi de tous les citoyens sans distinction d’origine, de race ou de religion. Elle respecte toutes les croyances. (…) [Hervorhebung nja.ch]

Ein Vergleich mit uns Deutschsprachigen ist nicht ganz einfach. Familien hier abonnieren sicher nicht Zeitschriften wie „Fluide Glacial“, aber die „Harald Schmidt Show“ hat man auch in dessen schärften Zeiten gern zusammen mit Oma geguckt. Die Karikaturen der Franzosen sind unsere Satire und Polemik in Wort und Schrift. Hätten die Terroristen Dieter Hildebrandt (+), Harald Schmidt, Martin Sonneborn, Anke Engelke, per Zufall noch Fredmund Malik und Peter Schneider umgebracht, konzentrierten wir unsere Voten auch auf sie. Einfach, weil sie repräsentieren, was uns wichtig ist: Wortgewalt als Kunstform, Frechheit, Freiheit, Demontage jeglicher Autorität.
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