Listen more; talk less

Ab morgen mache ich Ferien in den Walliser Bergen und bin unentschlossen, ob ich hier noch etwas zum neuen Jahr hinterlassen soll? Vielleicht eine Buchempfehlung? Gerade habe ich Ecos „Bücher sprechen über Bücher“ fertig gelesen und war einmal mehr erstaunt über seine Formulierfreude und überhaupt das Visionäre in den doch nur kurzen Essays. Aber mehr dazu zu sagen ist nicht nötig, denn das Bändchen hat nur 47 Seiten und sein Inhalt dient denen am besten, die ihn selber lesen.
Die Regionalpolitik eignet sich leidlich für den Jahreswechsel, es sind der Empfehlungen genug vorhanden. Auch die Weltpolitik ist qualitativ und quantitativ ausreichend abgedeckt, Kommentare gibt es im Überfluss. Deshalb widme ich mich den Antworten des unbekannten Quäkers auf die Frage „Wie werde ich ein besserer Mensch?“, die gut zum neuen Jahr passt und mich ohnehin oft beschäftigt. Wobei ich sie mir eher in der weniger ehrgeizigen Version stelle: „Wie werde ich kein schlechterer Mensch?“ Es fällt mir zunehmend schwer, engagiert und reflektiert und allen Menschen zugeneigt zu blieben, wenn ich mich umzingelt fühle von so vielen, die nur noch auf den Bauch hören.
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Was in der Zwischenzeit geschah

Ich sehe, ich habe lange nicht geschrieben, quel dommage! Passiert wäre genug, in meinen drei Tätigkeitsfeldern von Erwerbsarbeit, Familie und Ehrenamtliches ist ja stets irgendwo oder gar überall Bedarf. In aller Kürze: Wir haben en famille nächtelang gebacken (der Kalender gab bekanntlich dieses Jahr keine zusätzlichen Tage frei). Zudem telefonierte ich mehr als je zuvor in meinem Leben. Denn der von mir betreute Beruf „Fachfrau/Fachmann Kundendialog“ hat einen enormen Lehrstellenzuwachs erfahren. Der Beruf ist noch immer neu, und wir sind der einzige deutschsprachige Schulort, weshalb wir als Stelle für Beratung, Trost, Ermunterung, Stundenplanwünsche, Clearing und Triage fungieren. Von Fragen besorgter Eltern (langer Schulweg) über solche neuer Berufsbildnerinnen (wie mache ich einen internen Ausbildungsplan) bis zu kantonalen Zuständigen (wer kann wovon dispensiert werden) werden uns gestellt.
Politisch ist Bern immer noch mit den Wahlen eines neuen städtischen Oberhaupts befasst, und da müssen wir dran bleiben, wenn wir eine Frau wollen. Mach ich gern! Richtig schön war das Treffen mit Ursula Wyss auf dem Hochhaus in Bern-Bethlehem, wo über 400 Menschen aus aller Welt und ein Grossteil meiner Familie wohnen. Und unter uns: Ich will nicht bloss „eine Frau“, ich will auch das Scheidungskind mit Fortsetzungsfamilie, eine Politikerin, die aus eigener Kraft mit klarem Kopf und mit selber verdientem Geld ihren Weg gegangen ist, die weder aus einer Politikerfamilie noch von den Bernburgern stammt. Ich hoffe inständig, die Bundesstadt sei nun reif dafür.
Ansonsten habe ich zahlreiche Entwürfe für ganz verschiedene Dinge gemacht, Notwendiges wie Überflüssiges – selbst ein neuer Beruf ist dabei. Und sogar der Selbstversuch Chorsingen ist schon zum zweiten Mal gut gekommen – „rock the Buxtehude“ schrieb eine Freundin, als ich zweifelte. Zuerst scheint es mir immer zu viel, aber sobald ich dran bin, das einzig Richtige.
Besonders erfrischend waren heuer meine Besuche bei den angehenden Buchhändlerinnen an ihrem weihnächtlichen Arbeitsplatz. In der Dauerkrise freuen sich alle an guten Kundengesprächen, an Dankbarkeit und Interesse und der sorgfältigen Auswahl auf beiden Seiten. Mögen die Umsätze stimmen!
Mehr als andere Jahre habe ich mir zudem überlegt, ob und wie Weihnachten sich für mich verändert hat. Sicher bin ich konsumorientierter geworden. Aber nicht nur, weil ich mir mehr leisten kann, sondern weil es auch viel mehr Verschiedenes zu kaufen gibt. Ich hatte mir als Kind jahrelang Flossen und eine Taucherbrille gewünscht, aber das fand man damals im Dezember – in dem auch mein Geburtstag ist – gar nicht. Erdbeertörtchen hätte ich auch gern gehabt, doch ausser Äpfeln, Mandarinen und Nüssen gab’s ja zu der Jahreszeit nur eingemachte Früchte. Meist bekam ich dann ein schönes Pyjama (unvermeidlicher Helvetismus, so hiess das halt für mich), welches ich möglichst rund um die Uhr die ganzen Feiertage über anbehielt.

Üben für Weihnachten 1980

wieder aktiv(er)

Nach elenden politischen Entscheidungen oder Terroranschlägen muss ich immer viel lesen (aktuell Richard Ford), bevor ich wieder richtig denken (und schreiben) kann. So bin ich zwar übernächtigt, doch Tatendrang kehrt in Ansätzen zurück.
Heute war ich den ganzen Tag an der Herbsttagung des SBFI, mein Highlight unter derlei Veranstaltungen. Zum einen, weil es keine andere gibt, die so viele Menschen der Berufsbildung vereint, zum anderen, weil sie in einer Form organisiert und moderiert ist, die dem riesigen Bedürfnis nach Austausch entgegenkommt. Vornehmen tut sich das ja jeder Veranstalter, aber wie schnell kürzt eine Moderation die Kaffeepause, nur weil eine/r sich zu gerne reden hört? Dabei ist die genauso wichtig wie das Inputreferat. A propos: Dieses hielt heute der CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts, David Bosshart. Sein Institut der Trendforschung geht auf den Migros-Gründer zurück, der seinerseits so manchen Trend vorweg genommen und bei mir auf jeden Fall eine Menge Kredit hat. (Meine Grossmutter kaufte trotz Anfeindungen der dörflichen Gewerbebetreiber im Migroswagen ein, heute bilde ich Fachleute Kundendialog von Digitec Galaxus aus.) Zu müde, sein Referat zusammenzufassen, sag ich nur das Wichtigste: Gemäss Bosshart bleibt die Zukunft digital, was bedeutet, dass wir so wenig darüber wissen, wie wir vor zehn Jahren ahnten, dass wir heute ein iPhone 7 als Zugang zu unserem ganzen Leben herumtragen würden. Er meint, immer bessere Bildung sei unerlässlich, aber keine Garantie. An alten Mustern industrieller Wirtschaft festzuhalten ruiniere Unternehmen und diskriminiere die kommende Generation. Klang für mich plausibel.
Back to politics: Wenn nötig (also jetzt) mache ich etwas Wahlkampf für Bern. Wer noch nicht abgestimmt und Vorbehalte – vor allem gegen die Stapi – hat, kann mir gerne hier schreiben, dann meld‘ ich mich innerhalb von 24h über das gewünschte Medium. Neuerdings kann ich auch Facebook (es war unvermeidlich).
Und danach geht’s richtig los gegen die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)». Der Erfolg dieser Initiative wäre wieder so ein Zug auf dem Schachbrett schweizerischer Politik, der uns als Gesellschaft wie als Individuum matt setzen kann. Wir kennen es von der Masseneinwanderung und der (dank Einzelnen und dank Bewegung) abgelehnten Durchsetzungsinitiative. Gespendet und geteilt habe ich schon, aber mit nicht Gleichgesinnten drüber gesprochen noch nie. Dazu muss ich mich noch aufraffen. Sonnenklar, dass diese Konfrontationen für jeden (noch so kleinen) Sieg über den Populismus unabdingbar sind. Und weil wir eh nicht darum herumkommen, können wir auch gleich anfangen.

Wochenrückblick

Vergangene Woche pralles Leben – allerlei kleinere Krisen in der Schule, überall ein wenig Chaos, mühsam manchmal, aber nichts Schlimmes dabei. Genau das, was sich viele sehnlichst wünschen, die keine Arbeit, kranke Angehörige, Hunger oder gar Krieg haben. Dankbarkeit für meine kleinen Probleme ist daher angebracht.
Ich war dieses Jahr leider nicht auf der Buchmesse in Frankfurt, habe aber derweil die Klassen unterhalten, deren Lehrpersonen andere Klassen an die Messe begleitet haben.
An unserer Schule gibt es kaum Bernerinnen und Berner. Schon lange wollte ich deshalb Stadtrundgänge machen. Doch im Unterrichtsalltag fehlt dafür die Zeit und auch das Geld ist nicht grad mit einem Fingerschnippen zu beschaffen. Aber jetzt hat es geklappt und war richtig schön: Ein Orientierungslauf der besonderen Art durch die Berner Altstadt und ein Rundgang mit dem Schwerpunkt Bern (un)gläubig brachten selbst mir die Stadt näher. Beides waren von StattLand originell und sympathisch organisierte Führungen, die ich nur empfehlen kann.
Und heute war Sonntag. Und morgen wird Montag. Bleibt munter da draussen!

Pegasus 121: Generationenfragen

Lange dachte ich, mich verbinde anderes mit dem Beruf als die jungen Buchhändlerinnen. Ich habe mich geirrt. Weder, dass sie über Perlen aus Fantasy-Reihen bloggen und ich über solche bei Matthes & Seitz, noch, dass ihnen Marlene Streeruwitz nichts sagt, während ich von Cassandra Clare noch nie gehört habe, ist entscheidend. Ob ich mit einem Buchhändler vom Abschlussjahrgang 1968 am Tisch oder einer Lernenden auf der Schulhaustreppe sitze: Über alle Generationen* hinweg eint uns das Bedürfnis nach Lektüre fürs Leben.
Und haben wir ein gutes Buch fertig gelesen, ist alle Müdigkeit verflogen. Wir treten hinaus in die kühle Nacht, breiten die Arme aus, heben das Gesicht zum Himmel und warten gespannt, bis das nächste Elmfeuer der Literatur die Dunkelheit durchbricht.

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10x Standortbestimmung

  • Ich lese Fiction: Imbolo Mbue, Behold The Dreamers
  • Ich lese Non-Fiction: Münkler, Die neuen Deutschen
  • Ich lese Bilder: American Realities
  • Ich verkaufe: Lehrberufe an der BAM.
  • Ich telefoniere: Weil „meine“ Berufe jüngst in der Presse waren, tauchen neue Fragen zur Buchhändlerin und zur Fachfrau Kundendialog auf.
  • Ich redigiere: Die neuste Nummer vom Pegasus, die bald fertig ist.
  • Ich plane: Zusammen mit anderen ein grosses Jubiläumsfest für unsere Schule am 1. April 2017.
  • Ich schenke: Lists of Note und bestelle für mich selber auch noch ein Exemplar.
  • Ich esse: Im Flug.
  • Ich entscheide: Noch nicht.
  • 9/11 mit Abschiedsliedern

    Ich führe zu viele Jahrestage in meinem Kalender und überlege zu oft, was man zu welchem thematisieren könnte. Das liegt am Beruf, jedenfalls an der Art Buchhandel, wie ich sie mal gelernt habe (vor Internet und Totalglobal). Es war damals relevant für Umsatz und Ruf, ob eine Buchhändlerin die an dem Tag verlangten Titel bereit hatte und das Schaufenster mit den dann erscheinenden Presseartikel korrespondierte.
    9/11 ist ja für die meisten hier Mitlesenden mit vielen Erinnerungen verbunden. Ich habe beispielsweise bis heute einen Ordner mit Favoriten, den ich mir dazumal für Recherchen und Nachrichten zum Thema angelegt hatte. Angehende Buchhändlerinnen kennen 9/11 nur vom Hörensagen – die Jüngsten von ihnen kamen dann gerade erst zur Welt. Für sie sind Krieg im nahen Osten und Islamdebatte keine Entwicklung, sondern ein Dauerzustand. Und punkto Terroranschläge sind ihnen die neusten in Europa zeitlich und geografisch näher. Bücher zum Thema, die sich wirklich verkaufen, betreffen den IS und die Menschen, die ihm folgen.
    Dieses Wochenende voll mit Quartierfesten, einem autofreien Sonntag und vielen fröhlichen Menschen auf der Strasse habe ich oft an den Tag vor 15 Jahren in New York gedacht. Wie viele Seiten haben wir alle, die wir damals schon lebten, über diesen Anschlag gelesen, wie viele fallende Türme und Menschen gesehen? Wie oft über Ursache und Wirkung debattiert? Wenn ich nur hier vom Notebook aus kurz den Blick hebe, fällt er genau auf Ahmed Rashids „Taliban“. Ich frage mich: Wäre das heute auch noch so? Das Verfalldatum von Nachrichten erscheint mir inzwischen so kurz und Medienleute von heute werden anderen Bedürfnissen gerecht als solchen nach umfassenden Recherchen. Nach dem furchtbaren Erdbeben in Italien bekamen wir stündlich die Opferzahlen auf den Bildschirm geliefert aber am Ende musste ich selber herausfinden, ob alle geborgen werden konnten oder immer noch Menschen vermisst sind.
    Back to New York: Das Beste und bis heute Passendste zum Jahrestag habe ich bei Jon Carroll vom San Francisco Chronicle (seit 2015 pensioniert) gelesen. Er schrieb am 11. September 2002: The Ax Falls, And It Falls Again.
    And back to Italy: Die Musik der Grikos, die samstags am Strassenfest gespielt wurde, passte gut. Sie hilft, mit der Unsicherheit zu leben.
    Andra Mou Pei, melancholisch.
    Kalinifta, fröhlicher, als man zuerst meinen könnte.
    Pizzica Pizzica

    Wochenende in drei Bildern

    Fussballtournier

    Am Samstagmorgen war ich als Groupie von Bümpliz 78 auf der Bodenweid, wo unter vielen anderen Jungs und Mädels mein Neffe ein Fussballtournier bestritt. Wir haben das Heimspiel gewonnen.

    Säbeli Bum und Lorrainechilbli

    Am Nachmittag ging ich in die Lorraine an die Chilbi und ins Lorrainebad, wo die Bühne von Säbeli Bum stand. Und in die Aare natürlich.

    Schwiegerfamilientag

    Sonntag hatten wir (Schwieger-)Familientag, an welchem wir durch die Verenaschlucht mit Halt in der Einsiedelei zum Restaurant spazierten.