Amazon enttäuscht

die Börse. Sehr traurig.

Für das vierte Quartal, in dem bei Amazon wegen des Weihnachtsgeschäfts der Löwenanteil des Umsatzes erzielt wird, prognostizierte Amazon am Dienstag nach Börsenschluss in den USA einen Erlösansteig auf 2.86 bis 3.16 Milliareden Dollar. Das liegt unterhalb der Erwartungen vieler Analysten.

Jetzt wird’s aber eng.

Im dritten Quartal verzeichnete das Unternehmen wegen hoher Kosten für einen Patentrechtsstreit einen Gewinneinbruch von 54 auf 30 Millionen Dollar.

Vielleicht haben die Ureinwohner am Amazonas geklagt? Vielleicht brauchen sie einen Namen für ihren Pfeilgift-Onlineshop? Nun, Jeff Bezos wird sich auskennen. Er war ja auf den Buchverkauf verfallen, weil die Buchbranche weltweit die beste elektronische Erfassung ihrer Produkte vorzuweisen hatte. Die Branche war zwar klug genug, die ISBN zur zweifelsfreien Identifikation ihrer Ware zu erfinden, bevor andere Branchen auch nur „Strichcode“ denken konnten, aber leider zu dumm, selber rechtzeitig online einzusteigen. Und auch noch leutselig genug, die Daten so zu lagern, dass Jeffy sie bloss von ein paar CD-ROMs zu kratzen brauchte.

Neben dem Ausblick zeigten sich Analysten auch mit der Bruttogewinnmarge des Unternehmens unzufrieden.

Jesses! Die haben wohl lange nicht mehr vorbeigeschaut, wenn sie das erstaunt. Amazon verschleudert Bücher unter dem Wert von Pappe und Druckfarbe. Im Doppelpack. Oder Triopack? Auf jeden Fall versandkostenfrei. Neben der armen Börse muss es auch noch irgendwo Buchpacker geben, die nichts verdienen. Inzwischen haben sie Lager und Versand bestimmt von Seattle nach Guantanamo outgesourced.
Ich alte Amazonhasserin, habe mich ein gutes Jahr zurückgehalten. Ich gönnt‘ mir gerne eine Portion Schadenfreude. Aber irgendwer bezahlt die Zeche, und das ist weder Bezos noch die Börse und darum nichts zum Lachen darüber.
[Zitate Tages-Anzeiger vom 27. Oktober 2005]

14 Gedanken zu „Amazon enttäuscht“

  1. So sehr ich die Schadenfreude bzw. den Ärger der Buchhändlerin nachvollziehen kann – als regelmässiger Amazon-Konsument seit zirka fünf Jahren stelle ich einfach fest, dass Amazon für die Leser ein Segen ist.
    Erstens: Der Versandhandel ist vor allem für Leute bequem, die genau wissen, was sie wollen (z.B. weil sie Bücher für eine Lesezirkel kaufen oder sich durch Buchkritiken zum Kauf veranlasst fühlen). An dieser Tatsache kann der stationäre Buchhandel nichts ändern – Internet hat einfach diese neue Möglichkeit gebracht. Hätte nicht Amazon mit dem globalen Buchversand begonnen, hätte es ein anderer Anbieter getan.
    Zweitens: Der Kauf bei Amazon ist eine der wenigen Möglichkeiten für den Schweizer Konsumenten, die exzessiven Schweizer Buchpreise zu umgehen. Anstatt mit Händen und Klauen den Sammelrevers zu verteidigen, wäre eine aktivere Politik für die Schweizer Buchhändler (und für die Leser) wohl langfristig die bessere Politik.
    (Ich gebe hiermit die Erlaubnis, meinen Kommentar weil geschäftsschädigend zu löschen.)

  2. Ich habe anfangs auch bei Amazon bestellt. In dem Moment aber wo bei uns im Ort ein Buchhändler einen kleinen Laden eröffnet hat, gehen meine Bestellungen grundsätzlich dorthin. Ich habe einfach ein Herz für idealistische Buchhändler/innen die es heutzutage noch wagen einen eigenen kleinen Buchladen aufzumachen – und dies auch abseits sog. Buchhandelsketten, die es hier in der Gegend natürlich auch reichlich gibt. Ich möchte nicht, daß solche Läden und Buchhändler/innen die noch mit ganzem Herzen dabei sind für immer von der Bildfläche verschwinden, aber dafür müssen auch die Kunden etwas tun. Ich hoffe, es denken noch mehr oder zunehmend wieder mehr Menschen so und man kann so wenigstens ein paar ganz normale (wunderbare) Buchhandlungen retten.
    Amazon mag dem Bequemlichkeitswahn der meisten heutigen Menschen entgegenkommen, aber es ist ein reines Wirtschaftsunternehmen, auf Gewinn angelegt, das Herz fehlt.
    Meine 2 Cent zu diesem Thema

  3. Essenz meines Eintrags war eigentlich grundsätzlich: Wenn es nichts kostet, verdient der/die Arbeitende nichts, dieses Bewusstsein fehlt mir heute. Meine Ansicht zu dem Thema Amazon und meine Argumente kommen in meinem alten Beitrag im MügaBlog und in den Kommentaren besser vor.
    @Liisa, vielen Dank, ich zähl auf dich!
    @Christoph: Löschen?
    Was denkst du, wie viele „könnten Sie mir das bitte alles aufschreiben, mein Sohn bestellt das dann bei diesem Amazon“ habe ich gehört? Weisst du wie viele „exzessive Schweizer Buchpreise“ habe ich pariert? Unendlich, unendlich und einmal mehr. Ist ein Volkssport geworden. Ohne harte Schale brauchst du nicht an der Buchhandelsfront zu arbeiten. Ja, und der Sammelrevers scheint inzwischen auch zur Allgemeinbildung zu gehören – jedenfalls solange es nicht konkret wird.
    Die Dikussion wird auf so vielen Ebenen geführt (in Kommentaren), ich mag nicht hier missionieren. Sei froh, dass du bei den Büchern die Preise aller Länder so schön gedruckt nebeneinander siehst. Das ist wirklich sehr konsumentenfreundlich.

  4. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass Du den Beitrag löschst ; die Aufforderung war nur Ausdruck des schlechten Gewissens, das mich nach dem Verfassen befiel – schliesslich bekommt der VCS aud keine Plattform in der Migros-Zeitung.
    Auch wenn die Kundenäusserungen hart, beleidigend etc. sind – wenigstens sagen sie etwas, worauf du reagieren (und argumentieren) kannst. Leute wie ich wandern einfach stilschweigend ab, was wohl nicht besser ist. (Bekanntlich ist es einfacher, seinen Unmut im anonymen Internet kundzutun als im Laden von Angesicht zu Angesicht; darum mein Beitrag.)
    Der Buchhandel mag von der Preisbindung kurzfristig profitieren, langfristig spielt er einfach direkt Amazon in die Hände. Dass die Studenten an vorderster Front abgewandert sind, hat sich der Buchandel selbst zuzuschreiben – früher gab es einen Rabatt für Studenten oder bei Mindestbestellmengen etc. Ohne Preisbindung würde wohl auch der aufgedruckte Preis und damit die Vergleichbarkeit wegfallen – ich behaupte, am Ende würden alle gewinnen (ausser die Aktionäre von Amazon).
    Übrigens würde ich mich immer noch als guter Kunde der Schweizer Buchhändler ansehen. Geschenke oder Reisebücher kaufe ich selten im Internet, weil ich das Buch zuerst in der Hand halten will und im Fall von Geschenken gerne von der Beratung profitiere. Dann bin ich durchaus bereit, für diese Leistung einen Aufpreis zu bezahlen.

  5. Möge das Fachgschäft durch das Beratungsintensive überleben, das du und andere nicht bei Amazon kaufen (können?).
    Und wenn nicht, dann werden die Bücher für den Unterricht und die Landestop- und andere -Karten halt subventioniert oder abgeschafft. Das würde dann echt nachhaltig kostengünstig.
    Sicher, ein schlechtes Feedback ist theoretisch besser als gar keines. Praktisch ist die Schilderung der Amazon-Vorteile bei mir nicht zwingend notwendig.

  6. Ich hake nochmals nach – die Gelegenheit für eine vertiefte Auseinandersetzung scheint mir hier besser als im Buchladen oder beim Smalltalk an einer Vernissage.
    Ich wünsche dem stationären Buchhandel schliesslich nicht das Verderben, im Gegenteil. Nur befürchte ich, dass langfristig nur wenige Läden allein von den Gutmenschen leben können, die das Waschmittel in der Drogerie und das Gemüse auf dem Markt kaufen. Darum muss man sich in die Situation der Kunden versetzen (was mir als solcher zugegebenermassen einfacher fällt). Eine Reflexion über die „Amazon-Vorteile“ schadete den Buchhändlern sicher nicht. Daher mein „Erfahrungsbericht“.
    Ich stelle fest, dass ich bei Amazon nahezu gar keine Gelegenheitskäufe mache – trotz der ausgeklügelten Software, die einem immer verlockende Angebote zu präsentieren versucht. Dagegen kaufe ich nahezu immer on-line, wenn ich ein bestimmtes Buch will, sei es für das Studium, für eine Lesegruppe oder weil ich in der Zeitung eine Kritik gelesen habe. Da ich selten Bestseller kaufe, sind die Bücher oft in der Buchhandlung nicht vorrätig. Natürlich kann man bestellen, aber dann ist der Laden vielleicht gerade an einem Ort, wo man nicht so oft hinkommt und überhaupt ist es etwas komplizierter, als wenn man die Bücher nach Hause geliefert bekommt. Am Anfang habe ich jeweis immer zuerst eine Buchhandlung aufgesucht und nur bei Amazon bestellt, wenn das Buch nicht vorrätig war. Irgendwann ist mir dann dieses Vorgehen zu umständlich geworden, und ja, da habe ich auch gemerkt, dass es via Amazon billiger kommt.
    Wie könnte man mich vom Amazonas-Virus befreien? Ein paar Ideen:
    Wenn ich im Buchladen ein nicht vorrätiges Buch bestellen, bezahlen und mir portofrei nach Hause liefern lassen könnte.
    Wenn ich bei grösseren Bestellungen (z.B. für eine Klasse) einen Rabatt bekäme.
    Wenn ich als Student von einem Rabatt (z.B. auf aktuelle Studienliteratur) hätte profitieren können.
    Wenn mir nicht bei jedem Buch unter die Nase gerieben würde, wieviel günstiger es gewesen wäre, wenn ichs in Deutschland gekauft hätte.
    Ich kann nicht beurteilen, ob die Vorschläge betriebswirtschaftlich verkraftbar sind, aber es wäre ein Denkansatz. Ceterum censeo dass die Buchpreisbindung aufgehoben wird, aber diese Argumente brauche ich hier ja nicht zu wiederholen.

  7. Lieber Christoph – tja, dass du einen guten Platz gefunden hast für deine Argumente, stimmt natürlich insofern, dass dieses Weblog von ziemlich vielen Buchmenschen gelesen wird.
    Ich habe die Diskussion im Forum für den Buchhandel verlinkt, es werden sich das also einige zu Gemüte führen, aber das portofrei-Argument kennen eh‘ schon alle. Im Gegensatz zu Amazon „müssen“ wir hier noch menschenwürdige Löhne bezahlen, das habe ich ja schon erwähnt.
    Ich persönlich arbeite nicht mehr an der Front und nicht mehr für nur „eine“ Buchhandlung. Ich bestelle praktisch alle Bücher online bei unabhängigen Buchhandlungen und die Zeitschriften auch. Alles geht problemlos, reibungslos und daher kostengünstig – trotz Extrawünschen. Ich habe seit Jahren nie mehr ein Buch als Geschenk zur Post gebracht. Das machen meine Buchhandlungen für mich.

  8. Kein Wunder vermehren sich die Schweizer nicht mehr.. ich kenne wenig Frauen, bei denen Geiz und Knausertum nicht ein Killerkriterium bei der Partnerwahl ist..
    Ich hoffe, Christoph, du trinkst nie ein Bier in der Schweiz, kaufst nie eine Unterhose oder gehst gar ins Kino. Oder kaufst ein Medikament! Ein Auto! Eine Wohnung! Ferien! Kinderkleider, Klopapier! Alles billiger in Deutschland! Noch günstiger in China!

  9. @Tanja: Staubsauger und Ähnliches werden m.W. nicht in die Schweiz geliefert – wahrscheinlich ist de Preisdifferenz nicht genügend gross…
    @Kaspar: Eigentlich dachte ich ja, ich bestelle mein „heutiges“ Buch bei Amazon und kaufe mit der Preisdifferenz meiner Freundin eine Rose (hätte wohl sogar für mehr als eine gereicht). Aber da der Amazon-Server heute offenbar überlastet ist (lesen soviele Leute dieses Blog?), habe ich mich dann des Schweizer Buchhandels erbarmt – hoffentlich bei einem politisch korrekten Händler. Wenn Du übrigens meine Beiträge gelesen hättest, hättest Du vielleicht feststellen können, dass nicht ausschliesslich der Preis eine Rolle spielt.

  10. @Christoph: Ich freue mich, dass deine Freundin Rosen bekommt! Mein Beitrag ging neben der Schadenfreude darum, dass das gesparte Geld den arbeitenden Dienstleistenden fehlt. Ich habe auch wiederholt, dass der Vorteil Internet beim stationären Buchhandel genau so da ist, wie bei Amazon (z.B. books.ch und stauffacher.ch seit 1995). Von daher könnte ich auch leise fragen, ob du meine Beiträge genau gelesen hast?
    Warum bestellst du bei Amazon, wenn du weisst, was du willst? X Buchhandlungen haben seit 1995 einen grösseren und für Schweizer geeigneteren Katalog als Amazon! Die Münstergass-Buchhandlung (seit 1998 mit Warenkorb) bietet dir drei perfekte Buchhandels-Kataloge mit wesentlich mehr Titeln und führt noch mehrsprachige Spezialkataloge sowie vergriffene Titel. Das ist nur ein Beispiel. Click and mortar können alle, die Frage ist, was dahinter steckt.
    Du hast explizit geschrieben, dass du die „exzessiven Schweizer Buchpreise“ umgehen kannst und eine portofreie Lieferung wünschst. Deine anderen Argumente lassen sich leicht entkräften. Amazon kann ausser billig und rein kapitalistisch sein nichts, warum sie trotzdem sympathisch sind, bleibt ein Geheimnis. Ich erkenne aber auch nicht, worum es dir ausser dem Preis noch geht.
    Lassen wir es doch einfach dabei: Es gibt Leute, die sehen im Buchhandel eine kulturelle Errungenschaft eines Landes. Es gibt Leute, die möchten, dass man ihren Namen kennt, die möchten mal online, mal offline bestellen, die möchten Extras, eine passende Auswahl und zuverlässige Empfehlungen, die möchten „ihre Buchhändlerin“. Es ist mein Beruf, für diese Leute da zu sein.
    Dann gibt es Leute, die möchten lieber bei Amazon bestellen und sind glücklich damit. Dann ist das eben so.

  11. Amazon ist eben so eine Sache, die haben ein riesen Angebot und mittlerweile auch viele Shopbetreiber aufgenommen, so dass es völlig unübersichtlich ist. Die kennen sich doch mit ihren Produkten kaum noch aus. Da kaufe ich viele Sachen doch lieber beim Spezialanbieter, nur Bücher würde ich bei Amazon holen. Meine Vorwerk Staubsauger Bürste kriege ich da doch eh nicht.

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