Billigausgaben vor 76 Jahren

1929 war Thomas Mann ein Autor von S. Fischer und er ist es noch.
Adalbert Droemer, der damals den Verlag Th. Knaur leitete, versprach Thomas Mann 100’000 Reichsmark für eine Million Billigausgaben der „Buddenbrooks“. Er wollte damit die allererste „wohlfeile“ Ausgabe eines lebenden Autors zum Warenhauspreis von 2.85 RM auf den Markt bringen. Droemer hatte das schon oft mit Erfolg gemacht, allerdings nur mit Klassikern verstorbener Autoren.
Nun, Thomas Mann wollte dieses Angebot eigentlich sehr gerne annehmen. Aber er blieb loyal und sagte zu S.(amuel) Fischer, er würde Droemers Angebot ausschlagen, bekäme er die Möglichkeit, eine solche Ausgabe in seinem angestammten Verlag zu machen.
Der neue Mann und vorgesehene Nachfolger im Verlag, Gottfried Bermann Fischer, war von Anfang an überzeugt, dass der Verlag Thomas Mann entgegen kommen müsste. Er wusste, dass es ein Affront wäre, die „Buddenbrooks“ einem anderen Verlag zu überlassen, egal für welche Ausgabe. Aber S. Fischer blieb unerbittlich:

„Das können wir dem deutschen Buchhandel nicht zumuten. Ein Buch, das Jahrzehnte hindurch seinen ständigen Absatz zum Normalpreis gefunden hat, auf einen Warenhauspreis herabzusetzen, würde die Grundlagen des deutschen Buchhandels erschüttern. Zu einem solchen Ramschgeschäft darf der S. Fischer Verlag nicht seine Hand reichen.“

Gottfried Bermann Fischer konnten den alten Verleger nur mit viel Beharrlichkeit, einem lange Brief von Thomas Mann und Unterstützung aus dem Buchhandel überreden, es zu wagen. Bis zuletzt vertrat S. Fischer den Standpunkt, dass dem Publikum nicht leicht zu erklären sei, dass solche Preise nur bei populären Werken in Frage kämen. Er fürchtete den Eindruck hervorzurufen, die üblichen Buchpreise seien überhöht. Und er hatte so unrecht nicht.
Noch ein Wort zu denen, die den alten Herrn schlussendlich überredet haben: Es waren die wichtigen Buchhändler Deutschlands, die sich für diese Billigausgabe stark machten, und auch sie hatten nicht unrecht. Nur wenige Tage vor der Bekanntgabe des Literaturnobelpreises an Thomas Mann, wurde am 7. November 1929 die erste Auflage von 1. bis 150. Tausend ausgeliefert. Bis zum 28. Dezember 1929 folgten elf Auflagen mit 700’000 verkauften Exemplaren.
[Quelle: Gottfried Bermann Fischer: Bedroht – Bewahrt: Weg eines Verlegers / fi 1169 / 10. Auflage 2003]

2 Gedanken zu „Billigausgaben vor 76 Jahren“

  1. Wie ist eigentlich deine Haltung zu Billig- Gratisausgaben heute, z.B. Scott Adams‘ God’s Debris? Adams glaubt, dass sich das für ihn lohnt, weil die meisten LeserInnen das Buch dann anderen weiter empfehlen würden oder als Geschenk für andere kaufen.

  2. Ach Esther, du stellst abendfüllende Fragen 🙂 Die kürzeste Antwort ist: Ich habe einen tiefen Respekt vor dem Urheber. Er entscheidet, wie und wo er sein Werk veröffentlichen will.
    Eine andere Frage ist zum Beispiel Google Print. Aber hier ist vieles im Wandel und es ist schwierig abzuschätzen, was da noch auf uns zukommen wird.
    Zum Urheberrecht und zur Verschleuderung von geistigem Eigentum versus der Forderung „Zugang für alle“ werde ich wohl noch einige Male zurückkommen. Eine grosse Herausforderung ist das…

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