Gedenke des Buchhandels

Schön am Buchhandel ist, dass wir seit Jahren zu aufwändig ausgestalteten Abgesängen kommen. Das Produkt, welches wir verkaufen (gedrucktes Buch), der Laden, der wir sind (Detaillist), die Ausbildung, die wir gemacht und weiter gebracht haben (Buchhändlerin) – alles im freien Mauerfall. Die Buchhändler, die Ossis (können zwar lesen, neigen aber unter veränderten Bedingungen zu Intelligenzdefekten), auf der einen Seite und der Rest der Welt, die Wessis (können lesen, wissen immer wie’s läuft, auch in der Zukunft), auf der anderen.
Der Pöstler, mein geschätzter Nachbar, die Kindergärtnerin, meine werte Bekannte, die Heilpädagogin, meine liebe Schwester: sie alle mussten den Untergang ihrer Berufe einsam und nahezu frei von medialer Abdankung ertragen. Ihre Berufung hat sich in Elementarteilchen aufgelöst, in englischen Begrifflichkeiten, praxisferne ECTS-Punkte und riesenhafte Post- und Schulkreise, die kaum mehr zu bearbeiten sind.
Da lob ich mir die Grabreden auf meinen Beruf! Das ist Reminiszenz! Eine besonders umfassende ist im APuZ zur Buchmesse erschienen (Volltext online.) Alle Artikel dieser Nummer „Die Zukunft des Buches“ sind lesenswert, aber ich empfehle an erster Stelle: Der Buchmarkt im Strudel des Digitalen (Abschnitte im Inhalt einzeln anklicken).

2 Gedanken zu „Gedenke des Buchhandels“

  1. Das Buch ist ein Kulturgut das „fremdvermarktet“ wird. Das begann schon vor Jahrzehnten mit buchfremden aber billigeren Angestellten in den altehrwürdigen Grossbuchhandlungen bis zu Amazon heute. Wenn solche Einrichtungen kein Interesse mehr haben am Vertrieb wird erst quersubventioniert und dann fallengelassen.
    Die meisten vergessen, dass die meisten Bücher nicht wie Tomaten und Bananen an JedeN verkauft werden können. Sie haben immer individuell eingeschränkte Nachfrage. Eine Errungenschaft des Gedruckten war, dass viele bestimmte Inhalte produzieren und verteilen konnten. Wer das einschränkt, schränkt auch den Nutzwert von Büchern ein.

  2. Es gibt kaum Zweifel, dass wir gerade dem Untergang einer Branche und eines Produktes beiwohnen und dass dafür verschiedene Faktoren gesellschaftlicher Veränderung verantwortlich sind. Mich interessiert vor allem wie der Umgang mit Inhalt und der Anspruch auf Qualität werden wird, entscheidend ist und bleibt immer der Kunde/der User. Wir werden vielleicht irgendwann so etwas wie ein Ergebnis sehen und vielleicht auch nicht. Ich frage mich manchmal, ob mein verbleibendes Leben ausreicht, die Entwicklungen zu verfolgen und die Vorlieben zu verstehen.

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