In der Grossbuchhandlung [3]

Ich geniesse es, in der Grossbuchhandlung nur einzuräumen und zu verkaufen. Bestellen (disponieren), Pausenzeiten festsetzen, Stellvertretungen für Kranke organisieren, Telefone abheben, Online-Warenkörbe leeren und Bestellungen verarbeiten – das alles machen andere.
Ich verkaufe gern, besonders in Buchhandlungen. Egal ob sie klein, gross, spezialisiert oder allgemein sind, denn ich schaue gerne zu, was passiert, wenn Menschen und Bücher zusammenkommen.
Zum heutigen Tag ein paar Verbindungen zwischen Theorie und Praxis (ist schliesslich mein Job in der Schule, das zu machen).
Grundlage des Verkaufs ist die Wahrnehmung. Die Wahrnehmung der Buchhändlerin entscheidet darüber, ob eine Kundin kauft und – noch wichtiger – ob sie wieder kommt.
Im aktiven Verkauf muss viel getan werden. Aber in Verkaufsseminaren wird oft erzählt, was man unterlassen soll. Es klingt dann immer einfach. Doch im Verkaufsalltag bedeutet es, Gewohnheiten zu knacken, und das ist schwierig.
Ich nehme als Beispiel die Kontaktaufnahme:

  • Die gleiche Buchhändlerin sollte den gleichen Kunden ganz bewusst und nur einmal grüssen.
  • Der gleiche Kunde sollte pro Buchhandlung oder pro Etage in der Buchhandlung nur einmal ganz allgemein nach seinen Wünschen gefragt werden.
  • Bei Antworten soll die Buchhändlerin Verneinung meiden.
  • Das Grüssen müssen Buchhändlerinnen und Buchhändler im Griff haben, es ist reine Übungssache. Ich kenne meine Kundinnen und Kunden mindestens für einen Tag, auch wenn sie keine Beratung wollen und mehrmals vorbeikommen. (Wenn ich fit bin, kann ich mir für diese Zeit auch Namen merken. Wer etwas bestellt oder bei mir mit Kreditkarte bezahlt hat, den rede ich mindestens am selben Tag mit Namen an.)
    Der nächste Punkt hängt von den Räumlichkeiten ab. In der Buchhandlung, in der ich jetzt bediene, ist es leicht zu merken, wenn ein Kunde bereits von einer Kollegin oder einem Kollegen nach seinen Wünschen gefragt worden ist. In unübersichtlichen Verkaufsräumen muss sich das Team auf ein Vorgehen einigen. Die Buchhändlerin muss vielleicht den Kunden gegenüber zugeben, dass sie unsicher ist, „ob wir Sie schon nach Ihren Wünschen gefragt haben?“.
    Der letzte Punkt ist die grösste Herausforderung. Kunden fragen oft:

  • a) negativ-suggestiv. „Sie haben von dem Buch kein zweites Exemplar mehr da..?“
  • b) positiv-suggestiv: „Die Wandkalender sind sicher oben..?“
  • Bei a) darf sich eine Verkäuferin nicht zum „Nein“ verführen lassen, sie muss antworten: „Ich sehe gerne für Sie nach.“
    Bei b) darf sie nicht „Nein, sind sie nicht, sie hängen direkt da vorn“ sagen. Sie muss die Wandkalender zeigen.
    Denn dass etwas nicht da oder dort ist, will der Kunden nie wissen, auch wenn er danach fragt. Er will immer wissen, ob etwas im Sortiment ist und wo genau.

    2 Gedanken zu „In der Grossbuchhandlung [3]“

    1. spannende drei punkte, die du aufzählst. wirklich wichtige punkte. punkt zwei finde ich in grossen buchhandlungen noch am ehesten entschuldbar, wenn man sich nicht daran haltet. im zweifelsfall besser doppelt fragen als gar nicht, oder nicht?
      interessant finde ich, dass ich persönlich punkt drei als den einfachsten empfinde. umgewöhnung und aufmerksamkeit in der wortwahl. aber punkt 1 finde ich den schwierigsten. klar wenn man mit einem kunden länger im gespräch ist und beratet dann schaffe ich das meistens auch, aber nur vom grüssen mir das gesicht merken schaffe ich nicht. schon gar nicht in dieser zeit in der es wimmelt vor älteren damen mit schwarzen mänteln und lesebrillen. hast du mir einen tipp? oder lediglich den einen wie für punkt 2 und 3, aufmerksamkeit und übungssache?
      gruss aus der anderen grossbuchhandlung.

    2. Liebe filomenal
      Wie schön, von dir zu hören!
      Ich habe die Wertung „einfach“ etc. aus den Rückmeldungen der Lernenden und ehem. Lernenden und aufgrund meiner Beobachtungen gemacht, aber stimmen muss es sicher nicht für jede/n!
      Gestern habe ich einen Kunden 2x gegrüsst, weil er die Jacke ausgezogen und seiner Frau übergeben hatte. Arrrgh.
      Punkt 2 ist m.E. einfach störend für die Kunden. Ich bin noch nicht ganz sicher… Zweimal fragen liegt noch drin, aber dreimal ist m.E. schlimmer als keinmal. Also ich selber mag es nicht, wenn mich in einem Laden x Leute nach meinem Wunsch fragen und auch nicht, wenn mich im Restaurant das ganze Personal rauf und runter fragt, ob’s schmeckt.
      Von wegen Tipp: Ich mache mir zu den Kunden Geschichten, d.h. ich schubladisiere erbarmungslos. So habe ich gelernt, auch Lesebrillen und – zugegebenermassen – Einheitstenues von Senioren zu unterscheiden.
      Ich versuche die Kontaktaufnahme über das Grüssen hinaus – wenn es personell möglich ist – immer. Dann ist man näher an den Kunden dran und kann sie sich besser merken. Wenn du jemandem einem Einkaufskorb gereicht hast, jemandem erklärt hast, was wo ist, wenn jemand dich angeschnauzt hat, wenn der eine Teil eines Paares Beratung möchte, der andere nicht, kannst du dir die Gesichter zusammen mit der Geschichte über Stunden merken.
      Ich merke in unserem – übrigens super guten, jungen, mega-netten! Team – dass die, die auch schon in kleinen Buchhandlungen gearbeitet haben, die Kunden fast besser memorieren können. Eigentlich wäre es ja umgekehrt logisch und die mit viel Grossbuchhandleserfahrung müssten hier mehr Übung haben. Vielleicht stimmt auch mein Eindruck nicht.
      Grundsätzlcih habe ich einen Vorteil, weil unsere Kunden eher Stunden denn Minuten für den Einkauf einplanen.

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