Verkaufte Seelen…

… oder „Kleine Kulturgeschichte des Marketings anhand der Fachbesucher-Dauerkarte der Frankfurter Buchmesse“
…oder „Von der Ignoranz tausendfacher Werbefläche über deren brancheninternen Verkauf bis zum Verkauf an den Totengräber“.
Vorderseite vor 15 Jahren:
Fachbesucherkarte 1991
Rückseite vor 15 Jahren:
Fachbesucherkarte 1991, Rückseite
Vorderseite vor fünf Jahren:
Fachbesucherkarte 2001
Rückseite vor fünf Jahren:
Fachbesucherkarte 2001, Rückseite
Vorderseite heute:
Fachbesucherkarte 2006
Rückseite heute:
Fachbesucherkarte 2006, Rückseite

15 Gedanken zu „Verkaufte Seelen…“

  1. Das hat gar niemand gewusst.
    Inzwischen ist das eine Vermarktungsgesellschaft die diese Messeeintritts-Rückseite verkauft und die hätten auch Toyota genommen. Den Börsenverein hat bestimmt niemand gefragt.

  2. Mag sein. Aber:
    1. Toyota wäre mir in diesem Fall lieber gewesen.
    2. Der Boev dürfte in der Lage sein, bei einer Vermarktungsgesellschaft von wem auch immer soweit mitzumischen, dass sie keine Kuckuckseier legt. Auf der einen Seite Copyright-Kampf auf der anderen Werbefläche für den zur Zeit grössten Räuber geistigen Eigentums. Ein Wunder, dass nicht noch ein amazon-Fähnchen drauf ist, jetzt wo die beiden so schön kooperieren. Das kommt dann nächstes Jahr.

  3. Habe meine alten Eintritte auch schnell angeschaut.
    1996 auf der Rückseite aus „Anton Reiser“
    von Karl Philipp Moritz:
    „Das Lesen war ihm so zum Bedürfnis geworden, wie es den Morgenländern das Opium sein mag, wodurch sie ihre Sinne in eine angenehme Betäubung bringen.“
    Solche Platzverschwendung scheint vorbei zu sein – schade.

  4. Interessante Beobachtung – und tatsächlich symptomatisch. Was aber Google angeht, frage ich mich, ob Deine Kritik wirklich gerechtfertigt ist. Dass Google sich mit ihrem „opt-out“ an der Grenze der Legalität befindet, ist das eine – aber bietet sich nicht eine ausgezeichnete Chance, Deinem Erzfeind Amazon wieder einige Kunden abzujagen? Wenn Google es schafft, dass man Bücher künftig nicht mehr im amazon-Katalog, sondern über Google sucht, und wenn man tatsächlich unmittelbar prüfen kann, in welcher Buchhandlung in der Nähe das Buch vorrätig ist, so ist doch dies eine Chance für den stationären Buchhandel, weil ich dann nicht zwei Wochen auf das Buch warten muss, sondern beim nächsten Gang in die Stadt gerade in die richtige Buchhandlung gehe. Aber irgendwie ist der europäische Widerstand typisch – anfangs wurde beklagt, dass Google nur englischsprachige Literatur scannt und damit die kulturelle Hegemonie Amerikas zementiert, danach wird lamentiert, dass Google das Urheberrecht verletzt, und schliesslich wird man nicht verstehen, wenn Amazon und Google zusammenspannen werden – nachdem man selbst die Zusammenarbeit mit Google abgelehnt hat. Oder sehe ich das völlig falsch?

  5. Dass ich Amazon aus zahlreichen Gründen keinen unterstützenswürdigen Anbieter finde, ist kein politisches Programm, sondern höchstens ein Blogbeitrag pro Jahr und ein paar bissige Kommentare. Ich würde also nicht etwas befürworten oder ablehnen, um Amazon eins auszuwischen. Das Google die „Search inside“-Scans von Amazon weiterverwertet, war abzusehen.
    Meine Kritik an Google ist hingegen politisch.
    Google hat ohne Zustimmung urheberrechtlich geschützte Werke ins Netz gestellt (ab 2004) und die finanziell relevanten rechtlichen Folgen in Kauf genommen. Erst als der amerikanische (!) Verband der Biblothekare den Verstoss laut verurteilte und ein Imageschaden drohte, wurde das Versprechen nachgeschickt, dass Google die Werke wieder vom Netz nähme, sobald man ihnen den Rechteinhaber nennen würde. Das heisst, dass dank Google auf der pragmatischen Ebene – die es bei jedem Gesetz gibt – eine Praxis Einzug hielt, die den Raub von Eigentum zum Kavaliersdelikt macht. Das heisst, dass jeder und jede halt nochmal und nochmal und nochmal selber schauen muss. Es ist, als würde deine Anzeige für ein abgeschlossenes gestohlenes Fahrrad erst nach dem siebzigsten Anlauf wirksam, weil du es an einem schlecht beleuchteten Ort abgestellt hast.
    Um Google zu Wohle der Menschheit zu erklären und Verlage ins Boot zu holen, ist Adam Smith am 21. Oktober 2005 an der Frankfurter Buchmesse vor das Fachpublikum getreten. Erst hier ist die Debatte über die Verwirklichung des Menschheitstraums entstanden, die die Firma Google mit ihrer Pressemeldung (in sechs Jahren 15 Millionen gedruckte Bücher zu scannen) vom 14. Dezember 2004 eingeläutet hat.
    Du fragst, ob du das richtig siehst – ich sehe es anders. Diese Debatte verlief in meiner Wahrnehmung umgekehrt als du es schilderst. Zuerst wurde festgestellt, dass Google das Urheberrecht verletzt, das wurde nicht europäisch „lamentiert“ sondern amerikanisch nachgewiesen. Danach wurde – und da haben wir Google einen „heilsamen Schock“ (wie der Präsident der franz. Nationalbibliothek Jeanneney es nennt) zu verdanken – die Diskussion darüber lanciert, wie das digitalisierte Wissen unter verschiedenen kulturellen und sprachlichen Aspekten mit (mehreren) Metasuchen erschlossen werden kann.
    Die Zusammenarbeit mit Google wurde von Europa nicht abgelehnt, sondern Google lehnte sämtliche europäischen (und übrigens auch japanischen) Vorstellungen ab. Die Google-Entscheidungsträger zogen es vor im kurzfristig lukrativen wirtschaftlichen Modus zu verbleiben, unverholen eine amerikanische Exklusivität anzustreben und mit der primitiven Auflistung englischsprachiger Werk-Seiten fortzufahren.
    Das bringt Europa in einen Zugzwang, der der kulturell vielfältigen Informationsvermittlung nicht dient und vielleicht – wenn der politische Wille zu klein ist – auch das europäische Kraft- und Geldbudget sprengt. Das können wir nur vermeiden, wenn wir die Menschen sensibilisieren und uns politisch für die entsprechenden Budgets stark machen. Denn am Können liegt es nicht, die Algorithmen für die Inhaltssuche aus Europa (inkl. Israel) und Japan sind um einiges raffinierter als die aus den USA (das wiederum hängt mit der sehr alten Buch- und Biblotheksgeschichte zusammen).
    Ich beklage nicht die Entwicklung des Netzes. Ich verurteile und bekämpfe es, wenn Vorherrschaft zu Lasten von Weisheit, Reflexion und geistigem Eigentum geht.

  6. Werbung wird meistens nur wegen des Geldes veröffentlicht, da ist es egal, ob der Werbende anrüchige oder moralisch zwielichtige Konzepte vertritt. Der, der (am meisten) zahlt, wird genommen. Ich bin eh Werbeskeptiker und in den letzten Jahren zunehmend genervt von den (schlechten, einfallslosen) 0900 – Nummern – Werbeclips im Tv zu nächtlicher Stunde, die mir zudem sittenwidrige Dienstleistungen zu horrenden Preisen andienen wollen.
    Amazons „Search Inside“ finde ich im übrigen eher nervig, es mag aber Vorteile für Studenten bringen, die überprüfen wollen, ob ein Buch als Quelle zu einer bestimmten Fragestellung tauglich ist. Ich selbst wähle meine Bücher ohne „hineinlesen“ aus, da ich entweder weiß, was mich erwartet oder ob es mein Geld wert ist, ein Risiko einzugehen.
    Weitergehendes wie google find ich zwar als Utopie nicht schlecht – Wissen als kostenlose Ressource für Jeden, aber dann müßte geklärt werden, inwieweit Wissenschaftler, Autoren und Illustratoren anderweitig – gesellschaftlich – bezahlt würden. Bis dahin – und das liegt wohl eher im konjunktiven Bereich der Utopie, also Jahrhunderte weit entfernt – müssen sich die EU, Japan oder auch die USA überlegen, z.B. books.google.com einfach global zu sperren. Denn diese Aktivitäten widersprechen der derzeit gültigen Rechtsnorm in allen industrialisierten Staaten. Solange das allerdings auf einer zivilrechtlichen Ebene abgehandelt wird, bei der die Akteure einzelne Verlage, Autoren sind, sehe ich allerdings endlose Mühen und Prozesse voraus, die letztlich keine flächendeckenden Resultate erreichen können. LG rollblau

  7. Ein Verbot ist rechtlich nicht durchsetzbar, weil Google ja jetzt brav ist und versichert, nur Seiten, die urheberrechtlich nicht geschützt sind oder unvollständige Seiten einzuscannen. Rechtlich gesehen gibt es einzelne Verstösse, die einzeln geahndet werden müssen (prosit).
    Ich ziehe eine breit abgestützte Lösung durch die europäische Konkurrenz und die japanische Konkurrenz vor. Das Problem ist wie gesagt Zeit und Geld und deshalb muss es oben auf die Agenda. Dort kommt der Umgang mit digitalisiertem Wissen aber nur hin, wenn die Leute (die Urheber wie die Nutzer von urheberrechtlich geschützen Werken und das sind alle!) sensibilisiert werden.
    (Die Google-Aktie ist auch nicht mehr, was sie mal war. Manchmal frag ich mich ganz kühn, ob dieser ganze Buchseiten-Wahnsinn nicht unter „Aufbäumen“ abzuhaken wäre…)

  8. Inzwischen wohl Hunderttausende studierter, kultur-, sprach- und weltkundiger Leute arbeiten seit Jahrhunderten daran, nur schon Titel und Autoren der alten und neuen Bücher halbwegs korrekt und wiederauffindbar einzuordnen und zu verwalten.
    Die beiden Google-Jungs sind sicher Schlaumeier, immerhin haben sie – mit einer einzigen Einnahmequelle, dazu noch im heissesten Markt – der Börse ein paar Milliarden abgeluchst. Aber sich ernsthaft mit Büchern und deren Inhalten zu befassen traue ich ihnen nicht zu. Bücher scannen ist eine interessante Idee, gehört aber sicher nicht in die Hände von solchen Hallodris.
    Gleichzeitig schrecken die internationalen Medienkonzerne (meist in US-Hand) nicht davor zurück, den Leuten Viren auf den PC zu schleusen, nur um ihn daran zu hindern, eine CD zu kopieren.

  9. (… Und die Bohrinseln, Kaspar, die Bohrinseln! Bei jeder DVD wird mir – ganz explizit unter „SCHWEIZ“ – das Abspielen der DVD auf Bohrinseln bei Androhung internationaler Konsequenzen verboten.)

  10. Erstmals besten Dank für die ausführliche Erläuterung – und dass während der Messe!
    Vielleicht sehe ichs in der Abfolge falsch, ich bin auch nicht so nah am Geschehen. Inzwischen – abgesehen von der Entstehungsgeschichte und möglicherweise dank verlegerischem Widerstand – scheint mir aber das Google-Projekt nicht so schlecht zu sein. Realistischerweise verfügt doch ausser Google niemand über die erforderlichen finanziellen Mittel. Und so wie’s jetzt aussieht, denke ich, kann man auch nicht mehr unbedingt von Urheberrechtsmissbrauch sprechen. Bücher sind ja nur auszugsweise einsehbar. Im Vergleich zu dem, was die Tonträgerindustrie erlebt, hat der Buchhandel wenig zu befürchten. Ich möchte jedenfalls Krieg und Frieden weder am Bildschirm lesen, noch ausdrucken, auch wenn das wohl möglich wäre, da ja das Buch (jedenfalls die alte Übersetzung) nicht mehr unters Copyright fällt. Im übrigen: Wenn die europäischen Algorithmen tatsächlich überlegen sind, so werden die das bei Google in Zürich vielleicht auch noch merken.

  11. Die guten Alogrithmen für die Schlagwort- und Inhaltssuche kommen meist aus old Europa, weil die Beschalgwortung hier entstanden und die Mehrsprachigkeit eine Notwendigikeit ist.
    Was Google Zürich angeht, so halte ich es mit Kaspars Meinung: Google wird nie erkennen, dass sich eine nützliche Suche dem Werk und nicht seinen Seiten nähert. Und sollte Google die Pflege mal nicht mehr schaffen oder gar crashen, werden Milliarden gescannter Seiten im Nirvana verschwinden.
    Was ich will, ist Konkurrenz für Google: Als Suchmaschine und als Metasuche für Bücher. (Und mich erstaunt immer noch, dass liberale Leute Monopolisten wie Google und Amazon so toll finden.)
    Aber bitte, Christoph, gern geschehen. Die Messe ist ein inspirierender Ort für solche Geschichten 🙂

  12. Wer eine gute Idee verwirklicht, wird (wenigstens zeitweilig) zum Monopolisten, damit habe ich kein Problem. Geistiges Eigentum schafft ja auch ein Monopol, das aber meistens damit rechtfertigt wird, dass dieses Monopol dafür sorgt, dass der Erfinder/Urheber nur so einen Anreiz hat, seine Idee zu verwirklichen. Wenn Google weiss, dass es noch fünf andere gibt, die Bücher scannen, dann lohnt es sich möglicherweise nicht mehr, diese Ausgaben zu tätigen (schon so ist fraglich, ob für Google wirklich was herausspringen wird, aber da die Börse den „Hallodris“ nun mal soviel Geld zur Verfügung stellt, haben sie Gelegenheit, das Risiko einzugehen).
    Klar, als Kunde (ob liberal oder nicht) habe ich natürlich lieber, wenn es mehrere Anbieter gibt. Gerade daher würde ich es schätzen, wenn es neben „search inside“ auch „Google Booksearch“ gibt (neben den traditionellen Möglichkeiten, sich ein Buch mal anzusehen – in Buchhandlung, Bibliotheken, an Buchmessen etc.). Im Bereich der Suchmaschinen gibt es ja auch zig Alternativen. Da ist Google darauf angewiesen, sein Image als „nette Firma“ zu halten, sonst sind die Nutzer plötzlich schnell weg (kennt jemand noch altavista?).
    Was, wenn sich Google übernimmt? Da würden die gescannten Seiten kaum im Nirvana verschwinden, sondern in der Konkursmasse – und da würde sich bestimmt ein Käufer finden. Alles nicht so schlimm…

  13. Ich gehe mal davon aus, Christolph, dass du nicht älter bist als ich. Deshalb können wir uns Zeit lassen mit dem Recht haben.
    Oder anders: Die Zeit wird’s zeigen, nicht nur beim Ladenpreis, nicht nur beim Urheberrecht, sondern bei allem, was an Werten nicht allein mit Geld- und Marktwerten zu verteidigen ist.

  14. Hallo!
    Warum macht ihr alle solch einen Aufstand über die Digitalisierung der Bücher? Die Inhalte werden doch nicht geklaut sondern veröffentlicht. Und es handelt sich nicht um neue Bücher. Was ist denn so schlimm daran wenn die Werke von Goethe usw. allen digital zur Verfügung gestellt werden? Die Werke haben kein Copyright mehr also dürfen sie ohne weiteres kopiert werden. Was Google dabei durch Werbung verdient kann doch euch egal sein…. Immerhin ist das kein einfacher Prozeß und kostet natürlich viel Geld! Außerdem gibt es viele Bücher die gar nicht mehr zu kaufen gibt oder in nur bestimmten Bibliotheken verfügbar sind, ist das schlecht wenn JEDER die Möglichkeit hätte sie mal zu lesen? Das Wort Buch wird hier überbewertet. Es geht nicht um das Papier sondern um den Inhalt der so heilig sein sollte, egal in welcher Form.
    Ich würde es natürlich nicht gut heißen wenn urhebergeschützte Werke illegal veröffentlich werden. Dies wird aber nicht all zu oft passieren, denn so viel Geld wird Google auch nun wieder nicht haben.

  15. Ich denke, werter Alex, die Lektüre der Kommentare – ich weiss, so klein zu lesen ist mühsam – würde deine Frage anstandslos beantworten. Weil in den Kommentaren kommen alle Wesentlichen Pro und Contras vor.
    Der Umgang mit dem Urheberrecht ist keine Lapalie.
    Die Aufforderung zur Sorgfalt und Abgeltung im Umgang mit geistigem Eigentum ist kein „Aufstand“, sondern eine Forderung nach Einhaltung bestehenden Rechts.

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