zum Begriff „literarisch“

Don Dahlmann und Lyssa lesen Blog.
Kann ein Text ausserhalb seines Mediums noch der Text des Mediums sein? Bloglesungen sind ein Widerspruch in sich.
Jedenfalls hat mich die Ankündigung drauf gebracht, meine Sammlung von „was ist ein Weblog?“ um Don Dahlmanns Definition zu erweitern.
Sowohl bei der Ankündigung wie bei der Definition ging mir die Verwendung des Wortes „literarisch“ gegen das Fell. Dass wir uns über den Begriff zoffen, hat eine lange Tradition und ist ein Lebenselixier, jedenfalls für Buchleute. Ich möchte daher nicht unflexibel erscheinen und eine Neubesetzung des Begriffs – wie sie ja alle paar Jahrhunderte mal gemacht wird – kategorisch ausschliessen. Aber solange die Würfel noch nicht gefallen sind, darf ich mich wundern:

Seitdem lebt und arbeitet er (Don Dahlmann) in Berlin und führt dort auch sein literarisches Weblog,

Ich halte dagegen. Das ist gutes Schreibhandwerk, ich lese da gerne. Aber ich anerkenne das nicht als literarisch, dafür müsste der Autor die Distanz zwischen sich und dem Text noch stark optimieren. Literarisch ist die Blogkategorie „Dranmor“ aus der taberna kritika. Das sind Teile eines Entwicklungsromans mit Kommentarfunktion und das ist ein Experimentierfeld. Aber nur weil ein Weblog mehr für amüsante und melancholische Aufzeichnungen gebraucht wird als für weiter verlinkte Fakten, ist es weissgott noch nicht literarisch.

Soweit ist es in Deutschland noch nicht, zumal sich die Blogszene, die so genannte „Blogosphäre“, mehr im allgemeinen und literarischen Bereich arbeitet. Hier bietet sich aber dann die ganze Vielfalt von Texten, die man Buchhandel schon lange nicht mehr findet. Vor allem Kurzgeschichten, die zum großen Teil aus persönlichen Erlebnissen bestehen, sind auf den meisten Seiten zu finden.

Was ist eine Kurzgeschichte, das ist hier die Frage. Ich brauche keine ganze Hand um die Weblogs, die sporadisch beinhalten, was nach Schulbuch als Kurzgeschichte gilt, abzuzählen.
Und was mit der Vielfalt von Texten, die man im Buchhandel schon lange nicht mehr findet, gemeint ist, bleibt mir verschlossen. Blogtexte konnte man per definitionem vor langer Zeit nicht im Buchhandel finden, weil es ja da Weblogs nicht gab. Und auch heute stehen vorwiegend Bücher im Regal und nicht Bildschirme. Es ist ein anderes Medium und nicht neu, dass sich die Message nicht einfach so übertragen lässt. Ein Text zwischen Buchdeckeln muss zwingend lektoriert und korrigiert werden. Es gibt Zeitformen und Perspektiven, Seitenzahlen und Satzspiegel, Kapitälchen und den Zeilenlauf und hoffentlich keine Hurenkinder.

Mittlerweile hat sich durch die Blogosphäre eine eigenständige literarische Gattung herausgebildet, die erst am Anfang ihrer Entwicklung steht.

Gattung ja, literarisch manchmal, Anfang der Entwicklung vielleicht.

2 Gedanken zu „zum Begriff „literarisch““

  1. das ist ein heisses eisen, wenn nicht sogar das heisseste. das führt direkt zur tödlichen abschlussfrage: was ist literatur? das erhitzt sämtliche stationen: den (akad.) lehrbetrieb. die kritik. das feuilleton. den buchhandel. die leserInnen und autorInnen … die brigitte und gq … das ist religion … da kann man sich nur die hände verbrennen … danke, für den mutigen versuch …

  2. Sicher, das Eisen ist heiss und ich halte mich meistens zurück, denn ich bin keine Germanistin, nicht einmal eine abgebrochene. Doch die Blogoshäre verdient neben Lob auch ab und zu eine Replik.
    Erste Seele in der Buchhändlerinnen-Brust ist das Auffinden einer guten Stelle selbst im dümmsten Text. So kann sie, was sie nicht ertragen kann, immerhin verkaufen, schliesslich ist sie bei diesem Akt nicht als Leserin dabei.
    Die zweite Seele hat so viel gelesen, beurteilt und ausgewählt, dass das Hirn voll ist mit Kriterien. Bei mir sind die nicht in Stein gemeisselt, ich habe mich auch schon überzeugen lassen.
    Aber ein Fähnchen bin ich nicht und meine Meinung hat ja kaum Gewicht. Wenn Don Dahlmann ein Stern am Literaturhimmel und König der Kurzgeschichte werden sollte, so kann ich mir viel Schlimmers vorstellen 🙂
    Ich kann Blogger schon verkaufen und auch mit Einbussen beim „Literarischen “ gut leben. Für den Eigenbedarf kann ich ja Altes lesen. Bin gerade an Ludwig Börne, „Menzel der Franzosenfresser“ – Fulminant.

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