Wochenbilanz IX: Schulbücher, Leseprognosen

Daneben habe ich mich letzte Woche noch mit Schulbüchern, Schulbuchverlagen und Inhaltsvermittlern befasst. In diesem Zusammenhang habe ich u.a. Deutschlehrmittel der Romands auf Niveau B1 genauer studiert.
Als ich selber am Französischlernen war, habe ich mich gefragt, weshalb wir ständig Übungen in der „langue soutenue“ und „langue argot“ machen mussten. Jetzt, als ich das Deutschlehrmittel der westschweizer Azubis anschaute, wurde mir klar, dass es besonders schwierig ist, die Wörter, die man kennt, situationsgerecht einzusetzen. Sprachlehrpersonen kennen das Problem, ich etwas weniger. Mir bereitet das auf meinem bescheidenen Niveau keine Mühe, wer eine Wohnung mieten will, muss eher sprechen wie Dumbledore als wie Hagrid. Aber es ist eben gar nicht so einfach. Z.B. brauchen Französischsprachige in Deutsch gerne das Wort „sorry“, vielleicht gerade weil sie es in Französisch nicht verwenden. Aber was in einem Dialog unter Freunden völlig korrekt ist, kann andernorts und vor allem in schriftlicher Korrespondenz ein Fettnapf sein. Und das muss man (mühsam) lernen.

Zudem habe ich einiges übers Lesen gelesen. Alte Artikel, die sich bei mir gestapelt hatten, aber auch die Titelgeschichte des neuen SPIEGEL. Das ist für mich wichtig, weil ich ja ab und zu darüber reden und deshalb auch die neuen Wortschöpfungen kennen sollte: „informierendes Lesen“, „tiefes Lesen“ „periphere Wahrnehmung“ und „visueller Wortschatz“. Es ist schon sehr interessant, die Menschen (mich eingeschlossen) dabei zu beobachten, wie sie die zunehmende Lesemenge zu bewältigen suchen. Die Strategien die wir dabei entwickeln, sind naheliegend: Sich vermehrt zu fragen, ob sich ein längerer Artikel lohnt oder nötige Informationen nur oberflächlich zu lesen sowie mehrmals das Gleiche nachzuschauen, anstatt es sich zu merken.
Was für mich seit Jahren – genau seit fünf, im November 2009 hab‘ ich Schirrmachers „Payback“ gelesen – im Dunkeln bleibt, ist der Einfluss auf die Entwicklung unserer Persönlichkeit. Die Suchmaschinen zeigen uns an, was wir am meisten suchen oder ohnehin schon kennen, sie sind effizient und machen gefällige Vorschläge, genau wie unsere Freunde und Bekannten, mit denen wir uns permanent austauschen. Die langen, komplexen Texte haben immer das Nachsehen. Wir kommen nicht mehr dazu (nicht nur zeitlich, auch von den Quellen her), so fremd und kompliziert zu lesen, dass unsere Gedanken sich verselbständigen und derart dreist werden, dass wir aus dem Gelesenen Neues erschaffen. Aber meiner Meinung nach ist es genau das, was dem Netz zu seinen Inhalten verholfen hat.
Zuletzt habe ich endlich das anrührende „Portait of my mother“ genau studieren können, was ich schon sehr lange einmal machen wollte. Ich war ergriffen von der Art, wie Joachim Froese (*1963, Montreal) die Bücher seiner deutschsprachigen Mutter fotografisch portraitiert hat. Schauen Sie es an, aber nur, wenn Sie Zeit haben.

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