Illusionen

Jedes Mal, wenn ich Südfrankreich entgegenfahre, verstehe ich Van Gogh. Zuerst sind die Vallées noch grün und gelb und dann legt sich langsam ein rotbrauner Schimmer über die satten Farben. Sobald das Land flacher wird, wirft der hohe Himmel ein neues Licht. Die Häuser in dem hellen Stein, einer Farbe zwischen altrosa und beige, bringen jede Blüte dezent zum Leuchten. Die seit Jahrhunderten in bestimmter Anordnung angelegten Felder und Hecken erinnern an die pedantische Arbeit für die vielgängigen Genüsse französischer Küche, die schon hier beginnt.
Näher dem Meer wird die Landschaft erst recht zu einer Bühne, genau wie Van Goghs Skizzen und Gemälde aus der Gegend: Kornfelder, Bäume, Boote, Brücken, manchmal sogar Menschen, immer nur vereinzelt: Die Objekte spielen im Schein eines gewaltigen Hintergrundes.
Dieses Licht hat so gar nichts Zufälliges, seine Interpretation wird zwanghaft. Blendend, gleissend, manchmal gar im Schatten brutal, auf der Kirschblüte sanft. Ich verstehe, weshalb einer gerade hier fand, was er malen wollte. Oder wie.

3 Gedanken zu „Illusionen“

  1. „Sehr schön – eben Südfrankreich“ – so ist & bleibt das v.a. aus der Sicht derjenigen, die gelegentlich und zur Erholung für eine begrenzte Zeitspanne dort hinfahren können. Als einer, der sich mal im Süden Frankreichs niederlassen wollte, kann ich nur sagen: Es relativiert sich auch hier alles, sobald man ein Einkommen generieren muss, auf Arbeitssuche geht (mit EU-Pass in der Tasche), Miete & Telefonrechnungen zu begleichen hat … Wenn Schönheit zum Alltag wird, wird selbst Schönheit zur Nebensache. Es sei denn, man heisse Van Gogh.

  2. Das sehe ich genau so. Landschaften und Licht nehmen einen eher ein, wenn einen Zeit, Freiheit und Fremdsein umgibt. Daher – und weil ich arg bezweifle, dass ich Van Gogh verstehe – auch der Titel des Beitrages.

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