Karfreitagsgedanken

Am 13. März wurde ich fertig mit dem Lesen der Portraits der Menschen, die am 13. November in Paris ihr Leben verloren haben. Nun gibt es wohl bald wieder neue Gedenkseiten, es ist einfach furchtbar. Aber diese Art, Einzelner zu gedenken ist eine wirksame Reaktion auf die Kriegsrhetorik mancher Politiker. Europa ist nicht im Krieg, Europa verfolgt Mörder und verurteilt sie für jeden einzelnen Mord, jedes abgerissene Bein und jeden Plan zu morden und zu zerstören. Ob als Terrorakt in der Öffentlichkeit oder hinter verschlossener Türe gegen Frauen. Und immer noch ist jeder vor dem Gesetz gleich – danach streben wir und deshalb kreigt jeder einen Anwalt.

Es fällt jedoch sehr schwer, bei neuen Anschlägen nicht an die vorherigen zu denken, ich sehe immer wieder 9/11 vor mir und die zerrissenen Züge von Madrid, den zerstörten Bus in London – und fühle mich persönlich angegriffen. Ich verstehe gut, dass diese gegen uns gerichtet Aggression von vielen als Planung mit Endziel betrachtet wird. Welche Folgen unsere Betrachtungen und Empfindungen haben, ist dabei die wichtigste Frage. Ich erörtere sie vorzugsweise mit Menschen aus Israel, die das jedoch meist nicht mehr hören mögen und zur Recht misstrauisch sind. Ich habe gerade „Schmerz“ von Shalev gelesen und wieder einige, wenn auch nicht abschliessende Antworten gefunden. Zudem gab es an unserer Schule ein Interview mit der Holocaust-Überlebenden Sara Atzmon, aus deren Antworten ich viel lernen konnte über die Unmöglichkeit, die Dinge, die früher geschehen sind zu lösen von denen, die einem heute widerfahren. (Empfehlenswerter Film für Lehrpersonen: „Holocaust light – gibt es nicht“; Trailer)
Trotz aller Unbill dieser Welt erlebe ich viele schöne Sachen, wie zum Beispiel die Prüfung einer Schülerinnen-Gruppe über vegane Ernährung.
Auch sehr gerührt hat mich eine junge Pflegefachfrau, die sich erkundigte, woher die doppelte Verneinung im Deutsch der alten Juden komme („Sie haben uns niemals nicht zu essen gegeben“)? Ich konnte das nicht gut erklären und händigte ihr „Maus“ aus ohne damit zu rechnen, dass sie es lesen würde. Aber sie nahm die Bände sofort zur Hand und las bis sie darüber einschlief und am Morgen weiter bis zu Ende.
Vieles ist eine Zumutung, aber wir alle sind handlungsfähig. In welchem Sinne, das ist die tägliche Frage.

Ein Gedanke zu „Karfreitagsgedanken“

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