Pressesplitter

Ich bin wegen Buch-Lese-Anfällen mit der Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre in Verzug. Es hat ja auch sein Gutes, sich die News einmal ein paar Tage vom Leibe zu halten. So gelangte ich nämlich für kurze Zeit zur Ansicht, die Welt würde doch noch besser als erwartet. Schuld daran waren drei gestandene Männer: Ein Verleger, ein US-Marine und ein Regisseur. Dem ersten muss ich aus lokalpolitischen wie beruflichen Gründen die meiste Aufmerksamkeit schenken:
Es war Rudolf Stämpfli, der den richtigen Ton und die Form gefunden hatte, auf die grauenhafte Kolumne (Stil Dreissigerjahre, nicht online) des grauenhaften Herr Mörgeli in der nicht minder grauenhaften Weltwoche (und nicht nur dort und nicht nur Kolumnen, leider auch politische Schriften) zu reagieren. Als Arbeitgeberpräsident ist Rudolf Stämpfli ein Häuptling von Bürgerlichen und politisch rechts. Er kam, sah und siegte mit der einfachen Erkenntnis, dass erfolgreche Kritik von Innen kommt. Gilt für Addis Abeba, Algier, Beijing und Bern.
Verleger Stämpfli sprachs vor versammelter Arbeitgeberschaft und dem Bundespräsidenten, der gleichzeitig als staatsmännisch stoisches Opfer der Attacke anwesend war:

Was kümmerts den Stein, wenn sich das Schwein an ihm reibt?


Vom Volksmund schlug er den Bogen zur Politik: Man dürfe es nicht beim Kopfschütteln bewenden lassen, sonst werde demokratieunwürdiges Verhalten normal. Und illustrierte das Politische mit dem Literarischen:

Wer sich stets an den Grenzen des Zulässigen bewege, sei bereits zu weit gegangen. „Wir tun also gut daran, wenn wir – in Anlehnung an Frischs Biedermann und die Brandstifter – nicht länger zusehen, wie Kanister um Kanister Benzin auf den Dachboden unserer Demokratie geschleppt wird, und uns die Brandstifter immer wieder versichern, es handle sich lediglich um Einzelfälle“. [Quelle: „Der Bund“ vom Samstag]

Den zweiten Vernünftigen habe ich in der „NZZ am Sonntag“ neu kennen gelernt. Es ist Sherwood F. Moran, ein US-Marine, der 1943 einen legendären Ratgeber zur erfolgreichen Verhörtechnik verfasst hat. Nachdem die US Army mit ihren Methoden im Irak und Guantanámo nicht nur moralisch sondern auch nachrichtendienstlich Schiffbruch erlitten hat, sei ihr Morans Leitfaden wärmstens empfohlen. Die „NZZ a. S.“ fasst seine Erkenntnisse zusammen:

Beherrsche die Sprache und Kultur der Gefangenen perfekt und sei menschlich und nett zu ihnen! Grösstes Gewicht legt Moran, der viele Jahre als Missionar in Japan gelebt und die dortige Sprache und Kultur bestens gekannt hat, zudem auf die Persönlichkeit des Verhörers. Der brauche Charakter, Erfahrung und Temperament und müsse gestützt darauf seine eigene Technik entwickeln. „Wie ein Liebhaber!“ schreibt Moran und meint das keinesfalls als Witz. „Ein Befrager muss ein richtiger Verführer sein.“

Da müssen ein paar Amerikaner noch viel lernen.
Ein anderer Amerikaner hingegen macht mir besonders Freude, Francis Ford Coppola. Er hat das Magazin ZOETROPE | All-Story gegründet, dank ihm konnte ich mich dieses Wochenende der Sommerausgabe (Vol. 4, No. 2) widmen. Darin publizieren viele Drehbuchschreiberlinge, was mir als Leserin eine seltene Vielfalt von langen und guten Dialogen beschert. Da das Drama viel Popularität eingebüsst hat und das Drehbuch nicht bis zum Buch(handel) durchdringt, ist eine solch‘ internationale Lektüre eine Wonne. Durch und durch gegenwärtig, von Paris über Sankt Petersburg bis Tokio die Sprache des Alltäglichen, bunt gerafft.

„Don’t let me fall asleep,“ I said, then fell.

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