Sobald die Schoten platzen

Chronistinnenpflicht: Zu meiner Sammlung warnender Bürgermeister heruntergekommener Ortschaften gesellt sich eine Neue, die Bürgermeisterin von Lübtheen, Ute Lindenau. Laut dem neusten SPIEGEL (Nr. 22 / 29.5.2006) wundert sie sich nicht,

„dass es gestandene Leute im Ort“ gibt, die sagen, „irgendwo hat der doch recht.“

Und damit meinte sie den NPD-Spitzenkandidaten Udo Pastörs. Der SPIEGEL (S. 41) schreibt weiter:

„Ein Alptraum“ sei wahr geworden, als das Angebot eines Malers aus dem Pastörs-Umfeld überbracht wurde, die Räume einer Kita gratis zu renovieren. „Wenn ich das akzeptiere“, so Lindenau, „macht die NPD damit Werbung, wenn nicht, lass ich alles verrotten.“ Jetzt will sie mit Eltern selbst zum Pinsel greifen.

Das ist vorbildlich. Nicht immer nur ungehörige Dinge wie unverrottete Kitas fordern, sondern selber anpacken. Und sollte das Geld nicht für die Farbe reichen, stellt sie der NPD-Maler sicher gerne zur Verfügung.
Endlich zeigt sich die positive Entwicklung jahrelanger Sparbemühungen im Sozial- und Bildungswesen. Selbstverantwortung macht frei.
Danke, danke, danke.

6 Gedanken zu „Sobald die Schoten platzen“

  1. mhm, wir putzen als eltern auch 2mal im jahr die kita – weiss allerdings nicht, wer ein entsprechendes reinigungsangebot gemacht hatte, das die leitung nicht annehmen durfte 😉

  2. Genau, es ist mehr eine Grundsatzfrage (wegen des Angebots). Ich habe auch lange die Roti Zora geschrubbt, das war in Ordung. Dass das Kind hingegen nur bei der Pfingstgemeinde an den Mittagstisch konnte (weil der einfach an die „ausgelagert“ worden ist) und für ein Essen neben dem Füfliber mind. 3 pfingst-christliche Lieder plus 2 Gebete plus 5 pfingstgemeine Spiele abliefern musste, war nicht mehr in Ordnung.
    Es darf nicht sein, dass ein demokratischer und reicher Staat (wie CH oder D) derart ausgelaugt dasteht, dass es nur Brot/Farbe gegen Ideologien gibt.

  3. Auch die Auslagerung allgemein gesellschaftlicher oder sozialer Aufgaben selbst an ideologiefreie Instanzen oder Privatpersonen finde ich verwerflich. Es kann und darf nicht sein, daß manche Dinge auf den Spendenwillen der Bevölkerung und das Engagement privater Stiftungen oder Vereine angewiesen sind. D (und auch die Schweiz) sind extrem wohlhabende Industriegesellschaften (davon lasse ich mich auch nicht durch das Geseiere bundesdeutscher Politiker abbringen), nur sollte man einmal die Verteilung des Reichtums näher betrachten. Lachhaft wird es zudem im Bildungsbereich, wo seit Jahren anderes gepredigt wird. Berlin stellt im nächsten Schuljahr – angeblich – 400 neue Lehrer ein, nachdem es in den Jahren zuvor weit mehr eingespart hatte. Von in Schulen fälligen Bauarbeiten, Reparaturen und Renovierungen schweigen wir besser. Es ist beschämend (und wir haben einen Senat, der eigentlich als links zu bezeichnen wäre… ) LG rollblau

  4. Rollblau, jawohl. Es ist beschämend und darum renne ich dagegen an gegen die Wand, bis ich Migräne kriege. Weil Outsourcing von dem, was der Staat seinen Kindern angedeihen lassen muss, um Chancengleichheit hinzubekommen, nicht geht. Basta.
    Ich hoffe, dein Umzug hat gut geklappt!

  5. In dieser Hinsicht – nämlich der Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben, die der Staat nicht (mehr) leisten (kann, soll, darf …) – ähnelt die Strategie der NPDler durchaus der der Hamas in den palästinensischen Gebieten. Islamisten und Rechtsextreme sind häufig da besonders erfolgreich, wo sie die EINZIGEN sind, die Kommunalpolitik und Soziales anzubieten haben. Sie besetzen eine Leerstelle. Somit ist auch klar, wodurch sie zu bekämpfen währen – eben: indem die Demokraten wieder den „Pinsel in die Hand nehmen“!

  6. Lisa Rosa, meine Worte. Allerdings hatte der Sozialarbeiter keine Freude, als ich gesagt habe, die Pfingstgemeinde agiere hier wie die Hamas. Doch redliche Bemühungen und eine linke Stadtregierung haben uns dann soweit gebracht, dass die Jugendarbeit nun die Mittagstische und Bastelräume gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Pfingstgemeinde betreut. Immerhin. Man soll ja die guten Entwicklungen nicht immer unterschlagen, weil sie nicht gut genug sind.

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