Unser Möglichstes?

Bis jetzt war mein Weihnachtszeit wunderbar. Emsig und feierlich zu gleichen Teilen – so muss es sein. Ruhige Büro- und Backarbeiten und Treffen mit lieben Menschen machten mir diesen Dezember leicht. Zwei Einbürgerungen von jungen, vielseitigen, muslimischen Frauen waren mir eine besondere Freude.
Trotz allem machen meine Gedanken, was sie wollen und kreisen immer wieder um Elendes in dieser Welt. Der Angriff und die Morde in der Army Public School beschäftigt mich. Das hat mit meiner guten Erinnerung zu tun, die ich an die Grenzstadt Peshawar habe. Deren Einwohner haben uns als Familie – und ganz besonders mir als zehnjähriges Mädchen – viel geholfen. Unser Rückweg von Indien führte Ende Siebzigerjahre durch lauter Konfliktregionen; der Weg von Peshawar über den Khyberpass nach Kabul, in dem schon die ersten russischen Besatzer warteten, war besonders steinig. Und kalt. Wohlgesinnte, kriegskundige Paschtunen waren das Beste, was mir damals passiert ist.
am Khyber-Pass
(Bild: ich damals am Khyber).

Der Anschlag erinnert mich auch an all die anderen Attacken auf Schulen, solche Nachrichten möchte man als Lehrperson nur verdrängen. Es gehört zu den niedrigsten Untaten des Menschen, wenn er anstatt seiner Feinde dessen Kinder tötet, es braucht für diese Tat eine schwer vorstellbare Dehumanisierung. Wie wir bei Breivik sahen, tun das neben Gruppen und Regimes auch Einzeltäter in der Überzeugung, den Gegner effizient zu schwächen. Doch gibt es wenig, was diesen mit mehr Zerstörungstrieb und Rachegefühl ausstattet. Das in Peshawar eröffnete Feuer wird über Generationen vererbt werden. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Kind um Kind.
Ein Grund mehr, hier zu Hause alles zu tun, um in Frieden zu leben, selbst wenn wir nicht in jeder Situation wissen, was es dazu braucht. Arbeit, Wohlstand, Gesundheitsvorsorge, Unterstützung der Schwächeren und die Bereitschaft, uns den Zumutungen des Zusammenlebens zwischen den Kulturen zu stellen, bevor daraus Kriege werden. Ich habe es in diesem Blog schon öfter geschrieben, doch Weihnachten ist nicht der schlechteste Zeitpunkt, es zu wiederholen: Wir brauchen Geduld, Mut, mehr Bildung als Empörung. Hin und wieder brauchen wir auch neue Gesetze, aber solche, die der Freiheit und Demokratie dienen und unsere Rechtssicherheit erhalten. In Ovids Sinne: „Inde datae leges, ne firmior omnia posset“ (daher wurden Gesetze geschaffen, damit der Stärkere nicht alles vermöge). 2015 wird diesbezüglich ein anspruchsvolles Jahr für die Schweiz.
Ich wünschte mir, dass die Frage: „Tun wir unser Möglichstes?“ uns leitet. Nicht als rhetorische Frage, auch nicht als Schuldfrage. Als individuelle Frage, als Frage in Partnerschaften, in Familien, in Teams, in Schulen – als Alltagsfrage.

2 Gedanken zu „Unser Möglichstes?“

  1. Übers ganze Jahr trage ich einen Weihnachtsbeitrag in meinem Kopf herum, wie gut wir es haben, was für ein Glück es ist, in der Schweiz geboren und aufgewachsen zu sein, was für einen schrecklichen Alltag unzählige von Menschen durchmachen müssen und wie wir verwöhnten Tockel uns über Erdnüsse beklagen. Aber immer tönt das irgendwie so pseudo…
    Danke für deine passenden Zeilen! C’est ça!

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