Nicht mein Tag

Bereits am Morgen hatte ich das Unterrichtsmaterial für das 3. Lehrjahr vergessen. Während die Schülerinnen und Schüler einen Test schrieben – der nur durch Zufall dem heutigen schwarzen Loch entgangen war – konnte ich immerhin kurz überlegen, was überhaupt auf dem Programm stand. Danach hätte ich eine Klasse beschäftigen sollen (so nennen wir das, wenn jemand abwesend ist und jemand anderen beauftragt, der Klasse Aufgaben zu geben), aber leider hatte ich auch deren Unterlagen verlegt. Es blieb nichts übrig, als mich vor die Lernenden hinzustellen, aus einer grossen, schweren Aschenschublade Asche auf mein Haupt zu streuen und reichlich verschmutzt in die nächsten Stunden mit dem 2. Lehrjahr zu eilen.
Auf der Suche nach allem Verlorenen habe ich am Nachmittag meinen Schlüsselbund liegen lassen, unbemerkt, versteht sich. Als ich also mit Familienverpflegung und Tulpen (etwas fürs Auge lindert den Druck) aus dem stinkenden Lift stieg, merkte ich es dann. Ich liess den Einkauf stehen und die Blumen schlampen, kehrte wieder um und holte dem Mann seinen Schlüssel an dessen Arbeitsplatz. Endlich daheim, die Tulpen knapp gerettet, klingelte das Telefon. Eine besorgte Mutter vom Freund vom Kind war dran und es ward lang. Kurzfassung: Die Kinder haben ihre Handys nicht im Griff, ihr Kind hat von meinem Kind Bluetooth-Know-how erhalten und deshalb ist es jetzt eine Sucht. (Schon der zweite Anruf in Handy-Sachen binnen einer Woche, ich nehme an, es waren Kinder mit Pornos und Morden auf dem Display auf irgendwelchen TV-Kanälen bei Supernannys.) Ok, ok – no Vodafone und ein Budget für die Telefonie ist offenbar kein ausreichendes Erziehungsprogramm, ich gebe mich geschlagen. Ich mache alles, was die Anrufenden von mir verlangen und die Aschenschublade steht ja schon da.
Sofort nach diesem Anruf kam der nächste. Aus meiner Schule. Mein Schlüssel sei gefunden worden, allerdings müsse ich zuerst mit dem Leiter des haustechnischen Dienstes verbunden werden. Dieser hatte mit mir ein Hühnchen zu rupfen, denn an meinem Schlüsselbund befand sich ein Schlüssel, den ich nicht haben dürfte und von dem sich niemand erklären könnte, wie er zu mir käme. Ich antwortete todernst – synchron mit einem sichern Griff in die Asche – dass ich den Schlüssel im Sekretariat gestohlen hätte. Worauf er mich darüber informierte, den besagten Schlüssel von meinem Bund entfernt zu haben, voilà. Wenn ich dann irgendwo nicht mehr rein könne, könne ich ihn ja anrufen.
Und nun darf ich den Schlüsselbund wieder abholen. Zum dritten Mal vom Aussenquartier in die Stadt, macht ja nichts, kann auf dem Weg gerade noch dem Kind die Gitarre für die Musikstunde bringen und das Handy wegnehmen.

6 Gedanken zu „Nicht mein Tag“

  1. Einfach grauenhaft, so ein Tag! Gerade habe ich die Asche aus Grossvaters Ofen über die Himbeerstöcke verteilt. Hätte ich nicht sollen? Wenigstens genug Asche sollte man haben …

  2. Für heute hat meine Asche gereicht, aber du solltest unbedingt von Grossvaters aufheben, ich meine, man kann sich die vielleicht auch gegenseitig übers Haupt …? Es liegt eine Menge Versagen in der Frühlingsluft.

  3. Aergerlich! Ich habe letzthin meinen Schlüsselbund am Postschalter liegenlassen. Und die haben ihn einfach in eine Schublade geknallt und gewartet. Sie haben den Schlüsselbund weder aufs Fundbüro gebracht, (Gemeindehaus vis à vis der Post) noch haben sie gemerkt, dass ein Postfachschlüssel dran ist mit Nummer, die hätten EASY nachschauen können wem das Postfach gehört und mich schnell anrufen können. Die wollten mich wohl erziehen…..

  4. Ein schöner Beitrag.
    Da gerinnen einem die mittelprächtigen eigenen Tage doch nachgerade zu einem Fest der Erfüllung.
    Es werden sich andere Tage anschließen, Tanja. Ehrlich.

  5. Hui, kaltmamsell, ein Glück, dass mir kein Meerschwein ausgeliefert ist, selbst in guten Zeiten bin ich eine schlechte Freundin des Haustiers.
    Silvia, natürlich hast du Recht! Selbstverständlich wollen einen immer alle erziehen und sehr gerne auch zur richtigen Erziehung der Brut.
    Stolle, danke – und allen anderen, die mich aus dem schwarzen Loch gerettet haben, auch.

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