Immer schön aktiv

Je länger man einen schlechten Film schaut, umso eher schaut man ihn bis zum Schluss. Je länger man auf einen Bus wartet, desto unwahrscheinlicher ruft man ein Taxi, weil der Bus zwischenzeitlich ja doch eintreffen könnte.
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Der Zeitgeist der letzten zwanzig, dreissig Jahre hielt Veränderung a priori für gut und den Status quo für langweilig. Wer etwas beim Alten belassen wollte, galt rasch als behäbig, verschlafen, von gestern.
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„Hauptsache immer schön aktiv bleiben und Dinge umkrempeln, den maroden Laden ausmisten, denn irgendwo sind alle Läden marode, alle Institutionen ineffektiv, alle Schulen unwirksam, alle Lehrerinnen und Lehrer unprofessionell…. Ein weites Feld also, in dem es immer etwas zu verändern gibt.“ (Roland Reichenbach)
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Drei Zitate aus einem der besseren Artikel über Reformen in der Schule. Er ist von Martin Beglinger und im gestrigen MAGAZIN erschienen. Über Reformwahn ist schon viel geschrieben und noch mehr gesagt worden. Zwei Punkte habe ich jedoch bis zu diesem Artikel noch nie öffentlich ausgesprochen gehört:

  • Man investiert in Reformprojekte, die in der Theorie gut scheinen oder irgend in einem anderen Land unter völlig anderen Voraussetzungen funktionieren, obwohl alle wissen, dass die finanziellen und personellen Ressourcen für die Umsetzung nicht vorhanden sind oder sein werden. Dies, um nicht mutlos oder gar rückwärtsgewandt zu wirken. Falsche Entscheidungen sind unumkehrbar, der Schein bestimmt das Bewusstsein.
  • Der enorme Erneuerungsdruck führt dazu, dass Lehrpersonen politisch weniger aktiv sind, aber mehr den konservativen Parteien zustimmen, weil diese Erneuerungen ablehnen. Ich beobachte das im Lehrerzimmer schon lange und es frustriert mich. Die Entwicklung führt zu einer Lose-Lose-Situation für die Schule: Es bekommen die Parteien Auftrieb, die noch den kleinsten Bildungskredit kürzen und so den Druck auf die Lehrpersonen nur weiter steigern. Lehervertreter in Politik oder Gewerkschaft erscheinen oft einsam und jämmerlich.
  • Auch gefällt mir an „In der Falle“, dass klar zur Geltung kommt, dass kein Weg am Warum und Wozu vorbeiführt. Was guten Unterricht ausmacht, ist auch für die gute Reform relevant. Es geht eben nicht nur einmal um die Grundsatzfrage. Es geht in der Schule um den sorgfältigen Umgang mit Details.
    In der Schule kann man nichts übers Knie brechen. Experimente müssen mit den Beteiligten gemeinsam gemacht werden, zeitlich begrenzt und überschaubar bleiben. Auch die Auswertung braucht Zeit, der Begriff „Pilotprojekt“ muss mehr sein als ein Wort in der Jahresberichten von Erziehungsdirektionen. Denn Schule ist zu Recht langsam. Sonst kommen die vielen Beteiligten vom kinderlosen Steuerzahler über die Erziehungsberechtigten, Lehrer, Schulsozialarbeiterinnen, Heipädagogen, Schulleitungen, Laiengremien, politischen Delegierten bis hin zu den betroffenen Schülerinnen und Schülern einfach nicht mit. Weil sie nicht können und nicht wollen.
    In der Schule soll man kein einziges Lavabo demontieren, kein Lehrerzimmer zügeln, keine Trampolin entsorgen und kein Lernziel ersetzen ohne die Basis einzubeziehen oder ihr wenigstens die Fragen zu beantworten:

  • Warum ändern wir das?
  • Wozu dient diese Änderung den Schülerinnen und Schülern?
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