Roberto Saviano, Das Gegenteil von Tod

Roberto Saviano, das Gegenteil von Tod
Roberto Saviano
Das Gegenteil von Tod
Hanser 2009
ISBN 978-3-446-23335-5

Es ist mir unangenehm, ein Buch über Krieg als „gut“ zu bezeichnen. Aber was ist die Alternative? Dies hier ist gar kein Buch, es wurden bloss zwei Reportagen zu einem gemacht, weil der Autor inzwischen berühmt ist:
Il contrario della morte. Ritorno da Kabul (erstmals erschienen in der Reihe: „I Documenti del Corriere della Sera“ in Mailand) und Ragazzi di coca e di camorra (erstmals erschienen in „L’espresso“).
Die erste Reportage handelt von Maria: siebzehn Jahre alt, aus einem süditalienischen Dorf, besessen von Afghanistan und befreundet nur mit ihresgleichen, alle jung, zurückgelassen, eingenommen vom Krieg. Denn ihre Freunde, Brüder, Ehemänner aus der Region haben zwei Verdienstmöglichkeiten: organisiertes Verbrechen oder organisierter Krieg, Marias Verlobter hat die zweite gewählt. Er kommt in Stücken zurück, Maria darf in die Leichenhalle, aber der Bruder des Toten hält ihr die Augen zu.
Maria schaut vorwärts, obwohl ihr jeder Grund dazu fehlt. Saviano erzählt von ihr als einem Mädchen, das merkt, dass alles zusammenängt in der Welt, als einer Frau, die beschliesst, dass die Liebe nie umsonst ist.
Die zweite Reportage ist die Beschreibung zweier Morde als Folge eines eher unmotivierten Bandenkrieges, zu dem das Blutvergiessen halt dazu gehört. Der Leser lernt den Ich-Erzähler kennen, seine Kindheit, seine Verwandten, das Dorf, die Piazza, die geplanten Opfer, die schlussendlichen Opfer und verharrt am Ende als Zeuge der Tötung, der Hintergründe, der Vorurteile.
Es sind die kleinen Formen, die spärlichen Bewegungen im Satz, das Einheimische zwischen den Zeilen die die beiden Geschichten so lesenswert machen. Saviano hat noch kein grosses Werk, aber ich bleibe nach diesen siebzig Seiten überzeugt, er ist ein Meister seines Faches.

6 Gedanken zu „Roberto Saviano, Das Gegenteil von Tod“

  1. Es ist mir unangenehm, ein Buch über Krieg als “gut” zu bezeichnen. hm, interessant. mir fällt auf, dass ich in letzter zeit sehr viele (gemessen an der absoluten zahl) bücher über krieg gelesen habe – und für gut befunden. ich bin dafür völlig unbegabt im à jour bleben bei den unseligen konflikten überall. eines tages verliere ich den faden und bin danach froh, es kondensiert nachholen und „verstehen“ zu können.

  2. Ja, genau. Tagesmedien (auch online), danach denken und dann ein Buch. Das hier sind aber eben Reportagen und ich weiss nicht recht, ob Hanser dem Autoren mit dem schmalen Band einen Dienst erwiesen hat. Man hätte wohl bessern noch ein paar weitere Reportagen abgewartet und daraus einen Band gemacht, der einem Buch etwas näher kommt. Aber gut ist es schon, du kannst es ja im Original lesen, gell lizamazo?
    Bücher über Kriege sind erst nach einer Weile „gut“. Sehr gut spürbar bei der 2. Weltkriegsliteratur, von Levi bis Littell ist ein weiter Weg und besonders Autorinnen kamen erst später. Aber auch die Literatur aus China oder Russland über die Kriege gegen Innen haben ihre Zeit gebraucht um Literatur und verstanden zu werden.

  3. original?! ich bin im italienisch-für-angefangene-kurs…
    z.b. kapuscinski ist nicht soo alt, finde ich aber sehr erhellend. bin bei saviano mit dir einig, dass da wohl der verlag der versuchung des schnellen geldes erlegen ist.

  4. Ach, ich dachte du hast das studiert…
    Kapuściński wurde hier gerade während meiner Lehrzeit bekannt (und hat doch viele Jahre mehr auf dem Buckel als Saviano) und ich erinnere mich gern an die Zeit, als solche Bücher viel und mit Begeisterung gelesen wurden. Ich finde ihn auch erhellend, stellenweise auch verwirrend, da verschachtelt. Aber ich habe ihn oft empfohlen und für viele „meiner“ Kunden war er eine Entdeckung.

  5. :)) Freut mich auch, dass wir uns einig sind, vor allem, weil Deine Rezension dazu für mich der letzte Anstoß war, dieses Buch wirklich zu lesen – vorher war ich noch etwas unsicher! 🙂 Also „Danke!“ an Dich!

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