David Rieff, Tod einer Untröstlichen

David Rieff, Tod einer Untröstlichen
David Rieff
Tod einer Untröstlichen
Die letzten Tage von Susan Sontag
Hanser 2009
ISBN 978-3-446-23276-1
Originaltitel:
Swimming in a sea of death.
A son’s memoir

Ich wusste noch nicht, ob mir dieses Buch gefiel, als ich die Hälfte davon gelesen hatte. Trotzdem stellte sich nie die Frage damit aufzuhören. Der besondere Sog, der Autoren gelingt, die ihre Geschichten sonst in Zeitungen unterbringen müssen, mag dazu beigetragen haben, aber eigentlich war es doch der Inhalt, der mich am Ende tief beeindruckt zurück liess.
Wie kann das sein, wenn ein Sohn über das Sterben seiner Mutter erzählt, ohne etwas über seine Beziehung zu ihr verlauten zu lassen? Wie soll man 160 Seiten über Diagnosen, Statistiken, Tagebucheintragungen, Freundschaften, vergangene Krankheitsgeschichten und ihre essayistische Verarbeitung gerne lesen?
Ich weiss es nicht und empfehle es weiter.
(Vielleicht amore.s? Weil Sontags unerschütterliche Liebe zum Leben zu Ciorans Absage an selbiges gar nicht so kontrastiert, wie ich bisher angenommen hatte. Die beiden waren ja befreundet und liegen heute nahe voneinander – aber doch in entgegengesetzter Richtung – auf dem Friedhof Montparnasse.)

6 Gedanken zu „David Rieff, Tod einer Untröstlichen“

  1. Zeitverschwendung, liebe Liisa, wäre es auf keinen Fall. Ich glaube, dir würde das Spinnennetz der philosophischen Zitate und Überlegungen gefallen, an dem dieser Philosophen-Sohn in dem Buch – eher nebenbei – spinnt.

  2. in irgendeiner sendung hörte ich, dass susan sontag den sohn samt vater verließ, als er noch recht klein war. sie wollte ihr wildes, unabhängiges leben weiter führen. ist ja nichts gegen zu sagen, aber für ein kind ein gewaltiger beziehungsabbruch, teppich unter den füßen weg.
    und gerade deshalb hätte ich gern gehört, wie er zu seiner mutter stand, so mutterherzensgefühlsmäßig…
    aber gerade deshalb schreibt er vielleicht darüber nichts…?

  3. Ich denke, dass es ziemlich schwierig wenn nicht nahezu unmöglich ist, über Beziehungen zu Eltern zu schreiben, die ganz oder teilweise keine Beziehung zu einem haben wollten. Es wird sehr schnell sehr jammerhaft und der Leser wird zum Voyeur. Ich denke, Rieff hat hier die beste Strategie gewählt, vor allem auch, weil er Journalistenaugen hat und Kleines im Grossen wie Grosses im Kleinen beschreiben kann.

  4. Ich fürchte, ich bin da keine grosse Hilfe – Leben & Werk von Susan Sontag kenne ich leider erst bruchstückhaft; das Buch des Sohnes aber: ernsthaft vorgemerkt.
    Ciorans Absage ans Leben seh‘ ich nicht ausschliesslich negativ: zeitweise schimmert ein erstaunliches JA zum Leben durch, wie folgendes Zitat aus der „Gedankendämmerung“ illustrieren möge:
    Gegen den Selbstmord lässt sich ein einziger Einspruch erheben: Es ist naturwidrig, deinem Leben ein Ende zu setzen, ehe du bewiesen hast, wie weit du gehen, wie weit du dich verwirklichen kannst! Obgleich alle Selbstmörder an ihre Frühreife glauben, vollziehen sie eine Tat, bevor sie echte Reife erlangen, bevor sie zum willentlichen Verlöschen reif sind. Dass ein Mensch seinem Leben ein Ende setzen will, ist leicht zu begreifen. Weshalb sucht er sich jedoch nicht den seiner Entwicklung günstigsten Augenblick aus? Selbstmorde sind gerade deswegen entsetzlich, weil sie nicht im rechten Augenblick verübt werden, weil sie ein Schicksal abbrechen, anstatt es zu krönen. Das Ende will gehegt und gepflegt werden. Den Alten war Selbstmord eine hohe Schule; das Ende keimte und blühte in ihnen auf. Und wenn sie freiwillig verlöschten, war der Tod ein Ende ohne Dämmerung.
    Den Modernen gebricht es an innerlicher Kultur der Selbsttötung, an der Ästhetik des Untergehens. Keiner stirbt, wie es sich geziemt, alle enden zufällig. Uneingeweiht in den Selbstmord, armselig im Tod. Wenn sie zur rechten Zeit erlöschen könnten, würden wir bei der Nachricht von so vielen „Verzweiflungstaten“ nicht mehr an Herzbeklemmung leiden und einen Menschen, der seine eigene Erfüllung heiligt, nicht mehr einen „Unglückseligen“ nennen. (…)

  5. Ja, das stimmt schon a.more.s, das war mehr im Vergleich zu Sontag gemeint. Aber man muss Sontag nicht kennen um mit dem Buch des Sohnes etwas anfangen zu können.
    Von Cioran habe ich das „Buch der Täuschungen“ gelesen und kenne die TBs „Vom Nachteil geboren zu sein“ und „Gevierteilt.“ Neulich habe ich mit „Über das reaktionäre Denken“ angefangen, aber es war schwierig für mich, weil ich Joseph de Maistre nicht kannte.

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