Im Contactcenter

Meine Lernenden haben es wirklich nicht leicht. Die Buchhändler/innen werden wie eine aussterbende Spezies behandelt, die die Kurve nicht mehr kreigt und die Fachleute Kundendialog stehen schon fast aus Prinzip ständig in der Kritik. Denn am Telefon gut bedient zu werden, ist selbstverständlich, die Kundschaft speichert nur schlechte Erlebnisse ab.
Die NZZ hat wieder einen von diesen schon zahlreich erscheinen kritischen Artikel über „Callcenter“ veröffentlicht. Immerhin kam dabei noch der Präsident des Berufsverbandes zu Wort. Er erwähnt die neue Lehre, an der wir hier täglich bauen und nutzt die Gelegenheit zu erklären, warum Callcenter längst zu Contactcentern geworden sind.
Letzte Woche haben wir mit dem Kundendialog-Kollegium unsere Lernenden im Contactcenter der Swisscom besucht. In der Stunde, in der ich an der Hotline mithören durfte, wurde kein einziges Geschäft abgewickelt, es war reiner Support. Dabei spielten technische Fragen eine Rolle, aber oft ging es um Einzelschicksale: Rentnerinnen, die noch nicht bezahlen können, weil die Rente neu später eintrifft, Ehemänner, die merken, dass noch andere Handynummern in der Familie existieren, von denen sie nichts wissen und Menschen, die bei entsprechenden Angeboten (25.00/Sek). zuerst 5 Sekunden Musik bekommen und so Hunderte Franken vertelefoniert haben.
Besonders überrascht hat mich die Grösse der Abteilung Social Media, die sich hauptsächlich mit Twitter befasst. Auf Fragen, Bemerkungen und Kritik @swisscom wird hier rund um die Uhr reagiert. Es erschien mir aber nicht der Schreckensjob zu sein. Die Mitarbeitenden waren Networking-Fans, es war eher eine Stimmung wie in Büros der IT-Branche. Motivation gepaart mit Geschwindigkeit und ab und zu ein träfer Spruch.

Wochenrückblick

Vom Montag handelt mein letzter Eintrag, es ging um die Zukunft des Buchhandelsberufes. Dienstags fand das Treffen der Schweizerischen Kommission für Berufsentwicklung und Qualität im Buchhandel (kürzer: „B&Q Buchhandel“) statt. Unsere Schule war dieses Mal Gastgeberin und ich daher ein wenig erleichtert, als es vorbei war, obwohl’s gut war.
Mittwochs reiste ich in der Herrgottsfrüh nach Zürich, um einen Tag lang die Prüfungen der Call Center Agents mitzuverfolgen. Einer meiner wichtigsten Termine dieses Schuljahr, denn ich lernte hier, wie man eine Prüfung abnehmen und bewerten kann, zu der es kein einziges Blatt Papier gibt. Die Gespräche werden aufgezeichnet. bewertet und archiviert wird diese Aufzeichnung. Wie das im Detail funktioniert muss ich wissen, um meinen Job als Prüfungsleiterin bei ersten Jahrgang der neuen Lehre gut zu machen. Noch bin ich daran, meine Erfahrungen dieses intensiven Tages auszuwerten. Aber ab Dezember werde ich die Anweisungen und Leitfäden verfassen können, die wir für unsere Prüfung brauchen werden, und liege somit im Zeitplan. Die ersten Abschlussprüfungen schweizweit für die Grundbildung Fachleute Kundendialog findet von Mai bis Juni 2014 statt. Es bleibt viel Arbeit, aber es ist mir jetzt klar, welche.
Am Donnerstag hatte ich zahlreiche interne Sitzungen. Der Tag war zwar ergiebig, aber er erschien mir endlos. Freitags besuchte eine Verlagsvertreterin unsere Schule, was wieder etwas Power gab. Auch wenn sich dieser Beruf stark verändert, es sind immer noch zu 90% gelernte Buchhändlerinnen und Buchhändler, die ihn erfolgreich ausüben, es bleibt also eine Berufsperspektive für unsere Lernenden. Und es scheint inzwischen den allermeisten Branchenteilnehmern bewusst, dass die Vertreter, die die Verlage und deren Produktion aber eben auch eine Region sehr gut kennen, unentbehrlich sind. Samstag und Sonntag war ich in einem Stimmseminar. Die Stimme ist neben dem Computer und dem Handy mein wichtigstes Werkzeug. Es war höchste Zeit, ihr einmal zwei Tage volle Bedeutung beizumessen.
Jetzt bin ich müde und geh früh zu Bett, morgen ist ein lauter Montag.

Rememberable Moments

Vorgestern hatten wir in der Schule ein richtig bassendes Fest für meinen abtretenden Chef Giusep, das ebenso würdig wie witzig geworden ist.
Gestern konnten wir en famille eine lang gewünschte Einladung verwirklichen, es ist nicht einfach, IT-Consultens samt Familien gleichzeitig an einen Tisch zu bringen. Wir plauderten bis spät in der Nacht im Lichte des Vollmonds auf der Terrasse, die grossen Kinder machten Ausgang, und die kleinen auch: sie schliefen draussen.
Heute dann vier Stunden alles liegen lassen, frei gemacht und mir selbst (fast) kein schlechtes Gewissen.
Jetzt bin ich am Editorial für das Sportprogramm 2013-14 der angehenden Fachleute Kundendialog. Obwohl unser Publikum schwer zu begeistern ist, hege ich die Hoffnung, dass sie sich auf die Sporttage freuen, sobald sie das coole Programm sehen.

ENTERPRIZE 2012

Die Grundbildung Kundendialog, die ich neben dem Buchhandel betreue, hat beim Enterprize 2012 Bronze erhalten und darauf bilde ich mir nun echt etwas ein. Hauptsächlich auf mein mit Geduld und Humor ausgestattetes Kollegium und speziell auch auf den jungen Berufsverband, der an allen Fronten gegen Vorurteile zu kämpfen hat. Der Enterprize ist nicht allein eine Auszeichnung für neue Ausbildungen, sondern ein Preis für Unternehmergeist in der Berufsbildung, der nur alle zwei Jahre vergeben wird. In einem Land mit einem so hohen Innovationsgrad gibt es genug Konkurrenz in diesem Feld, eine solche Auszeichnung kriegt man nicht geschenkt.
Ein Preis entschädigt für etliche Verordnungshürden und Lehrplandebatten, ebenso wie für Tage von nur noch aufgesetzer Fröhlichkeit, weil zu viel Unschönes geschah. Ich freue mich besonders für unsere Lernenden mit ihren kurvenreichen schulischen und kulturellen Laufbahnen, dass sie – die so oft schon an der Abschussrampe balancierten – nun einmal im Rampenlicht stehen. Sie machen einen guten Job, den jeder braucht und keiner schätzt. Im Servicecenter der Versicherung beraten sie die kranke Albanerin in ihrer Muttersprache, an der Handyhotline brillieren sie mit Produktkenntnissen über Geräte und Abos, die ihresgleichen sucht. Dieser Beruf braucht einmal eine Bühne und ein wohlmeinendes Publikum. Ein Glück, dass es solche Preise und Geld aus der Wirtschaft dafür gibt. Danke.