Beruflich und privat

hiess dieser Beitrag ursprünglich. Aber dann war er zu persönlich, zu zynisch, zu launisch und ohnehin völlig irrelevant.
Ach hätte ich doch einfach einen Lehrstuhl für aufsteigende und untergehende Berufe und vielleicht noch einen für Wohnformen in gemiedenen Gegenden mit hohem Integrationsbedarf. Dann könnte ich endlich mein Geld mit dem verdienen, was ich den ganzen Tag und die halbe Nacht nebenbei mache.
(Der internationale Frauentag schlägt mir immer aufs Gemüt.)

unblogged

Ich blogge etwa zur Hälfte aus dem Handgelenk, ohne meine Beiträge überhaupt durchzulesen. Die anderen Hälfte schreibe und bebildere ich sorgfältig. Posts, die so entstehen, bearbeite ich in mehreren Schritten, weil mein Leben halt so (gewählt) ist, dass ich an keiner Sache länger bleiben kann. Ich verfüge deshalb über ein Archiv mit Beiträgen in verschiedenen Stadien, und heute morgen habe ich sie wieder einmal durchgesehen. Die stichwortartigen Texte verstand ich selten und nur bei wenigen Bildern ist mir die ursprüngliche Idee wieder eingefallen. Hier fünf unveröffentlichte Aufhänger aus fünf Blogjahren als Rätsel (mit Lösung hinter dem Klick):
Welches Buch?
Chinesische Übersetzung eines bekannten Jugendbuches
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Orson und Orwell

Sind die häufigste Verwechslung, die mir – nicht nur in der Buchhandlung – begegnet ist. Deswegen sieht man in meinem George-Orwell-Header im Hintergrund den jungen Orson Welles. Es entsprach meiner Laune, als ich vor fünf Jahren diesen Header entworfen habe (umgesetzt hat’s dann artbeat). (Damals dachte ich, der einzig Lebende unter diesen meinen „Vorbildern“ mache es wohl auch nicht mehr lange, doch da hab‘ ich mich zum Glück getäuscht. )
Soeben beende ich das weissnichtwievielte Notizbuch meines Lebens. Beim Zurückblättern finde ich auf einer der ersten Doppelseiten einen Satz in Versalien: „ANIMAL FARM“ IST VON GEORGE ORWELL UND NICHT VON ORSON WELLS (EHRE WEM EHRE GEBÜHRET)
Ich erinnere mich wieder: Zum 175. Jubiläum der Universität Bern gab es Vorlesungen für Laien. Ich war mit dem Kind – auf dessen Wunsch – in einer von Walter Kälin. Auch er hat die beiden verwechselt und mehr als ein Orwell’sches Zitat Orson Welles zugeschrieben. Dass alle gleich sind oder zumindest sein müssten, könnte Orson Welles durchaus gesagt haben. Dass manche gleicher sind, das liess nur Orwell seine Schweine – als letztes, einzig verbleibendes Gebot – an die Scheunenwand schreiben.

Was mache ich hier?

Heute Abend bei meiner Internetlektüre fragte ich mich mehrmals, was ich im Netz verloren habe. Das passiert in letzter Zeit öfter. Mir ist zwar bewusst, dass mein Blog ein Notizbuch ist, das kein Zielpublikum aber seit einer Ewigkeit die ziemlich gleiche Leserschaft hat. Meistens schaffe ich es auch, meine selbstauferlegte Regel einzuhalten, dass meine Internetzeit die Gesprächszeit nicht einschränkt. Ich bin mit mir selber einig, dass Xing für Business in Ordnung und Facebook für mich privat obsolet ist.
Doch manchmal bin ich auch verwirrt. Ich versuchte nämlich schon immer, die digitale Welt meiner analogen anzupassen und nicht umgekehrt, Early Adopterin war ich nur, wenn berufliche Umstände es erforderten. Ich fand es alles andere als erstrebenswert, die erste Frau mit Handy zu sein, die ich persönlich kannte und auf meine Compuserveadresse aus Nummern hätte ich gut verzichtet. Aber ich kommunizierte gern und offensichtlich so, dass mir ab und zu jemand etwas dafür bezahlte; die digitale Verschiebung meines Lebens ist ungefragt aber einigermassen bei Sinnen geschehen, ihre Überhand habe ich stets zu meiden versucht.
Mein grosses Menschen-Einzugsgebiet braucht viel E-Kommunikation und mein Beruf erfordert noch viel mehr reale Gespräche. Eine Branche, 110 Lernende, 30 Lehrpersonen, 60 Lehrfirmen, zig Kontakte aus Politik und andere Freiwilligenarbiet und ein grosser Freundes- und Familienkreis sind schön, aber nicht immer ein Hort kommunikativer Balance.
In letzter Zeit habe ich der Netzwelt gegenüber vermehrt ein zwiespätliges Gefühl. Wenn Leute mir schreiben, dass ich doch dort, wo sie seien, auch dabei sein sollte, damit wir Kontakt pflegen könnten, würde ich am liebsten antworten, dass wir den Kontakt per Snail Mail oder gar nicht weiter führen. Aber das geht ja nicht in einem normal höflichen Arbiets- und Sozialleben. Was mich besonders abstösst und was seit Twitter wieder zunimmt, sind diese Kommunikationsautomatismusfunktionen, durch die ein einziger Input im Netz verschiedensten Orten einläuft, ohne Zweck und Ziel, bloss, damit jemand über die eigenen Kräfte hinaus präsent sein kann. (Das hat mich schon enerviert, als es eine Weile Mode war, dass Blogger auch noch gleich sämtliche ihrer Kommentare in anderen Blogs mitlaufen liessen.)
Solange ich mein Leben nicht auf den Kopf stelle, werde ich Internet brauchen. Aber wo und wie viel? Darüber lohnt es sich wieder einmal nachzudenken. Der Beitragstitel ist ein Buchtitel von einem, der stets die Begegnung im echten Leben suchte.

Homo ludens

Die Altjahrswoche ist da für Spielereien, schon allein, weil alle dann ihre Weihnachtspräsente in Betrieb nehmen. Seit wir – dank beruflicher Veränderungen – in dieser Zeit nicht mehr Jahresabschlüsse machen müssen, haben wir mehr davon.
Ich werde also in den nächsten Tagen die neuen Games den Kindes kennen lernen, Table-Top-Figuren anmalen, mit der ganzen Sippschaft „Wer-bin-ich?“ spielen, endlich passende Pics für die Cover-losen Alben auf meinem iPod laden, meine geschenkte Musik hören, dazu feierlich meinen neuen Skullcandy einweihen, die Fortsetzung von Trickfilmen gucken, ein Dutzend schöne Plätze aufsuchen, an denen ich schon hundertmal war, Fotos machen, die ich schon tausendmal gemacht habe, mich hinter meiner Inwendig-Lern-Gedichtsammlung verschanzen und viele andere Dinge tun, ohne die das Leben problemlos funktionieren würde. (Bloggen gehört nicht dazu.)

Weihn08

Ein liebes Gedicht

In diesem Jahr kam über die Hälfte der Suchenden der Liebesgedichte wegen hierher. Besonders gefällt mir, dass auch „liebe Gedichte“ so viele hierhin führten.
Zu Weihnachten soll nun etwas Angemessenes gefunden werden. Müsst‘ ich mich entscheiden, wäre das Folgende wohl mein liebstes Liebesgedicht. (Mein bester Dichter. Und sehr einfach auswendig zu lernen.)
Der Brief, den du geschrieben,
er macht mich gar nicht bang;
du willst mich nicht mehr lieben,
aber dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
wenn man den Abschied gibt.
– Heinrich Heine

„Ein liebes Gedicht“ weiterlesen

Echtheit in Echtzeit

Der Artikel „Der Sieg der Strasse“ im neuen SPIEGEL (gehöre zu den alten Abonnentinnen) ist bemerkens- und leseswert. Ich habe mir ja angewöhnt, vor meinem Senf nachzusehen, ob nicht ein anderes Blog schon kommentiert hat. Medienlese hat ganz in meinem Sinne.
Blogs werden die Medien- und Politlandschaft nicht verändern, sie haben sie bereits verändert. Für mich sind die Grenzen zwischen Blogger-Vereinigungen oder News-Portalen kaum mehr auszumachen, Informationen und Personal fliessen längst hin und her.
Authentizität anheizen, anritzen, absprechen, wieder aufbauen ist das Programm. Nur wer ein endloses Casting erträgt, taugt für die Politik, dafür geht’s auch mit der Berühmtheit schneller. Obama und Palin sind Prototypen.
Trotzdem wird kein Kandidat – egal ob für den Berner Grossrat oder für das US-Präsidium – deswegen auch nur fünf Minuten weniger Strassenwahlkampf machen können. Nur mehr Fehler.

Empörungswellen

Ich kenne das Polit-PR gut genug, um den Wert von Empörungswellen wie sie jetzt im Zusammenhang mit Tibet über weite Teile urbaner Welten schwappen, anzuerkennen.
Trotzdem bin ich dankbar, wenn das Medium Blog nicht missbraucht wird: Tibet-Statements, die keinen Zusammenhang mit meinen Beiträgen haben, Spendenaufrufe obskurer Organisationen und Kopie-Paste-Anfälle zur Olympiade muss ich löschen.
Aber viel lieber würde ich meine Zeit und Nerven für wirkungsvollere Arbeit einsetzen.
(Doch das lesen ja wieder nur die, die das schon wissen und ohnehin nie machen würden.)

Dass früher alles besser war,

ist ja eigentlich allen klar und ebenso, dass das Unsinn ist.
Über diese beliebte Aussage im Lehrerzimmer wollte ich schon lange etwas in die Schulzeitung schreiben. Aber kein Text ist mir gelungen.
Dann kam letzten Oktober Frau Schmitt zum Kommentieren hier vorbei. Sie war die erste, die eine meiner bevorzugten Lyrikerinnen – Eva Strittmatter – kannte und sie besitzt erst noch die gleiche längst vergriffene Ausgabe „Beweis des Glücks“. Es entspannte sich darob eine kleine Mailkorrespondenz, in welcher sie mich auch auf Erwin Strittmatter, der Lyrikerin verstorbener Gatte, aufmerksam machte. Ich kannt ihn aus dem Regal, aber gelesen hatte ich von ihm noch nichts.
Inzwischen habe ich. Und bin in einem Tagebucheintrag aus den Sechzigern auf das gestossen, was ich im „früher-waren-die-Schüler-besser“-Zusammenhang schon länger suchte. Ich bat den Verlag um ein einmaliges Publikationsrecht, welches er uns freundlicherweise völlig hürdenlos erteilte.
Und so hat Frau Schmitt, die wegen unseres ähnlichen Lyrikgschmacks mein vollstes Vertrauen geniesst, mir einen Autoren empfohlen, welcher mir posthum zu Klarheit verhalf. Der sehr lesenswerte Abruck ist „Hilflos“.

Standblogbestimmung

Am nja‘ schen Schreiben hat sich – für mich zumindest – einiges geändert. Seit ich Produktleiterin bin, fällt mir Bloggen weniger leicht. Nicht, weil es mir an Zeit fehlte – dass es dem modernen Menschen per se an ihr gebricht, ist ein hier bekanntes Thema – und nicht, weil es mir an Ideen mangelte.
Es ist nur so, dass ich seltener unterrichte. So gibt es weniger bloggisch ertragreichen Alltagsstoff. Meine jetzige Arbeit braucht ebenfalls Fingerspitzengefühl und wäre ebenfalls erzählenswert. Doch selbst wenn ich anonym bloggen würde, weiss ich nicht, wie viel davon ich mir notieren möchte. Denn die Reflexion läuft an einer Linienstelle anders, schneller, hastiger, mit seltener Aussicht auf Übungsmöglichkeiten und eher zufälligen Verbesserungschancen.
Ich habe viel höhere Besucherzahlen. Mehr Leserinnen und Leser kommen durch das Ergoogeln meines Namens hierher. Das ist verständlich (ich google Sie ja auch). Und in den meisten Fällen auch sehr nett. Andererseits bringt es halt gewisse Hemmungen mit sich. Zum Beispiel die Angst vor Rückschlüssen.
Neulich habe ich einen Beitrag gelöscht, der an sich amüsant und unproblematisch war. Einen Beitrag über meine Not, für eine andere Lehrpersonen einzuspringen, was ich als Troubleshooterin ab und zu muss. Ich bin jedoch keine begnadete Diktiererin französischer Texte, verstehe manchmal eine Buchhaltungsübung selber nicht und mir bleibt schleierhaft, welche Seiten aus dem Deutschbuch ich kopieren soll, damit die Klasse die geforderten Antworten auf merkwürdige Fragen der Literaturhistorie findet. Ich dachte ja, ich läse schnell, aber mir reicht die Zeit zwischen Krankmeldung und Klingel nicht unbedingt für den Durchblick. Wie auch immer – solche Beiträge lassen für Lernende wie Lehrfirmen Rückschlüsse darauf zu, wer krank gewesen ist. Und das gehört ja nun wirklich nicht ins Internet.
Dieses Weblog hat als Lernportfolio in einer Didaktik-Weiterbildung begonnen. Ich habe mir damals – bei einer Leserschaft von höchstens zwanzig wohlgesinnten Nasen – überlegt, was ich preisgeben will und was nicht. Das klappt bis heute gut. Ich bin mit meinem neuen Job in manchen privaten Bereichen zurückhaltender geworden, beispielsweise lasse ich blasphemische Tischgespräche (was, wenn jemand das für bare Münze nimmt?) und überquellende To-do-Listen (ein Zeichen von Managment-Schwäche) weg. Aber weil ich mich ohnehin oft vorstellen muss und mich schlicht mehr Leute kennen und ausfragen, bin ich in anderen privaten Bereichen offener.
Beruflich war ich hier stets frisch-von-der-Leber-weg, solange es um positive Darstellungen ging und Negatives höchstens mich selber betraf. So salopp zu sein, passt nicht mehr.
Der Mensch, der ein Blog füllt, verändert sich und seine Einträge. Ein Blog ist eben doch ein Tagebuch.