(Gar) nicht zum Lachen

[Regionales.]
Was mir dank verblühender Jugend immer seltener passiert, ist mir heute widerfahren. Ich wurde von einem Greisen attackiert. Geifernd, zitternd, seinen Gehstock schüttelnd, fluchend und mit stechendem Blick hat er sich vom Sitz vis-à-vis drohend zu mir herübergelehnt.
Mein Verbrechen? Wir sassen in einem übervollen Bus (etwas anderes gibt es auf unserer Linie 14 gar nicht mehr) und die Leute der späteren Stationen konnten nicht mehr einsteigen. Der Herr in Begleitung typähnlicher Gemahlin zog über das Tramprojekt her. Da das auf meiner Strecke der Normalzustand ist, hat es mich erst zu envieren begonnen, als er wirklich nur noch das Gegenteil der Tatsachen praschauerte, z.B. dass das neue Tram kleiner wäre, als die anderen Trams der Stadt – dabei wäre es umgekehrt, es würden von den grössten Trams Europas angeliefert. (Leider ist es bernmobil trotz meiner eindringlichen Bürgerinnen- und Kundinnen-Bitte nicht gelungen, den zeternden Senioren einmal ein Modell – und sei es aus Pappe – vorzuführen.)
Jedenfalls habe ich mir erlaubt, einen klitzekleinen Sachverhalt, wie eben die Tram-Grösse, richtig zu stellen. Das hätte ich lieber gelassen! Ich Sand – in – die – Augen – Streuerin! Ich Grosskotz! Ich – die – wohl – zu – viel – Geld – hat! Ich – die – doch – das – Tramtrasset – selber – bezahlen – soll! Ich – die – ich – keine – Ahnung – habe! Wo – doch – die – neue – Grosskotz – Coopfiliale – auch – nicht – rentiert!
Ich kämpfe für dieses Tram seit Jahren, ich habe sogar einmal einen Leserbrief geschrieben, für den ich richtig lange recherchieren musste, um aufzuzeigen, dass die heutigen Gegner wenn sie in ihrer politischen Geschichte zurückschauten, die dynamischen Befürworter der allerersten Tramstrecken in Bern waren.
Aber ich bin leise geworden. Wenn niemand Einhalt gebietet, werde ich gleich morgen zu einer in der Nähe ansässigen Heimarbeiterin und Stickerin der SCB-Jacken rennen und solche mit dem Schriftzug: Mir-bruuche-kes-Tram! KES! TRAM! in Auftrag geben. Für die ganze Familie. Zum Schutz von Leib und Leben in diesem Stadtteil, der total ausrastet vor dieser Abstimmung.

6 Gedanken zu „(Gar) nicht zum Lachen“

  1. Amüsante Schilderung, musste ich etwas schmunzeln beim Lesen. Die Alten haben halt auch so ihre Eigenarten und eigenen Welten, in denen sie leben. Und da es immer mehr Alte geben wird wird es auch immer mehr Interaktionen mit Jungen geben…

  2. Achherrje, diese Ober-Jähzornfritzen – ich dachte, die gäbs nur in Deutschland – übriggeblieben aus der braunen Vergangenheit. Auf mich hat vor 20 Jahren mal einer mit seinem Krückstock auf der Straße eingedroschen und noch nicht mal gesagt, warum. Zum Glück war er schon etwas wackelig auf den Beinen …

  3. Liebe Schwester!
    Weshalb hat dieser Bund-Journalist bloss ein Tram abgebildet, das schon gar nicht mehr fährt? Das Foto vom alten Tram löst doch in uns allen Erinnerungen von den mühsam hohen Stufen und von den Holzsitzplätzen aus?
    Mich hat zum Glück noch kein Grosskotz angegriffen, obwohl ich im übervollen Bus immer einen genervten Spruch ablasse, ob denn die TramgegnerInnen auch mal mit Kinderwagen einsteigen?

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