Filialisierung

Nachfolgend mein heutiger Beitrag aus dem MügaBlog. Gehört aber auch hierhin, weil schliesslich zu meiner fachlichen Weiterbildung:

Die comedia hat gestern eine Tagung zum Thema „Die Filialisten kommen – na und?“ durchgeführt, an der sich die Müga samt ihrer Meinung zum Thema präsentieren konnte. Eingangs gab es ein äusserst hibbelig machendes Referat von Volker Hasenclever. Er nahm oft Bezug auf die Publikation von Cristian Rusch, was mich motiviert hat, das (super-wissenschaftliche) Buch auch wieder aus dem Gestell zu ziehen.
Was ist überhaupt eine Filiale? Es ist ein Verbund von Unternehmen mit zentraler Leitung und unterschiedlichen Verkaufsstellen. Neben dieser einfachen und mir nützlichen Definition, hat Volker Hasenclever leider auch meine Sorgen mit Zahlen belegt: Die Filialisierung ist mit 58% Prozent in der deutschen Schweiz weitaus fortgeschrittener als in Deutschland (mit 29%).
Von der welschen Schweiz gar nicht zu reden. Pierre Genier hat in seinem spezifischen Referat erklärt, dass dort zwei Gruppen den Markt beherrschen: LAGARDERE (z.B. mit Hachette und Virgin Megastore), die 34% ihres weltweiten Umsatzes im Aviatikbereich machen. Und Pinault-Printemps-Redoute (PPR), für die die riesige FNAC nur ein kleiner Posten unter „Loisirs“ ist (und diese Loisirs sind wiederum nur ein kleiner Posten neben Mode, Möbelhäusern und Autos).
Bleiben wir trotz dieses enormen Kapitals, das uns da entgegenschlägt, engagierte, mutige, gescheite Überzeugungstäterinnen und–täter. Ende des Berichts mit dem Zitat der Müga-Geschäftsleitung, das an der Veranstaltung grossen Applaus geerntet hat: Je grösser der Konzentrationsprozess, desto grösser die Nische.

Figur-Grund-Vertauschung

Eine Vase oder zwei Profile?
Eine Vase oder zwei Profile? Ist beides gleichzeitig sichtbar?
Unser Hirn strukturiert freundlicherweise unsere Wahrnehmung. Es macht zum Beispiel eine Figur-Grund-Gliederung. Was soviel heisst wie, dass die Figur eines Apfels auf gestreiftem Hintergrund irreversibel ist. So sehr ich mich auch anstrenge, ich sehen einen Apfel auf gestreiftem Hintergrund, das ist nicht umkehrbar. Aber das Hirn kann auch Figur-Grund-Vertauschungen, wie in dieser Abbildung. Es ist mir durch willentliche Anstrengung möglich, einmal die Profile und einmal die Vase zu sehen. Genau wie ich bei der Vorführung einer DVD im Schulzimmer mein Gehör verschieden „einstellen“ kann: Je nachdem wie ich will, höre ich das Geflüster der Lernenden in der zweiten Bankreihe oder die Stimmen im Film. Das ist phänomenal. Und praktisch.
[Quelle: Bovet/Frommer, Grundkurs Psychologie]

Wahrnehmung

Im Zusammenhang mit einer Gruppenarbeit (Expertinnen-Methode; erkläre ich, wenn ich sie ausprobiert habe) haben wir uns kurz über die Sinne unterhalten. Ich glaubte gelesen zu haben (ja, ja, das glauben Buchhändlerinnen immer…), dass die Psychologie inzwischen von mehr als fünf Sinnen ausgeht. Und wirklich, ich habe die entsprechende Literatur gefunden (das sollten Buchhändlerinnen auch).
Ich zitiere aus Bovet/Frommer, Grundkurs Psychologie (S. 22, C. Definition: Wahrnehmen):
Ein erster Annäherungsversuch an eine Definition [der Wahrnehmung] könnte so aussehen: „Wahrnehmen heisst, etwas sehen, hören, riechen, schmecken oder tasten.“ Mit der Aufzählung der fünf klassischen Sinnesgebiete hätte man vielleicht vor 150 Jahren noch richtig gelegen, aber inzwischen muss man sie um einige weitere Sinne ergänzen.
Menschen verfügen nämlich auch über einen Temperatursinn; sie haben Thermorezeptoren in der Haut, die über Aussentemperaturen und Temperaturabweichungen informieren. Dann haben sie auch einen Schmerzsinn; er umfasst Nervenendigungen in der Haut und in den inneren Organen, die auf Gewebezerstörungen und Gewebeveränderungen reagieren. Weiterhin gibt es noch beim Menschen: einen Stellungssinn, der mit Hilfe von Rezeptoren in den Gelenkkapseln und Gelenkbändern funktioniert und Auskunft über die Lage der Gliedmassen gibt; einen Spannungs- und Kraftsinn, der mittels Nervenendigungen in den Muskeln und Sehnen über die Anspannung in den einzelnen Körperteilen und über das Gewicht von Objekten informiert; schliesslich einen Bewegungssinn, der in Teilen des Innenohrs (Bogengänge, Sacculus und Utriculus) beginnt und lineare Bewergungen und Drehungen des Körpers meldet. Diese neueren Sinne sind wenig bekannt. Es gibt für ihre Funktionen auch nicht so klare Tätigkeitswörter wie sehen oder hören, sondern nur die sehr unspezifische Umschreibung des Fühlens. Die Definition könnte man jetzt so fassen:
Wahrnehmen bedeutet, dass man mittels der verschiedenen Sinnessysteme, über die man verfügt, Informationen gewinnt über die Umwelt und den eigenen Körper.

Teaching Portfolio

Ergänzung von Jürg auf die Frage: Was soll die Lerndokumentation?

    1. Die Lehrtätigkeit sichtbar machen
    2. den Dialog über die Lehre fördern
    3. Dokumentation über das Erreichte sein
    4. Wegbeschreibung und Zielrichtung
    5. Sammlung wissenschaftlicher Daten

Hui, mache ich das hier?

    1. Ja.
    2. I’m trying, vor allem in den Kategorien „Buchhandel“ und „in der Lehre“.
    3. Ja.
    4. Ja.
    5. Also trying, in allen Kategorien. Muss ich erweitern. Quellen in „DIK-Lesen“.

Voll eindrücklich

Artikel im Schweizer Buchhadel vom 21.10.2004 „Voll eindrücklich“ zur Lehrlingsreise an die Frankfurterbuchmesse der Lernenden aus dem Kanton ZH:

Das Urteil der Auszubildenden zu den Verlagen war einstimmig: „Am nettesten sind die kleineren Verlage, die achten auf die Stifte. Bei den Grösseren sind wir nicht so willkommen, die Verleger interessieren sich mehr für anderes.“

Dem kann ich, nach der Evaluation des Messebesuches mit vierzig „meiner“ Lernenden, leider nur zustimmen. Ich habe mir notiert, nächstes Jahr vor dem Messebesuch zu besprechen, ob sich die Lernenden nicht anschreiben wollen? Ich glaube, das würde helfen auch von den super-busy Hostessen an der Front der Grossverlage entgegenkommender behandelt zu werden.
Aber ein schönes Zeugnis für die Mächtigen der Branche ist es nicht, wenn die Meinung der Lernenden schweizweit so einhellig ist, ohne dass sie einander kennen. Glauben Ullstein/Heyne/List und Bertelsmann/Randomhouse selber so wenig an ihre Zukunft, dass sie sich für den Nachwuchs nicht zu interessieren brauchen? Da lob‘ ich mir Orlanda, Rico Bilger, Stämpfli, Wagenbach und Limmat, die sich extra vorbereitet und unsere Gruppen trotz Mess-Stress so freundlich empfangen haben.

Headache

Alles eingepackt auch Paracetamol oder wie das heisst – stop – dann in die Schule und Fächli lehren, nein lernen, nein leeren – stop – ins PC-Zimmer 1307 und Tüte mit Disketten auspacken – stop – nein, falsche Tüte mit mir fremden Sachen aus einem anderen Leben – stop – Kind auf Handy anrufen damit es Papa am Festnetzphone Handy ans andere Ohr drückt – stop – damit Papa sich anhören kann, dass er bittebittebitte Disketten bringt – stop – er bringt in Viertelstunde, gozeidankewastäteichohne? – stop – ein Paracetamol schlucken und ruhig werden – stop – gelassen vorbereiten, Favoriten anlegen – stop – ja nicht während des Referierens zuviel googeln müssen – stop – es läutet und niemand kommt – stop – einen Stock weiter unten schwatzt eine Klasse viel zu laut, es hat doch schon geläutet – stop – ach, oh Schreck! Es ist meine, wir sind in Zimmer 1207 – stop – Beamer abstellen – stop – alles wieder runterfahren – stop – verantwortungsbewusst hinterlassen – stop – einen Stock runterrennen und entschuldigen – stop – nur eine Minute zu spät zum Glück – stop – und jetzt die Lektionen von hinten aufrollen – stop – die Disketten mit der angefangenen Arbeit vom letzten Mal sind ja noch nicht da – stop – und Favoriten aufstarten – stop – die sind ja in Zimmer 1307 – stop – doch noch alles ergoogeln – stop – jetzt klingelt das Handy – stop – runterrennen auf Parkplatz – stop – Disketten vom Mann entgegengestreckt kriegen, danke vielmal, das vergess‘ ich dir nie – stop – und wieder zurück – stop – „ich habe eine Frage“ – stop – ich auch. Hunderte.

Das Gurkenglas

Beim Projekt „Kugellager“ im letzten Kurs ist Manuela vis-à-vis von mir gelandet. Sie hat mir ein Lernerlebnis so authentisch geschildert, dass ich die ganze Woche über immer wieder daran gedacht habe.
Manuela war in der dritten Klasse und hatte einen Lehrer ohne jede natürliche Autorität. Weil es ihm nicht gelang Ruhe in die Klasse zu bringen, brachte er eines Tages ein leeres (Saure-) Gurkenglas mit, welches er auf dem Lehrerpult deponierte. Er erklärte, dass es still werden sollte, sobald er mit dem Stift ans Glas schlage. Nun brauchte er aber diese Methode derart oft, dass sie völlig inflationär wurde, die Drittklässlerinnen und Drittklässler nicht mehr beeindruckte und bald schon keine Wirkung mehr zeigte. Was ihn nicht davon abhielt, sie weiterhin zu praktizieren und einfach umso länger und fester gegen das Gurkenglas zu hauen. Bis es – man ahnt’s – eines besonders lauten Tages in tausend Stücke sprang. Diese Autoritätsbemühungen so in Scherben zu sehen war bildhaft genug, um bis heute fest in Manuelas Gedächtnis verankert zu sein. Und sollte sie es einmal kurz vergessen, braucht sie nur ein Glas mit sauren Gurken zu sehen und weiss: „So nicht!“.
Ich finde das eine wunderschöne Geschichte. Sie erinnert mich sehr an die Rede „Niemals Gewalt!“ von Astrid Lindgren aus dem Jahre 1978, die aktueller nicht sein könnte. Lesen.

Verlernt man (nie)

Ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass ich noch immer schnell Bohnen rüsten kann. Damit gehört das in die Kategorie „verlernt man nie“, wie angehnem! Ich stell mal 13 + 13 zusammen.
Verlernt man nie (solange man unversehrt bleibt):
Lesen
Laufen
Sitzen
Schalten beim Auto
Tippen im 10-Finger-System
Bohnen rüsten (eben)
Schlafen
Gähnen
Reden (so das Wichtigste)
Schwimmen
Wickeln
Putzen
Abwaschen
Verlernt man verdammt schnell (wenn man es nicht regelmässig macht):
Excel
andere Softwareanwendungen
Schreiben von Hand
Billard
Kochen
Einkaufen
Kindergeburtstage ertragen
Google-Resultate interpretieren
Unterrichten
Purzelbäume
Snowboarden
Rad schlagen
Protokollieren

Bärendienst

Ein Lernender des 2. Lehrjahres hat mich aufgrund der hiesigen Kommentare um ein „Sünonüm“ für das Wort „Bärendienst“ gebeten. Mach ich doch gerne!
Auch wenn es für einen Nicht-Berner klingt, als wäre das Wort dem bernischen Dialekt entliehen, ist es ein ganz normales DUDEN-Wort. Der allerneuste Rechtschreibe-DUDEN sagt dazu:

Bä|ren|dienst (schlechter Dienst); der

Im ältere DUDEN in acht Bänden (= Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache; gibts im Moment gerade nicht mehr) steht:

Bä|ren|dienst: der in der Wendung jemandem einen Bärendienst erweisen/leisten (in guter Absicht etwas tun, was einem anderen, zu dessen Nutzen es gedacht war, schadet; vielleicht nach der Fabel „Der Bär und der Gartenliebhaber“ von La Fontaine, in der der Bär diensteifrig eine Fliege von der Nase des Gärtner verscheucht, ihn dabei aber tötet): dass Sie mit Ihrem Amoklauf gegen das Privatleben des Papstes den Homosexuellen in ganz Europa einen Bärendiest erwisen haben (Ziegler, Kein Recht 144)

Hier noch rasch die Erklärung zur Erklärung. Wie lässt sich der grosse DUDEN in acht Bänden lesen? Das ist ein Wörterbuch, das bei jedem Eintrag zuerst erklärt, was ein Wort bedeutet. Dann zeigt es, woher die Bedeutung kommen könnte und zuletzt folgt ein Beispiel aus der Presse, wie das Wort von wem gebraucht wurde. Hier war das eine Frau oder ein Herr Ziegler in der 144. Nummer von etwas, das wohl „kein Recht“ heisst, mir aber so auf die Schnelle nicht bekannt ist.
Alles klar und wunderbar? Testen Sie die Wörterbücher in Ihrer Buchhandlung!