Die FAQs an mich sind mit Abstand:
Warum machst du das? Wie lange bleibst du noch in dieser trostlosen Branche? Die Preisbindung… Der Konzentrationsprozess… Die Digitalisierung der Information… Die Googlisierung der Gesellschaft… Die Verwikipedianiserung der Kulturgeschichte… Such dir einen anderen Job… Was regst du dich immer noch auf? Dieser Zug ist längst abgefahren.
Die Antwort war, ist und bleibt unspektakulär: Weil ich Buchhandel am besten kann.
Langweilige Tatsache meines Lebens, dass ich fast alles vom Buchhandel und von Buchmenschen gelernt habe. Ich bin das wandelnde Beispiel nur angelesenen Wissens.
Aber wie jede Antwort kann ich auch diese gerne etwas ausschmücken:
Ich mache nicht gerne Angebote, wo kein Bedarf besteht, deshalb hab’ ich trotz ein paar guten Gelegenheiten nie in die Werbung gewechselt. Ich kämpfe nicht prinzipiell gern, nicht um Freundinnen, nicht um Männer und auch nicht um Arbeitgeber, die mich nicht haben wollen. Bref: Es gibt nur sehr wenig, worum ich kämpfe.
Über die beiden Jahre, in denen diskutiert wurde, ob mein Beruf in der Schweiz beibehalten, nur verwischt oder ganz abgeschafft werden sollte, hat mir diese Einstellung geholfen, nicht aufzugeben und mich offensichtlich auch einigermassen glaubwürdig gemacht.
Soll der Buchhandel eines natürlichen Todes sterben, so sei es. Aber so lange noch ein paar Tausend Menschen dieses viersprachigen Landes in diesem Beruf leben und wirken, so lange jedes Jahr hundertdreissig Neue ihre Lehre beginnen, so lange gibt es verdammtnochmal keinen Grund für Selbstmord.
Nun ist die Nachricht also angekommen. Die „schöne grosse Welt des Detailhandels“ (Zitat aus einem Argumentationswettstreit) muss vorläufig auf uns verzichten. Verkaufen wird wichtiger, aber Einkaufen bleibt wichtig. Wir lehren und lernen jetzt alle Medien, aber deswegen können wir immer noch Goethe, Shakespeare, Petrarca, Cervantes und Balzac in Buchform.
Die Branche hat heute der neuen Berufsbildung zugestimmt. Einstimmig.
Bis das letzte Lehrmittel gewählt und das letzte Budget gesprochen ist, werden noch viele Vernehmlassungen ins Land gehen und es wird Kompromisse brauchen, bis die Augen tränen. Aber unser kleiner Beruf bleibt eigenständig und bei seinem Namen.
Und weil man ja immer gewarnt wird vor der Unbill, die Entspannung nach langer Anspannung mit sich bringt, habe ich nur ganz leise bei einer Tasse Tee gefeiert.
Ich bin sehr froh, meine nächste Tasse Tee geht auf dich und auf die Buchhändlerin. Es gibt ja viele Leute, die einen Beruf gelernt haben, den es nicht mehr gibt. Mein Onkel der Schriftsetzer (von Hand, natürlich) zum Beispiel und anderseits verstehe ich oft nur Bahnhof, wenn die jungen Leute über ihre Fachschulabschlüsse reden und ich nicht weiss, wo man damit arbeiten kann.
muss wieder mal einen alten bekannten zitieren:
es sind nicht immer die lauten stark, nur weil sie lautstark sind
es gibt so viele, denen das leben ganz leise viel besser gelingt.
(so oder ähnlich).
gut gemacht!
Alle Achtung vor den Beharrlichen! Aamächelig, dieser Tee, findet eine Niemalsteetrinkerin 😉
Danke. Es stimmt, viele Berufe sind verloren gegangen, viele Menschen haben etwas gelernt, das heute nicht mehr gebraucht wird. Aber es ist mir kein einziger Beruf bekannt, der so suizidal ist wie der Buchhandelsberuf. Vielleicht ist es auch einfach ehrenhaft: Bevor ihr uns ohnehin killt, killen wir uns lieber selber.
Nu, das sehe ich eben und trotz allem nicht so und deshalb bin ich froh. Denn es gibt zwei schöne Schweizer Beispiele: Den Floristinnen hat man gesagt, sie könnten die Lehre vergessen, der Blumenstrauss käme aus der Fabrik und würde in der Migros gekauft. Zum Glück haben sie nicht darauf gehört, ihre Berufsbildung originell reformiert und halten nach wie vor eine Menge guter Leute mit solider Ausbildung beschäftigt. Den Uhrmachern hat man’s gesagt, als die Digitaluhr kam und die Deppen haben es sogar geglaubt. Sie haben zwar nicht die Lehre abgeschafft, aber die Ausbildungsplätze reduziert. Und was haben sie heute? Riesigen Mangel an Fachkräften, kommen mit der Produktion nicht nach.
Ladenpreis hin oder her: Die Buchhändlerin braucht’s!