Begründungen

Neujahr auf dem Dach des Wohnblockes, wo meine halbe Familie wohnt.

Manchmal werde ich gefragt, weshalb ich nicht mehr blogge oder nicht öfter blogge. Der Hauptgrund könnte kaum banaler sein: Ich muss früher aufstehen. Das heisst, die Nacht gehört mir nicht mehr. Obwohl ich ihre grösste Freundin bin, werfe ich sie seit zwei Jahren weg für nichts Besseres als Schlafen. Hinzu kommt, dass ich – zumindest in der Deutschschweiz – in der Öffentlichkeit stehe und genauer bedenke, was ich sage und schreibe. Zwar höre ich oft, die öffentlich-rechtlichen Medien konsumiere niemand mehr, doch surrt mein Handy nach einem Auftritt und die Profilaufrufe schnellen in die Höhe. Bin ich nur zu hören zwar weniger, aber von „unbefangenen Äusserungen“ bin ich weit entfernt. Auf den üblichen Social-Media-Kanälen fällt es mir einfacher, für eine bestimmte Zeit eine bestimmte Rolle einzunehmen als hier in diesem textlastigen Format. Die Story-und-Statusmeldung-Möglichkeiten erlauben es mir, gegenüber Menschen, die da auch Accounts betreiben und die ich viel zu wenig sehe, etwas Persönliches preiszugeben. Und insbesondere, Kommentare zu hinterlassen. Ich bemühe mich sehr, dies wertschätzend und nicht urteilend zu tun und mich nie zu äussern, ohne mir ihren Beitrag wirklich zu Herzen genommen zu haben. Das habe ich vom Internet gelernt: Kommunikation widerspiegelt Haltung. Ich muss mich ja verhalten gegenüber denen, die ich dank dieser unfassbaren Technologie so schnell in meine Nähe hole. Ich bewundere insbesondere die Frauen aus dem Irak für ihre Disziplin, diesen virtuellen Ort zu nutzen und verfügbar zu halten. Wie sie zwischen den Sprachen und Schriften wechseln, einander dann doch nicht verstehen, weil ihre Perspektiven in der Diaspora und im Land selbst ganz verschieden sind. Sie werden nicht müde, sich Kommentar für Kommentar heranzutasten aneinander und sind mir Vorbild.

5 Gedanken zu „Begründungen“

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