Begründungen

Neujahr auf dem Dach des Wohnblockes, wo meine halbe Familie wohnt.

Manchmal werde ich gefragt, weshalb ich nicht mehr blogge oder nicht öfter blogge. Der Hauptgrund könnte kaum banaler sein: Ich muss früher aufstehen. Das heisst, die Nacht gehört mir nicht mehr. Obwohl ich ihre grösste Freundin bin, werfe ich sie seit zwei Jahren weg für nichts Besseres als Schlafen. Hinzu kommt, dass ich – zumindest in der Deutschschweiz – in der Öffentlichkeit stehe und genauer bedenke, was ich sage und schreibe. Zwar höre ich oft, die öffentlich-rechtlichen Medien konsumiere niemand mehr, doch surrt mein Handy nach einem Auftritt und die Profilaufrufe schnellen in die Höhe. Bin ich nur zu hören zwar weniger, aber von „unbefangenen Äusserungen“ bin ich weit entfernt. Auf den üblichen Social-Media-Kanälen fällt es mir einfacher, für eine bestimmte Zeit eine bestimmte Rolle einzunehmen als hier in diesem textlastigen Format. Die Story-und-Statusmeldung-Möglichkeiten erlauben es mir, gegenüber Menschen, die da auch Accounts betreiben und die ich viel zu wenig sehe, etwas Persönliches preiszugeben. Und insbesondere, Kommentare zu hinterlassen. Ich bemühe mich sehr, dies wertschätzend und nicht urteilend zu tun und mich nie zu äussern, ohne mir ihren Beitrag wirklich zu Herzen genommen zu haben. Das habe ich vom Internet gelernt: Kommunikation widerspiegelt Haltung. Ich muss mich ja verhalten gegenüber denen, die ich dank dieser unfassbaren Technologie so schnell in meine Nähe hole. Ich bewundere insbesondere die Frauen aus dem Irak für ihre Disziplin, diesen virtuellen Ort zu nutzen und verfügbar zu halten. Wie sie zwischen den Sprachen und Schriften wechseln, einander dann doch nicht verstehen, weil ihre Perspektiven in der Diaspora und im Land selbst ganz verschieden sind. Sie werden nicht müde, sich Kommentar für Kommentar heranzutasten aneinander und sind mir Vorbild.

Aufgeräumte Vorbilder

Mit Tomi Ungerer hat mein letztes grosses Vorbild den Jordan überschritten (alle siehe oben im Banner-Header). Das ist noch schwer vorstellbar für mich, aber tut seiner Funktion als Modell in meinem Leben bestimmt keinen Abbruch. Wer seine Stimme und französisch-deutsch gemischte Sprache hören möchte, dem sei ein Gespräch ans Herz gelegt, das Claudia Dammann 2013 in Zürich, im Diogenes Verlag, mit ihm geführt hat. (Denen in Zeitnot empfehle ich Minute 18:00 bis 22:00 über Liebesallergie oder gar bis Minute 25:00 zu den Gründen fürs Kinderbuchmachen).
Ich habe die Gelegenheit genutzt, hier ein wenig aufzuräumen und die Links zu prüfen. Die Kategorie „CAS Schulleitung“ ist aufgehoben – diese Weiterbildung schliesse ich am 15. März ab, ohne darüber Wesentliches gebloggt zu haben. Ansonsten bleibt alles beim Alten auf nja.ch.

Reduzierte Formen

Ich vermisse das Schreiben. Aber die vielen losen Enden in meinem Kopf verunmöglichen es.
Das ist merkwürdig, weil Bloggen ja genau dazu erfunden worden ist, lose Enden in die Welt zu setzen, auf dass jemand die Verbindung finde und kommentiere. Meine These: Jede neue Form ist ein Versprechen auf Reduktion und gibt der vorhergehenden oder noch früheren Form mehr Gewicht. Das heisst, wir wagen uns heute neben den Kurznachrichten in Echtzeit weniger, einen Brief zu verfassen, denn seine Form allein macht seinen Inhalt schon so wichtig. Wer traut sich hier und heute schon, etwas Nichtiges zu Papier zu bringen ausser ein paar letzten Schülerinnen, die für ihre Aufsätze immer noch Tintenbuchstaben auf Linien setzen und sie rechtzeitig am Rande stoppen.
Viele gehen davon aus, ein Blogbeitrag lohne der Publikation nur dann, wenn er schlüssiger sei als unsere Tweets. Ebenso entwickelt sich unser Lesen: Bücher müssen es Wert sein oder zumindest relevant empfohlen, geteilt. Und die letzten handgeschriebenen Couverts im Briefkasten lassen uns aufschrecken. Freudig, wenn sie den Beginn eines Lebens markieren und niedergeschlagen, wenn dessen Ende.
Aber vielleicht ist alles nur ein banales Zeitproblem. Und wir hätten es in der Hand, könnten uns hinsetzen an einen Brief oder ein Buch, das Internet vergessen und unsere Formen erweitern.

Wandeln oder weichen

Inserat Wandeln oder weichen aus Buchreport
Ich wusste ja, dass Lyssa heute CEO von SPON ist und finde ihren Weg seit jeher beeindruckend und adorabel. Nur jetzt, wo sie mir in der buchhändlerischen Fachpresse begegnet, ist es merkwürdig. Wenn ich jemanden über Jahre via Blog zu kennen meine, mit Hund und als geachtete Trauzeugin und also von verschiedener Seite, dann ist die Arbeitspersönlichkeit gewöhnungsbedürftig.
Nebenwirkungen einer Dekade virtuellen Lebens. Panta rhei.

Es kurzet

Nie hätt‘ ich gedacht, dass ich selbst am Pfingstmontag nicht einmal einen Wochenrückblick zu Stande bringe. Aber so ist es wohl vermehrt mit zunehmendem Alter und Schlafbedarf.
„Guetet’s nid so churzet’s“* – ist ein typischer berndeutscher Rat für jedermann. Ob für Gestresste, Kranke oder solche in Ehekrise klingt er zwar mehr oder weniger zynisch, aber stimmen tut er immer. Im Grunde ein Ratschlag, der sich sogar unter Zenbuddhisten und Gelassenheitskennern hören lassen kann.
Auf unserer USA-Reise hat mich das Kind nebenbei darauf aufmerksam gemacht, dass das eigentlich eine Version von „hold on“ sei, die emmentaler Variante einer Durchhalteparole. So hatte ich das noch nie überlegt, aber da ist ‚was dran. In diesem Sinne: Gute Woche allerseits!
„Es kurzet“ weiterlesen

Blogreflexion 2012

Nach einer Weile Überlegen bin ich zur Erkenntnis gelangt, das Bloggen hinter anderen Dingen anzustellen. Es war mir die letzten acht Jahre Ort und Anlass für etwas Eigenes und deshalb wunderbar, ich stand ja sonst hauptsächlich im Dienste anderer. Nun, da sich meine Familie verselbständigt und meine Arbeitswelt noch elektronischer wird, ergeben sich andere Möglichkeiten, etwas für mich zu machen (=positiv) und eine neue Haltung meines Umfeldes, noch onliner zu sein (=negativ). Beides ergänzt sich dahingehend, dass ich meine immer noch knappe Freizeit klarer abgrenzen und anders gestalten will als mit mitternächtlichem Bloggen-Mailen-Bloggen-Xingen-Bloggen.
Das Nachdenken übers Bloggen hat mir aber auch klar gemacht, dass es (noch) nicht Zeit ist, ganz mit der Bloggerei aufzuhören. Ich schreibe seit jeher auf. Ein Weblog mit seiner Suchfunktion und dem ftp-Server ermöglicht mir sehr viel mehr als ein Archiv unleserlicher Notizbücher.
Hinten anstellen bedeutet in diesem Falle einfach, dass ich die Domains abgebe, die irgendwie mit Bloggen oder möglichen Blogprojekten zu tun haben (z.B. „bloggade.ch“ wäre also wieder frei). Und natürlich, dass ich mir nicht mehr vornehme, regelmässig zu schreiben, Jahrestage schriftlich zu begehen oder berufliche Anlässe zu vermerken. Ich habe keine Ahnung, ob das heisst, dass nja.ch ähnlich weiter läuft wie bisher oder ob das Blog langsam einschläft oder ob’s hier einfach kürzere Beiträge oder bloss Bilder gibt.
Mal schauen.

Im Märzen der Infoanlässe

Ich habe das Bloggen diese Woche völllig vergessen. Manchmal ist das Leben eben sehr analog. Zum Beispiel hatten wir am letzten Montag die Buchhändlerinnen und Buchhändler eingeladen, die ausbilden. Und es sind fast fünfzig Leute gekommen! Darunter viele Ehemalige, die inzwischen Berufsbildnerinnen oder Filialleiterinnen sind, viele auch schwanger oder mit kleinen Kindern und noch immer am Buchhandeln. Trotz Unwägbarkeiten optimistisch, ohne grosses Tamtam um Zukunftsprognosen und mit Freude am Beruf. Einfach wunderbar.
Nächsten Mittwoch lerne ich die Ausbilderinnen und Ausbilder der ersten Klasse der neuen Grundbildung Kundendialog kennen. Auch hier: Alle betreffenden Firmen haben sich zum Anlass angemeldet und darüber hinaus noch zwei weitere Grossfirmen, die sich für diese Lehre interessieren. Das ist schön, aber auch mit Erfolgsdruck verbunden. Die Branche der Contact Center ist immer noch sehr neu für mich. Ich habe die Ziele, die ich mir (und teilweise der ganzen Abteilung) gesteckt habe, erst knapp in Sichtweite. Aber das ist das Gute an der Erfahrung und am Alter: Man lernt das Mögliche zu schätzen. Bis Mittwoch kann ich noch einige wenige Vorbereitungen treffen und dann: Que sera, sera.
Am 28. Mai besucht unser Erziehungsdirektor und amtierende Regierungspräsident die Abteilung Kundendialog. Bis dahin bleibt mir also noch einmal eine gute Woche Zeit.

Geniesse!

Ich kann diesen Imperativ nicht mehr hören und meide ihn inzwischen selbst da, wo er passen würde.
Geniess deine Schwangerschaft! Dein Baby! Deinen Garten! Deinen Sport! Deinen Erfolg! Deine Familie! Deine Velofahrt! Dein Shoppen! Deinen Berufseinstieg! Deinen Berufsausstieg! Dein Rentenalter! Dein neues Sofa! Deine Schulreise! Die Bergfahrt! Die Talfahrt! Den Frühling! Den Sommer! Dein Wochenende! Was, du hast es nicht genossen? Wie bedaurlich, wie unverständlich, wie selbstverschuldet.
Das ist nicht Versicherungswerbung, das ist inzwischen Alltag. So beginnen und enden E-Mails, so werden Anträge beantwortet. Nicht: „Ich wünsche euch eine schöne Exkursion und hoffe, dass ihr Neues entdeckt und gesund und munter zurück kommt.“ Nein. „Geniesst die Exkursion!!!“ Nicht: „Schöne Ferien euch dreien.“ Nein. „Geniess deine Männer!“ (Abgesehen davon, dass das schon fast nach Missbrauch klingt, ist mir auch die Umsetzung schleierhaft.)
Da dieses Weblog auch ein Reflexionstool ist, frage ich mich natürlich, warum mich gerade das so aufregt. Es gab eine Zeit, vor ungefähr 20 Jahren, da habe ich mich dem „Lustvoll“ verweigert. Damals musste alles und jedes „lustvoll“ sein, der Unterricht, die Arbeit, die Ehrenämter und sogar die Quartierpolitik. In der Sache habe ich dann wirklich einmal an einer Versammlung das Wort ergriffen. Es ist mir zwar entfallen was ich gesagt habe, aber andere erinnern mich immer mal wieder daran. Offenbar habe ich mich sehr enerviert und gefragt, was – verdammtnochmal – an Velowegen und Handläufen, an Kleinklassen, Heckenschneidregelungen und Bahnübergängen, an Taktandenlisten und Revisionsberichten lustvoll sein sollte? Und was schlecht daran sei, darin einfach eine schlichte Aufgabe zu sehen? Einen stinknormalen Beitrag zur Zivilgesellschaft, die sich dank dem vielleicht weiterentwickeln könnte?
Empfinde ich den Trend als Genussterror, weil ich selber nicht geniessen kann? Das wäre möglich. Aber micht dünkt, ich pflücke den Tag ganz gern. Es wirkt heute genussfeindlich, das Wort nicht inflationär zu benutzen. Ich geniesse es, wieder essen zu können, nachdem ich krank war. Ich geniesse es, weniger Kleider anziehen zu müssen, wenn es wärmer wird. Ich geniesse die Luft und die Aussicht, wenn ich in den Bergen bin. Ich geniesse am Sommer, lange draussen sitzen zu können und ich geniesse ein Glas Wein. Früher genoss ich es eindeutig, schnell zu fahren, ich liebte Gokartbahnen und meine Snowborads waren immer Raceboards mit harten Kanten.
Wenn heute die ganze Familie zusammen ist und alle zufrieden sind und miteinander auskommen, dann geniesse ich bestimmt nicht die Menschen, sondern den Augenblick. Und sicher nicht auf Geniessbefehl, sondern im Wissen darum, dass er flüchtig ist.

Schlaf > Blog

Ich habe schon oft darüber nachgedacht, weshalb ich nicht mehr dazu komme, hier einen Reiserückblick zu machen. Ich beobachte nämlich gerne und mache unterwegs viele Notizen und Fotos, die an sich schnell verarbeitet wären.
Gerade Berlin wäre so schön zum Verbloggen, diese architektonisch hässliche Stadt, in der niemand etwas suchen muss, weil Berlin früher oder später jeden findet. Ich brauchte kaum was dazuzutun, landete im Chaos des Mauermarktes, ass in Kreuzkölln bei Jimmy Woo laotisch (glaub ich), bei Manuela’s am Landwehrkanal die feinste Paella Negra und in einem schummrigen arabischen Hinterzimmer am Mehringdamm eine Menge Dinge, die ich nie bestellt hatte. An die empfohlenen Places to be wie „Ä“ oder „Wohnzimmer“ bin ich ohne Mühe gekommen, wenn auch wegen überfüllt nicht eingekehrt. Und an die drei Buchhandlungen, die ich gerne sehen wollte, bin ich fast zufällig geraten: Walther König auf der Museumsinsel, Hundt, Hammer, Stein und Lehmanns.
Aber: Ich brauche mehr Schlaf. Das führt zu weniger Bloggen. Freiwilliges Lesen und Schreiben geht bei mir immer zu Lasten von Nachtruhe oder Mittagspause, wie jetzt.