Michael Krüger ist eine Grösse in der Buchbranche. Er ist nach einer Druckerlehere und einer Lehre als Verlagsbüchhändler 1968 bei Hanser gestrandet und geblieben. Heute ist er dort literarischer Leiter. Vielleicht feiert er sein Jubiläum nächstes Jahr mit einem neuen Buch. Autor ist er nämlich auch noch. Und Lyriker. Aber noch kein Zyniker – was in unserem Metier doch eher ungewöhnlich ist nach so langer Zeit darin.
Als Krüger von der NZZ am Sonntag (7. Oktober 2007) gefragt wurde, ob er sich auf die Buchmesse freue, antwortete er:
Ich sehe ihr mit gemischten Gefühlen entgegen. Man nimmt an einem Zirkus teil, den man in- und auswendig kennt. Ich werde wie an den letzen 41 Buchmessen viertausendmal den gleichen Satz sagen müssen: „Wie geht’s?“ Und ich werde diesen Satz auch viertausendmal hören. In verschiedenen Sprachen. Und ich werde immer ein gequältes Gesicht machen, das ausdrücken soll: Bitte nicht wieder diese Frage!
Ein konsequenter Mann. Wie es so geht ist ein altes Gedicht von ihm. Eines von zweien, die ich richtig mag. Das andere heisst Mein Ohr und erzählt, dass einer davon gehört hat, die Geschichte der Fotografie sei zu Ende. Aber jetzt zurück zum einen:
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Es ist nichts passiert. Alles ist ruhig.
Das Alfabet ist wieder in Gebrauch, das Einmaleins,
der Dialog hat Konjunktur. Die alten Hüte,
die alten Weissagungen, die alten Erscheinungen: alles
sieht aus wie neu. Jeder hat seit gestern das deutliche Gefühl,
dass es ihn gibt. Jeder kann sich sehen lassen. Jeder sieht jedem
mit Interesse zu. Die stotternden Unterhaltungen
sind verstummt, alles geht flüssig von der Hand, die intimen
Entgleisungen gibt es nicht mehr. Das Dunkel wurde abgeschafft:
Aphorismen beschreiben die Welt mit tödlicher Klarheit.
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Das ist die vierte und letzte Strophe. Vielleicht ist sie ihm wirklich an einer Buchmesse eingefallen. Allerdings hatte er damals noch nicht einmal zehn davon absolviert. Und doch schon genug. Aber nur im Gedicht. Ich sah ihn dieses Jahr wieder federnd vorbeilächeln und hörte ihn fragen wie es so geht.
aus:
Michael Krüger,
REGINAPOLY
Gedichte
Hanser 1976