Madge Jenison, Sunwise Turn

Madge Jenison, Sunwise Turn
Madge Jenison
Sunwise Turn
Zwei Buchhändlerinnen in New York
edition ebersbach 2006
9783938740248
Originaltitel: „The Sunwise Turn; A Human Comedy of Bookselling“ (1923)

Der folgenden Widmung schliesse ich mich von ganzem Herzen an. Sie soll auch für diese Buchbesprechung gelten und alle Leserinnen und Leser von Büchern einschliessen. Frohes Fest!

Dieses Buch ist allen Buchhändlerinnen und Buchhändlern gewidmet, die durch ihren Mut, ihre Fantasie und ihr Engagement dafür sorgen, dass die Vielfalt des Bücherangebots erhalten bleibt.

Es gibt Bücher, da weiss ich nach einem Abschnitt, dass ich sie lieben werde. Dieses hier gehört nicht dazu. Ich blieb einige Seiten lang skeptisch. Eine Neuauflage von1923? Zwei kulturinteressierte Damen auf der Suche nach neuen Herausforderungen? Gründen eine Buchhandlung? Ergibt das wirklich 200 Seiten Lesenswertes?
Jawohl. Ein grossartiges Buch! Und nichts darin von gestern. Die Buchautorin und eine der beiden Gründerinnen der Buchhandlung „The Sunwise Turn“ 1916 in New York ist eine gewiefte Dame. Sie hat diesen heiter-humorvollen Ton, den braucht, wer die Welt verändern will.
Denn wer neue Werte vermitteln wollte, kam mit Lehrerhaftigkeit schon vor hundert Jahren nicht weit. Es wunderte mich gar nicht, im Nachwort zu lesen, dass Madge Jenison der „Women Suffrage Party“ angehört hatte und eines der Gründungsmitglieder der „Women’s National Book Association“ war, die sich 1917 formierte. (Die zahl- und einflussreichen Frauen im Buchgeschäft wurden noch lange weitgehend von der Öffentlichkeit ignoriert und wenn ausnahmsweise mit Aufmerksamkeit bedacht, so kritisiert.)
Es ist die Nähe zum heutigen Beruf, die dieses Buch so faszinierend macht. Es führt uns Buchhändlerinnen vor Augen, dass es schon immer ein eigenartiges Geschäft war, das mit den Büchern. Ich fühlte mich in der Lektüre völlig aufgehoben. Den Gründerinnen von „The Sunwise Turn“ wurde in der Branche von der Buchhandelseröffnung abgeraten. Man sagte ihnen, Bücher zu verkaufen sei nicht rentabel, Buchhandlungen lebten hauptsächlich von Schreibwaren. Die Antwort auf die Frage, warum Buchhandlungen dann nicht einfach nur Schriebwaren verkauften, blieb man ihnen allerdings schuldig.

Ganz wunderbar auch ihre Rechnungen zur Rentabilität. Sie setzten fest, dass sie Bücher im Wert von 20’000 Dollar im Jahr verkaufen mussten. Das waren sechzig Bücher am Tag und das schien zu machen.
Obwohl sie Literaturlisten und Fachbibliotheken zu etlichen Themen anboten, obwohl sie sogar die Bibeln, die in die Schlachten des ersten Weltkriegs versandt wurden individuell einbanden, obwohl sie die schönsten Geschenkverpackungen Manhattens und das Wohlwollen unzähliger Leserinnen und Leser hatten, obwohl sie im Weihnachtsgeschäft überrannt wurden wie von Kindern, die alle gleichzeitig heimkommen „weil sie Kekse haben oder ihre Fäustlinge trocknen lassen wollen“ – trotz allem Einsatz erreichten sie den angestrebten Umsatz erst in ihrem vierten Geschäftsjahr. Und haben sie deswegen aufgehört? Nein. Auch danach war „The Sunwise Turn“ nie richtig rentabel. Das Geld, das hereinkam, reichte meist gerade für die ausstehenden Verlagsrechnungen, nicht aber für den Lohn. Anstatt fünfzig Kunden, die im Wert von 500 Dollar im Jahr einkauften, wie sich die Buchhändlerinnen das vorgestellt hatten, fanden sie 750 Stammkunden, die 15 Dollar jährlich bei ihnen ausgaben. Und die vielen Kunden, die liebend gern in die Buchhandlung kamen um zu erzählen, zu debattieren, zu weinen, zu fragen und zu kritisieren, waren unschwer aufzutreiben – sie sind überall dort, wo eine Buchhandlung ist, sie gehören dazu und sie kaufen nichts.
Es gibt viele gute Gründe, dieses Buch zu lesen. Wenn ich eine Minute Zeit hätte, es jemandem aus dem Buch-, Werbe-, PR- oder Kommunikationsbereich zu verkaufen, würde ich sagen, mir sei keine früheren Beschreibungen über den Einkauf als Erlebnis bekannt. Nie sei leichtfüssiger erklärt worden, weshalb Buch und Gespräch zusammengehörten und nie zuvor seien weniger Seiten gebraucht worden, um die Grundlagen des Geschäftens klar zu machen.
Sonst würde ich das Buch Frauen oder als Geschenk für Frauen empfehlen. Madge Janison, die damit eine autobiografische Notiz hinterlassen hat, war die kunstverständige Tochter eines Architekten aus Chicago. Sie wurde Lehrerin, Frauenrechtlerin und schliesslich Buchhändlerin und Verlegerin in New York, wo sie den ersten Weltkrieg und die Zwischenkriegszeit erlebte. Mit einer leisen Ahnung von allem, was noch auf die Menschen der Zwanziger- und Dreissigerjahre zukommen sollte, wollte sie mit Büchern und durch Bücher eines vermitteln: Fantasie und Mut.

4 Gedanken zu „Madge Jenison, Sunwise Turn“

  1. Ja, vielen Dank für diese Buchempfehlung, die ich mir gleich notiert habe und auf diesem Wege – gerade noch halbwegs rechtzeitig – auch Euch ein frohes Fest bzw. einen schönen restlichen Feiertag heute!

  2. Das freut mich. Ich glaube, ich bringe die Besprechung (leicht überarbeitet natürlich, ich bin hier immer schluddrig) noch im nächsten „Pegasus“. Es ist wirklich ein Buch, das Buchhändlerinnen und Buchhändler lesen sollten!

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