Ach, Hirsi Ali, die Provokateurin. Wir, die wir nicht unter Bewachung leben müssen, nicht allein, nicht beschnitten, unserem Freund wurde kein Drohbrief ans Herz gespiesst. Wir wollen das lieber nicht hören. Sie ist jung, randvoll mit Wut, sie differenziert nicht zwischen islamischen Männern und islamischen Männern. Doch reicht das für den Vorwurf der Hetze?
So anders Orhan Pamuk, er ist ein wandelndes Paradoxon. Sein Heimatland zerrt ihn als Verräter vor Gericht, von uns bekommt er nächsten Sonntag den Friedenspreis. Den Preis des deutschen Buchhandels, zu welchem ich mich, so ist das halt, zugehörig fühle. Obwohl das Fussvolk nie geladen ist an diese historische Stätte, in die Paulskirche.
Hier hat die erste Buchmesse nach dem Weltkrieg stattgefunden, denn kein anderes grosses Gebäude war unversehrt geblieben. Hier hat Lindgren „Niemals Gewalt!“ gerufen, hier hat Walser seine Keule erhoben und Esterházy hat sie letztes Jahr leicht lächelnd umgedreht.
Mit Gesetzen kann man das Recht oder die Politik des Landes ändern. Aber die Kultur und die Denk- und Sichtweise der Bürger zu ändern, dauert Jahre.
Sagt der diesjährige Preisträger weise. Zwischen Osten und Westen, zwischen Religion und Säkularismus, zwischen gestern und heute, zwischen alter und neuer Heimat zu schwanken und darüber traurig zu sein, ist kein Verbrechen, möchte ich der rasenden Hirsi Ali zurufen. Und zwei Seelen zu haben sei keine Krankheit, versichert auch Pamuk.
Aber dass zwei Seelen Menschen zerreissen können, hinterliess uns Goethe mit Faust.