Neben Fachwissen und Fairness gehört vor allem Anregung zur Selbständigkeit zum Lehrauftrag.
Und ich muss zu meinem Bedauern gestehen, dass ich noch nie eine Klasse hatte, von denen mir alle folgen konnten. Frage ich: „Eine Lehrerin kommt in den Laden und möchte wissen, ob sie auf dem Klassensatz Jugend ohne Gott ein Lehrerfreiexemplar…“ dann schreibt immer eine: „Das entscheidet der Chef.“ Wenn ich diese Antwort verunmögliche, indem ich anders formuliere: „Ihr iPod, den Sie zu Weihnachten bekommen haben, ist kaputt. Sie gehen damit ins Elektrogeschäft und es zeigt sich, dass Sie ihn einschicken lassen müssen. Bitte notieren Sie das otimale Reklamationsgespräch nach den Prinzipien von Meid,“ notiert mindestens eine: „Das macht mein Bruder für mich.“ Selten kommt es auch vor, dass ich Entscheidungsgrundlagen fordere und „ich befrage Gott im Gebet“ als Antwort bekomme. So lerne ich – mehr noch als von der Weltpolitik – von meinen Schülerinnen und Schülern, dass Aufklärung nur für einen Teil der Menschheit geht.
Aber ich bin ja eine Überzeugungstäterin. Wie die meisten Kollegen.
Anregung zur Selbständigkeit ist eine der zentralsten Aufgaben von Erziehung überhaupt. Jedenfalls wenn die erziehende Person hoffnungslos aufklärerisch ist.
Als Konsumentin würde mich ausserdem sehr interessieren, wie das optimale Reklamationsgespräch geht.
Aus Verkäufersicht ? Geht nicht, gibts nicht. Fragen Sie mal beim Hersteller / Verlag nach. Und bei Bedienungsfehlern entfällt die Garantie, wie Sie wissen….*sfg* LG rollblau
Katia: Da ich nur sehr sporadisch aus Korrekturbergen, die die bevorstehende Zeugnisvergabe mit sich bringt, auftauche, kann ich das nicht ausführen. Aber trotzdem:
Grundatz: Mit jeder Auseinandersetzung beschädigt eine Verkäuferin die Beziehung zu ihrer Kundschaft.
Meid – eine Buchhandels-PR-Frau – hat moderate Kulanzregeln. Winter – ein Buchhandels-Kundenorientierungs-Mann – rät „Kulanz, bis die Augen tränen“. Dann gibt es noch den japanischen Ansatz, der besagt, dass man jederzeit alles zurücknehmen und ersetzen muss. Mehrere Studien japanischer Unternehmen haben belegt (jedenfalls bis ins Jahr 2000, als ich mich stark damit befasst habe), dass die Rückgabe in Prozenten des Umsatzes klein ist und mit der Kulanz noch kleiner wird.
Hihi, rollblau. Könnt aus einem deutschen Verkaufs-Blog sein. Autsch, so frech bin ich sonst gar nicht 😉
Also: die drei Antworten sind doch schon ober-cool.
Und sagen viel aus über diejenigen, die sie geben.
Natürlich wollen wir selbstbewußt kundenorientierte MitarbeiterInnen.
Wenn sie sich dafür aber den falschen Kontext ausgesucht haben?
Nach der Antwort »ich befrage Gott im Gebet« müsste man konsequenterweise die Frage stellen »Und welche Antwort haben Sie bekommen?« 😉
Jede Auseinandersetzung kann sich die Verkäuferin aber auch nicht leisten. In Acis Blog (Buchhändlerinnenalltag in einem deutschen Einkaufs-Center) sind oft Vorkommnisse zu lesen, bei denen die Buchhändlerin wirklich konsequent bleiben muss — jeden Kunden muss man auch nicht halten.
Unterhaltsam, wenn auch tatsächlich erstaunlich. Obwohl ich schon längst nicht mehr so richtig an die Aufklärung und den wirklichen menschlichen Willen zur Aufklärung glaube. Allzu oft wüsste die Ratio es besser als es des tatsächliche Handeln beweist. Besonders verstandesgetrimmte Menschen machen sich allerdings auch manchmal das Leben schwer – im Glauben, man müsse alles selbst tun. Und vielleicht wäre da ja tatsächlich noch ein Bruder, der…
Lieber beten statt selbst entscheiden mag auch der Grund sein, warum sich viele Frauen – obwohl es heute einfacher wäre – zurückziehen und zurückstecken, statt sich in eine Position zu bringen, in der sie selbst – und gar noch über andere – entscheiden müssten.
Stolle: Selbstbewusst auf jeden Fall. Aber nicht rebellisch. Rebellentum und Verkauf gehen nicht zusammen. Ging nie, wird nie gehen. Verkauf ist eine subtile, suggestive, devote Angelegenheit, weil sich der Verkäufer zurücknimmt und dem Produkt und dem Kunden den Vortritt lässt und sich daran freut. Meine Schülerinnen wollen mit mir immer gerne debattieren darüber. Manchmal tu ich ihnen den Gefallen – aber ihre 1000 Einwände ändern nichts am Prinzip und dann werden sie immer sauer 😉
Stefan: Meine Bemerkungen auf Tests sind positiver oder unterstützender Natur, so richtige Korrespondez mache ich nicht. Und alle „unselbständigen“ Antworten geben keine Punkte, egal ob Chef, Bruder oder Gott. Das sage ich aber im Voraus, nur nützt es nicht bei allen…
Ich weiss nicht genau, was du damit meinst, dass sich die Verkäuferin nicht jede Auseinandersetzung leisten kann…? Nein, sie muss Auseinandersetzungen vermeiden. Denn Auseinandersetzungen betreffen nicht nur einen Kunden und eine Mitarbeitende, sondern ziehen Kreise. Acis Buchhändleralltag lese ich seit Beginn und sehr gerne. Ich bin auch der Meinung, dass jedes Geschäft klare Richtlinien darüber braucht, wovor die Mitarbeitenden geschützt werden müssen. Meist sind das im Buchhandel: Persönliche Beleidigungen, Gewalt, Annäherungsversuche, Rassismus. Kunden, die hier Regeln übertreten, müssen von den Vorgesetzen des Ladens verwiesen werden, manchmal für lange. Aber auch das sollte höchstens mit einer sehr kurzen Auseinandersetzung möglich sein.
Und es ist sowohl in Acis Blog wie im Alltag nicht so häufig. Verkauf und Reaktion auf Kundschaft hingegen lehre ich sehr anders (wenn nicht gar in entgegengesetzter Richtung). Nicht aus persönlichen Gründen, sondern aufgrund der Fachliteratur – auch der buchhändlerischen. Das ist es dann auch, was an der praktischen Abschlussprüfung zählt.
Sarah: die Gründe für das Zurückstecken der Frauen sind sehr verschieden und oft zweifelhaft. Ich habe auch den Eindruck, dass die Freikirche und die Pfingstgemeinde oft auf Fraueninitiative hin Zulauf haben. Ich habe aber auch Frauen in den Klassen, die sehr gläubig und gleichzeitig auch sehr selbständig sind. Vielleicht noch zur Information: Weil andere kleine Buchhandlungen sterben, nimmt unter den unabhängigen Buchhandlungen der religiös geprägte und theologisch spezialisierten Buchhandel verhältnismässig zu.
Der Vorschlag war auch eher ironisch gemeint 😉
Aus meiner Kindheit und ganz frühen Jugend kann ich im Rückblick bestätigen, dass gerade »Endzeitkirchen« ganz entschieden durch Frauen getragen werden. Sie dürfen zwar kein Amt bekleiden, aber sie tun einen Großteil der Arbeit und sie erziehen den Nachwuchs.
Stefan, klar. Aber das Lehrerhafte an mir ist ja, dass ich auch Irnoie ernst nehme, sofern sie was hermacht 😉
Ich glaube nicht, daß die Endzeitkirchenmitglieder in der Lage sind Ironie zu verstehen. Und mit der Frage „was hat Gott geantwortet“ würdest Du ihnen vermutlich die Plattform geben, die sie suchen: den Aufhänger für ein missionierendes Statement vor versammelter Mannschaft Klasse.
Genau, Juebe. Deshalb mach ich das nicht. Ich meinte damit die Ironie von stefan, nicht die, mit der ich antworten würde. Wie gesagt, weder Gott, noch Brüder noch Chefs geben Punkte in meinen Tests. Man muss alles ganz allein beantworten 🙂