Sand im Getriebe der DBH

Normalerweise verbietet es mir der Anstand, mich zu buchhandelspolitischen Angelegenheiten anders als sachlich zu äussern. Aber ein bisschen schmunzeln musste ich schon, als neulich die Meldung vom Bundeskartellamt kam. Bis jetzt wurden die Fusionen im Buchhandel sowie die Übernahmen allüberall und ohne Einschränkungen durchgewunken.
Ich versuche eine Zusammenfassung, die auch für Leute lesbar sein sollte, deren Leben nicht aus Buchhandel besteht:
Die DBH-Gruppe wurde letztes Jahr als Gemeinschaftsunternehmen von Weltbild und Hugendubel gegründet. Die DBH ist keine Marke für den Kunden, sondern eine Synergiemaschine für zwei Grossunternehmen im deutschen Medienhandel. Diese DBH hat dann die norddeutsche Buchhandelskette Weiland übernommen oder besser übernehmen wollen.
Nun kommt das Kartellamt mit seiner „zu eng gezogenen Schlinge“ (Henning Hamken von Weiland) und macht einen Vorbehalt, weil es die DBH nach dem Deal in Hannover für marktbeherrschend hält. Mangels Preiswettbewerb (Buchpreisbindungsgesetz in Deutschland seit 2001) hat das Kartellamt den Qualitätswettbewerb analysiert. Dazu zählte es Sortimentsbreite und Sortimentstiefe – die Lehrerin dankt an dieser Stelle zum ersten Mal im Leben einem Kartellamt – wie auch Öffnungszeiten, Lesungen und Signierstunden. So sind die Kartell-Leute dann zum Schluss gekommen, dass sie die Übernahme nur dann genehmigen, wenn die Weiland-Filiale in Hannover – die grösste Buchhandlung Norddeutschlands – an einen „unabhängigen Dritten veräussert“ werde.
Obwohl Geschäftsführer im Buchhandel durchaus in der Lage sind das Gesetz zu lesen, ist das mehr Sand im Getriebe als erwartet. Ich gestehe, auch ich war verwundert. Leben wir doch in Bern – genau wie viele andere in deutschsprachigen Städten – seit Jahren mit der Marktbeherrschung durch eine konkurrenzlose Thalia, ohne dass ein Hahn danach kräht.
Konzentrationsprozess im Berner Buchhandel in a Nutshell:
In nur einem Jahrzehnt, nämlich den Neunzigern, sind sämtliche grosse und mittelgrossen Buchhandlungen Berns übernommen worden oder eingegangen. Francke verschwand, Scherz verschwand, die Buchhandlungen Huber und Lang fusionierten, gaben das allgemeine Sortiment auf, spezialisierten sich aufs Fachbuch und wurden vom deutschen Hogrefe gekauft. Seine Fühler neu nach Bern ausgestreckt hatte die Basler Buchhandlung Jäggi, die sich unten im Warenhaus Loeb erfolgreich als Anbieter mit niedriger Schwelle positionierte. Und damit war der verbleibende erfolgreiche Berner Grossbuchhändler Stauffacher gezwungen, seine Nachfolge in einer brenzligen Konkurrenzsituation zu regeln. Als Lösung bot sich Thalia an, die gerade damals ihren Expansionskurs begann. Sie kaufte im Jahr 2000 sowohl Jäggi wie Stauffacher – und kurz darauf noch den damals erfolgreichsten und innovativsten Schweizer Internetshop buch.ch. Jäggi wurde 2006 umbenannt und ist nun sichtbar „Thalia“, Stauffacher und buch.ch heissen noch wie zuvor.
Bern hat sicher genügend Buchverkaufsstellen. Neben den Erwähnten gibt es noch ExLibris, welche als Buchclub-Discounter gilt und nur ein beschränktes Sortiment anbietet. Wer nicht Thalia will, kann sich in verschiedenen Nischenbuchhandlungen eindecken, die in der Regel schnell und gut bestellen und über einen Onlineshop verfügen. Aber so wenig wie Kunden das konsequent tun, so wenig relaisieren sie, dass sie beim Gleichen einkaufen, wenn sie einmal extra „zum Stauffacher“ und dann doch lieber „zu Thalia“ gehen und noch einen Account bei „buch.ch“ haben.
Weltbild expandiert neu und rasch nach Bern. Und mit Weltbild rückt DBH an. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Ich bin gespannt, an wen sie Weiland Hannover verkaufen. Aber ich tippe nicht auf Thalia.

4 Gedanken zu „Sand im Getriebe der DBH“

  1. Danke, Charlotte! Stimmt genau, hatte ich falsch im Kopf. Ich sollte immer das Organigramm verlinken. In der „Geschichte des Unternehmens“ steht dazu:

    2001: Phönix und Thalia fusionieren zum Marktführer Thalia Holding GmbH; Erwerb von buch.ch durch buch.de

    Für den Kunden ist der Zusammenhang relevant, wenn es um Sortimentsbreite und -tiefe -geht, wenn die Onlineshops vom gleichen betreut werden oder würden. Im Moment ist das meines Wissens hauptsächlich logistisch und noch nicht inhaltlich der Fall. Auch gibt es im Onlineshop-Bereich genügend Konkurrenz durch books.ch (Orell Füssli, zu 49% Hugendubel) und amazon.de (zu 100% amazon.com).

  2. Nun, hier ist denn mal ein Bereich, in dem ich mich wenig bis gar nicht auskenne. Aber 40 % Anteil besitzt Thalia vermutlich Anteile weit über eine Sperrminorität hinaus. Sie müßte damit mißliebige Entscheidungen verhindern können, wenn auch nicht eigene Vorstellungen ungeschmälert verwirklichen. Ich sehe die Buchhandelskonzentration auch als Problem, auch wenn das kartellrechtlich vermutlich nur selten Probleme aufwirft, denn sobald zwei oder drei große Konkurrenten den Markt einer Region unter sich aufteilen und die kleinen bis mittleren unabhängigen Läden kaputtmachen, ist ja dennoch keine marktbeherrschende Stellung eines der Giganten gegeben. Bei mir um die Ecke soll demnächst eine Thalia – Filiale aufmachen, und meine Stammbuchhandlung, der es eh nicht sonderlich gut geht, ist am Zittern ob der da neu erwachsenden Konkurrenz. Da ich die Thalia – Sortimentsstruktur nicht kenne (habe noch keinen Laden von innen gesehen, weiß ich nicht, ob es Rettung über Nischensortimente geben kann. (Hugendubel in Berlin fand ich aber z.B. in der Belletristik eher schlecht bestückt, etwa im Gegensatz zum Kulturkaufhaus Dussmann, sodaß es möglicherweise schon Potential gibt, dagegen zu halten.) LG rollblau

  3. Doch, rollblau, ich kenne Thalia sehr gut. Die Nischenbuchhandlung kann durchaus konkurrenzfähig sein. Von „deiner“ Buchhandlung war ich aber schon ein paar Mal etwas enttäuscht (also indirekt, buchhändlerisch, einfach von dem, was du über sie erzählt hast). Sie müsste selbstbewusster auftreten. Das geht natürlich besser, wenn man seine Chancen und Risiken analysiert. Jeder hatte nun schon sieben Jahre Gelegenheit, Thalia zu beobachten und es wäre jeder Buchhandlung zu raten, sich damit zu befassen, was Thalia kann und was nicht. Sonst zittert sie zu Recht. Thalia hat das Ziel, die stärkste Dachmarke im deutschsprachigen Raum zu werden, unter der ein allgemeines Bedürfnis nach Büchern und Medien für jede Altersklasse abgedeckt wird. Und unter der der Kunde Aufmerksamkeit und ein Community-Gefühl bekommt. Da Thalia intensiv ausbildet, ist sie für den stationären Buchhandel der Schweiz allgemein wichtig geworden, aber auch kundenseitig zu einer Marke, die gegen Amazon bestehen kann, was für mich ein zentraler Aspekt ist. Lieferantenseitig ist es eng, der Zwischenhandel und die Verlage leiden an der Konzentration genau so wie das selbständige Sortiment und seine Tiefe. Im Moment scheint der Konsument lieber einen Stapel gleiche Bücher in Frontalpräsentation zu haben, als verschiedene zum gleichen Thema im Regal. Sollte sich das je wieder ändern, werden Leute da sein, die mit Begeisterung etwas Neues machen. Allerdings ist die Voraussetzung eine vielseitig gebildete Gesellschaft. LG, Tanja
    (Tut mir richtig Leid, dass ich nun die Kommentare abstellen muss.)

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