Nach einem laut Presse „wertkonservativen“ Abstimmungswochenende blieb es in Bern noch einen Tag länger althergebracht. Heute war „Ziebelemärit“ und Konservativeres als ein Fest zur Lobpreisung der Zwiebel ist wohl schwer zu finden. Ein Besucher im Auftrag der Berliner Morgenpost hat sich berechtigterweise gefragt, wie man an einem verpflotschten, kalten Tag im November um vier Uhr morgens aufstehen könne, um kunstvoll gebundene Zwiebeln zu erwerben, vor allem wenn es sich um einen Montag handle? Dazu isst man Zwiebelkuchen, mit dessen Völle man pünktlich und zur Arbeit erscheint. Ja, warum? Es ist halt Tradition.
Die Kundinnen und Kunden der Buchhandlungen bleiben entweder weg, weil sie den Trubel und die überall aus Caren ausgeschütteten Touristen nicht ertragen. Oder sie fragen nach dem Weg und dem Programm, während sie triefende Esswaren und Convettis in die Läden mitbringen. Für Buchhändlerinnen ist der „Zibelemärit“ hauptsächlich ein Putzfest, weil es drinnen (Bild) genau so aussieht, wie draussen. Aber Putzen gehört ja auch zur schweizerischen Tradition.
Das Wort „wertkonservativ“ ist mir gestern beim Lesen der Berichterstattung über die Abstimmungsresultate auch mehrmals begegnet. Diese Deutung der m.E. hohen Nein-Stimmen-Anteil zum Sonntagsverkauf und die Wertung, dass „der Sonntag den Schweizern doch mehr Wert ist als bisher angenommen“, ist mir etwas zu einfach. Ich kenne unterschiedlichste Gründe welche die Leute zum Nein bewogen haben. Die wenigsten davon sind „wertkonservativer“ Art.
Ja, ich musste auch lachen. Ich denke, die Journis haben einander damit angesteckt, weil halt auch das Gentech-Moratorium durchgekommen ist. Der Anteil Nein-Stimmen (klipp und klares Ständemehr wär’s gewesen) zum Sonntagsverkauf und die Bremse bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln könnte man als konservativ bezeichnen. Aber für mich hiess es eher: „Veränderung ja. Aaaber Vorsicht, dass wir nicht überrollt werden. Lasst uns überlegen, wie was wirklich nützlich ist.“ – Eigentlich eine moderne Haltung.
Ich habe noch eine andere Theorie: Das Referendum und die Initiative haben einander gegenseitig unterstützt. Also Leute, denen das eine sehr am Herzen lag, waren deshalb beim anderen auch grad engagiert und umgekehrt, weil’s halt sehr gut zueinander gepasst hat.
Ja lasst euch nur einlullen, das war kaum gewerkschaftliche Vernunft, was die fast 50% Nein gebracht hat, das war OBERBALM. Weil warum, weil nämlich die alle gar keinen Bahnhof in der Nähe haben und keinen Airport. Vielleicht machen wir mal eine Abstimmung über die Nachst- und Sonntagsöffnung von Minigolf und Pub und Aquastar oder wie das Wunderbad heisst. Dann stimme ich NEIN! und beim Postauto für Oberbalm auch NEIN! und bei der Südumfahrung Wimmis NEIN und bei der Nordumfahrung Langenthal NEIN!
Alphonse, ich getrau mich fast nicht zu fragen: aber bist du Städter? Bist du vielleicht frustriert über das Abstimmungsverhalten deiner helvetischen Brüder und Schwestern vom Lande? Falls ja:
ES TUT MIR LEID!
Alphonse. Bei unterschiedlichsten Gründen meinte ich durchaus nicht nur die der gewerkschaftlichen Art.
Ich kenn ne Menge Leute in Bergregionen und zwar solche, die dort sozialisiert wurden, ihren Lebensunterhalt verdienen und nicht einfach aus Städtüberdruss dort ihre Zelte aufgeschlagen haben. Randregionen, denen zunehmend vorgeworfen wird, keinen Mehrwert zu schaffen sondern einfach zig-Gelder an Investionshilfe zu kassieren und sich dann bei Abstimmungen absolut unsolidarisch mit den urbanen Anliegen zeigen. Ich behaupte, dass viele Leute aus Randregionen tatsächlich ein Nein in die Urne legten, weil ihnen der Sonntagsverkauf in Flughäfen und grossen Bahnhöfen de facto nix bringt.