Soweit ich mich erinnern kann, habe ich nie freiwillig Frisch gelesen. Nur in der Schule oder höchstens, weil ihn mir jemand dringend empfohlen hatte. Seit der Veröffentlichung seiner Entwürfe zum dritten Tagebuch lese ich ihn aus eigenem Antrieb, gerade jetzt im Empfangsbereich der Palliativtherapie. Ab und zu werde ich abgelekt vom Einatmen der anderen, die auch warten unter Bibelzitaten und wie ich nicht wissen, was sie erwartet, falls sie vorgelassen werden. Ich versuchen besonders respektvoll zu lesen, ich fühle mich hier erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Der Autor selber hat mir das in seinem Tagebuch empfohlen. Frisch notierte darin unter anderem, sein vorletztes hätte es verdient, sein letztes Buch zu sein. Auch Peter Noll kommt ständig vor, er starb im Oktober 1982, diktierte aber bis zum Ende (muss dieses Buch heute nachkaufen, finde es nicht mehr), Frisch hielt seine Totenrede. Lesen ist das Beste in dieser Zeit, in der die Sonne immer seltener durch die Wolken bricht und das Mittagsmenü im Tea-Room nebenan schon um 12:15 seine Gültigkeit verloren hat: „Die Nummer eins wäre jetzt Schweins-, nicht Kalbsbraten. Und die Nummer zwei wäre Felchen“ sagte die Kellnerin müde und ohne jemanden bestimmtes anzuschauen.