Das sei die Jugend heute, sagt mir die Shell-Studie 2002. Die zu studieren gehört zu meinen DIK1-Hausaufgaben. Auch wenn ich immer ein wenig Probleme habe mit dem Shell-Sponsoring (ich kann ja froh sein, dass nicht Philip Morris PISA bezahlt, ich weiss), lese ich diese Studien gerne. Denn wie will ich sonst damit klar kommen, dass ich mich immer mehr von den Realitäten der Jugendlichen entferne, genau wie ich mich von ihr (der Jugend) selber entferne? Meine Lernenden finden mich (Aussagen gemäss) recht cool und gut informiert. Ich selber fühle mich überhaupt nicht so, ich gehöre ja zur Generation Boris Becker, bin fünf Jahre älter als Eminem und habe von allem, was nachher noch kam, keinen Schimmer mehr.
Aber zurück zur 14. Shell Jugendstudie: Es wurden 2’500 Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren in Deutschland befragt, die Studie gilt als auf die Schweiz übertragbar (aber in der Schweiz gibt’s natürlich auch immer eine, die heisst irgedwas mit Trash, Link finde ich so auf die Schnelle gerade keinen). Wie gesagt, die Jugendlichen von heute sind pragmatisch, offen und achten auf die äussere Gestalt und Gestaltung. Auch die Gestaltung ihres Lebensraumes ist ihnen im Sinne eines politischen Engagements nicht unwichtig, aber sie muss Spass machen oder individuell konkrete Ergebnisse bringen. Der Leiter (?) der Studie Klaus Hurrelmann nennt das ein möglicherweise „urdemokratisches Gefühl“, was ich zu bezweifeln wage. Was die Leistungen angeht, gibt es zwei grössere Gruppen, die eine strebt eindeutig und absichtlich auf, will Leistung bringen und Leistung sehen, die andere tut das zwar ebenfalls, aber bezieht mehr Lebensbereiche in den Plan ein. Bei der zweiten Gruppe hat es mehr Frauen, ich denke, viele von ihnen sitzen bei mir im Schulzimmer, denn Buchhändlerin zu lernen braucht schon eine Überzeugung, die über Lohn oder Aufstieg hinausgeht. Die, die unglücklicherweise nicht zu diesen beiden Gruppen gehören, weil sie die Leistung nicht zu bringen in der Lage sind, fallen leichter durchs Netz als auch schon. „Hier ist die Gesellschaft aufgerufen, Integration zu leisten,“ meint Hurrelmann dazu und wohl die ältere Generation damit. Die Globalisierung wird ebenfalls sehr sachlich beurteilt. Die wachsende Mobilität wird geschätzt, dass internationale Produkte zur Verfügung stehen auch, die zentrale Frage bleibt: Was habe ich davon? Die Relevanz von Bildung ist unbestritten, auch wenn viele Jugendliche bedauern, dass die Schule sie zu wenig anspricht und ihnen zu wenig Freude bereitet. Ich bedaure das auch und gebe Gegensteuer, so gut ich es vermag.
Die Studie deckt sich zu einem Teil mit meinen Erfahrungen und mit dem, was ich sonst gelesen habe. Sie ist eine gute Zusammenfassung aber bringt für mich nichts Neues. Ich brauche bloss die Wahlergebnisse in Bern zu studieren und zu schauen, welche Vertreterinnen und Vertreter von Jungparteien die meisten Stimmen holen: Das sind gebildete, sachliche Leute, die sich nicht scheuen, das Wort Karriere in den Mund zu nehmen, keine Berührungsängste haben und durchaus gewillt sind, vor dem Pressefoto die Haare machen und die Augenbrauen zupfen zu lassen.
Ich denke, diese Generation liefert, wie jede vor ihr, was es braucht. Und wenn man international kommunizieren, national die Sozialwerke sanieren und lokal doch noch halbwegs glücklich sein will, dann braucht es eben solche Kompetenzen. Auch wenn mich die Abkehr vom Engagement aus moralischen Gründen, der Spassanspruch an die Politik und die permanente Kosten-Nutzen-Rechnung manchmal beelendet, ist es wohl genau das, was diese Generation an Basics nötig hat, um die Forderungen des Alltags zu erfüllen und das Überleben der Demokratien zu sichern.
Die Schweizer Studie heisst „SMASH“ und ein Schwerpunkt sind Fragen zur Gesundheit.