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Passend zu Beruf und Berufung starte ich mit den Büchern (in a Nutshell) aus meinen Sommerferien:
-Haruki Murakami, Untergrundkrieg
Das ist Murakamis Zeugnis zum Giftgasanschlag in der U-Bahn von Tokyo im März 1995. Murakami ist ein Autor, der nie etwas übereilt, eine Liebesgeschichte ebenso wenig wie eine Dokumentation. Ähnlich wie Alexijewitsch tastet er sich vor, recherchiert über Information und Desinformation, stellt zurückhaltend die passenden Fragen zum richtigen Zeitpunkt und macht einfach gute Arbeit als Autor wie als Relais.
-Primo Levi, Anderer Leute Berufe
Habe ich dann doch nicht gelesen. Es war zu sehr eine andere Welt. Vielleicht später.
-Anne Holt, In kalter Absicht
Habe ich auch nicht weiter gelesen, soll aber spannend sein. Nordische Krimiautorinnen tendieren zunehmend zu Brutalitäten, die ich nicht brauche. An Eltern zurückgeschickte Leichenteile entführter Kinder, nur weil das grad noch niemand sonst schreibt? Die Krimischreibenden stehen einander im Norden zu sehr auf den Füssen rum.
-Plina Daschkowa, Nummer 5 hat keine Chance
Ein sehr kurzes und sehr feines Stück russischer Literatur. Immer an der Grenze zur Tradition russischer Klassiker, schleicht die Novelle den Ungerechtigkeiten im heutigen Russland nach. Aus alter Bauernfängerei wird neue und zuletzt verliert eine freundliche Lehrerin vom Land ihr ganzes Geld für den Rollstuhl ihrer Tochter im Spielcasino. Nein, das ist noch nicht ganz der Schluss, die Bösen büssen.
-Inger Frimansson, Die Treulosen
Nicht gelesen, siehe Holt.
-Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon
Habe ich während der Ferien ausgeliehen, lese ich später. Ist aber 1000 Mal besprochen und lobend dazu.
-Kaspar Wolfensberger, Glanzmann
(M)Eine Neuentdeckung! Der Protagonist Zangger, der Psychologe und geforderte Familienvater fast erwachsener Kinder, ist eine sehr gelungene Figur, auf die ich in jedem Buch warte, sie aber selten finde. Hier hat ein Autor geschliffen, an Personen und Situationen, hier kippen weder Geschichte noch Charaktere ins Konstruierte. Denn das ist oft die Gefahr, wenn eine heutige Geschichte in Schweizer Familien und erkennbaren Schweizer Städten spielt. Dieser Zangger lässt sich auf Grund beruflicher Verpflichtungen in einen Fall verwickeln, in dem auch die Zürcher Polizei ermittelt und gerät zwischen alle Stühle und Bänke. Ich werde noch den anderen Zangger-Titel von Wolfensberger lesen und die Bücher dann ausführlicher besprechen.
-Guido Bachmann, lebenslänglich
Ich habe selten jemanden gelesen, der so gelassen wie pointiert und selbstironisch vom Leder ziehen kann. Über die Eltern, die Lehrer, die Schweiz, sowohl im zweiten Weltkrieg als auch in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Aus dieser Autobiografie werden mir sehr viele Szenen im Gedächtnis bleiben. Zum Beispiel, als der Bub Bachmann endlich herausfindet, wo er ein Aufklärungsbuch hernehmen könnte, mit Herzklopfen in den Lesesaal der Stadtbibliothek vordringt, nichts als Kapseln mit gehefteten Katalogkarten aus dem Gestell zieht, diese aufschlägt, liest und wieder liest und weint.
-Qiu Xiaolong, Tod einer roten Heldin
-Qiu Xiaolong, Die Frau mit dem roten Herzen
Ich bereue, diese Bücher – trotz Empfehlung von zuverlässiger Seite – nicht schon lange gelesen zu haben. Die beiden Fälle für Oberinspektor Chen waren für mich als Leserin der Türöffner zum heutigen China samt Rückblick und Ausblick. Aber nie verliert sich der Autor in Reiseführerbeschreibungen, immer schafft er Zusammenhänge, kleine Erklärungen und wunderbar fremde Dialoge. Beide Fälle handeln im Kern von der Verletzung, als „zu gebildet“ „zu schön“ „zu dekadent“ deklariert zu werden und einer permanenten Umerziehung ausgesetzt zu sein.
Von den Büchern, die ich wiederholt lesen wollte, habe ich es nur bei Kafka getan. „Der Prozess“ ist sicher keine typische Ferienlektüre, aber dafür ein Meisterwerk an Beschreibung. Hat mich dieses Mal ein wenig an Kunerts Kurzgeschichte „Zentralbahnhof“ und an den Film „Dogville“ erinnert, die Bilder habe sich alle übereinandergeschoben. Markus Werners „bis bald“ habe ich weg gelegt. Ich denke, das Buch hatte mir damals viel bedeutet, weil ein Freund zu dieser Zeit an einem Herzinfarkt gestorben ist. Heute tendiere ich eher zur Bestätigung eines Kunden, der mir sagte, ich überschätzte dieses Buch Werners.

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