Branchengefühle

Manchmal muss ich schon viel guten Willen aufbringen für meine Branche. Wenn für irgendetwas Neues die fachliche Kompetenz fehlt zum Beispiel. „Ok, dann schreiben wir das doch in die Lernziele,“ sagt sich dann der geneigte Buchhandel. Das mag zielführend scheinen. Wenn Fleischer merken, dass sich Schwein schlecht absetzt, dann entscheiden sie, ihren Lehrlingen die Schlachtung von Schafen beizubringen. Vielleicht lassen einzelne die Schweinezucht ganz bleiben und lernen und lehren „halal“. Aber „halal“ ist nichts Neues, das können einem viele beibringen. Doch wenn man – wie ich – Referenten für das suchen muss, was noch niemand kann, ist das gelinde gesagt unangenehm. Man schwindelt und erfindet und hält den Daumen in die Luft. Die Suche nach Leuten, die bereit sind, das Neuste im Buchhandel zu unterrichten – das gehört zu den schwierigsten Akquisen meiner Laufbahn.
Dann wieder muss ich einfach lachen über den Buchhandel. Zum Beispiel die Überschrift in der Branchenpresse zur Umsatztalfahrt, an der der stationäre Buchhandel nochmal viel mehr leidet: „Im Juni, im Juni geht’s weiter nach uni“ (will heissen: Im Juni geht’s weiter nach unten). (Diesen Sommer brauchte ich im Freibad oder auf der Restaurantterrasse gar nicht mehr nach bekannten Gesichtern Ausschau zu halten. Die, die kein Gerät, sondern einen Zeitung oder ein Buch in Händen halten, gehören eigentlich immer zu meinem Bekanntenkreis.)
Und zuletzt bin ich stolz auf die Buchbranche. Ich weiss nicht wie, aber sie schafft es immer wieder originelle, witzige, tüchtige und interessiete Menschen zu finden, die unseren Beruf lernen. Wir diplomieren jedes Jahr junge Leute, die auch in einer Bank, an der Uni oder einer Kunstschule reüssiert hätten. Zum Thema: Die Fotos unserer Abschlussfeier.

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