Meine Buchmesse war schön: Ästhetisch, sozial und offen. Das sind für mich messbare Messequalitäten. Punkto Ästhetik spielt Frankfurt ohnehin in der ersten Liga. Man sieht schlechteren Messen an, was für eine enorme Leistung es braucht, um aus dem Auftritt vieler einen brauchbaren Gesamteindruck zu machen. Dazu gehören auch Beschriftungen, Wegweiser, Standnummern, der Umgang mit leeren Ständen und Neuausstellern, die Website, die Online-Orientierung während die Messe läuft. Das alles hat die Frankfurter-Buchmesse-Leitung besser im Griff als alle anderen, die ich kenne (und ich liebe Messen – sie sind für mich die Quintessenz des Marktes). Vitaler Bestandteil des diesjährigen gelungenen Auftrittes war der Ehrengast Island. Die hatten eine Strategie, die verdammt viel wegliess und gerade deswegen in sich absolut schlüssig war. Alle Autoren präsentieren? Oder nur die Berühmten, Übersetzen, die Exoten, die Genehmen? Andere Künstler auch? Und den Tourismus ankurbeln? Fragen, die sich jedes Gastland stellt und die Island perfekt beantwortet hat: Island verpflichtete sich in seiner Ausstellung dem Bücherlesen und Vorlesen und der Landschaft, die Isländerinnen und Isländer dazu animiert. Islands Bücher wurden in der in die Ausstellung integrierte Freihandbibliothek präsentiert: Thematisch, aber in allen Übersetzungen. Ich nehme an, Presse und TV haben so positiv wie alle auf Island reagiert und ich brauche hier nichts Genaueres zu beschreiben? Wenn doch, mache ich das gern auf Wunsch.
Noch kurz zu den anderen beiden Adjektiven, die meine Messe ausmachen: sozial und offen. Sozial angenehm fand ich diese Messe, weil es das erste Mal war, dass ich nicht jedem hinterher rennen musste. Es gab dieses Jahr auch eine ganze Menge Leute, die sich um ein Treffen mit mir bemühten. Offen fand ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, egal ob aus Verlag, Zwischenbuchhandel oder Buchhandlungen. Ein bisschen Heuchelei gehört ja eigentlich zum Messegeist: „Wir sehen uns bald“ „Wir machen das bestimmt zusammen“ „Ich komme auf dich zu“ „Dann werden wir allen voran dieses Buch/euch/deine Buchhandlung empfehlen“ „Absolut bahnbrechend“ „Nein, mit denen würden wir nie zusammenarbeiten“ etc. Dies Mal war davon viel, viel weniger, vielleicht machen das die miserablen Umsätze? Besonders gefreut hat mich, dass man dieses crossmediale E-Zeugs nicht mehr als brandneu-und-deswegen-nicht-zu-managen verkauft hat. Die Mehrheit der Buchmenschen möchte diese ununterbrochenen strukturellen Überlegungen hinter sich lassen und endlich mit der konkreten Arbeit beginnen, die dem Kunden dient. Lasst uns hunderte Bücher machen, die man legal in allen deutschsprachigen Ländern runterladen kann, auch wenn’s unterschiedliche Zollbestimmungen und Mehrwertssteuersätze gibt! Oder lasst uns ehrlich sagen: E-Books von dem Verlag X können uns gestohlen bleiben, das ist ein Print-Ding, basta!
Es gab auch Verleger, die meinten „Sorry, liebe Buchhändler, wir brauchen euch nimmer, wir machen jetzt nur noch E-Books und Print-on-demand“ und Buchhändler, die anstatt zu jammern verhandelten: „Wenn ich zum Erfolg von E-Books beitrage, dann will ich auch ein Modell, wo ich mitverdienen kann anstatt bloss draufzuzahlen, weil mein Personal tagein, tagaus kostenlose IT-Beratung für die Verlage macht, die uns angeblich nicht mehr brauchen.“
Nächste Woche werde ich die vielen Messebilder der Kolleginnen, Azubis und meiner selbst sichten und schneiden. Dann gibts von hier aus Links dahin, wo die zu finden sein werden.
PS. Charlotte Roche kann wirklich gut moderieren, sie hat sich sogar für eine relativ schräge Veranstaltung hingegeben und wenn nötig auch zurückgenommen: „Book Fair A-Go-Go“ im Sinkkasten: Die Liste 2011, die Gewinnerin und andere independente Neuigkeiten dazu auf Hot List.