Letzte Woche hatte das Kind Arbeitswoche. Das ist eine Projektwoche, in welcher Untergymnasiasten an einer Stelle ihrer Wahl „schnuppern“ und das Erlebte in einer Semesterarbeit dokumentieren. Das Kind wollte in den Verkauf („nicht Bücher!“). Solche Stellen sind schwer zu finden. Weil diese Schüler keine Lehrstelle suchen, springt für die Geschäfte ausser ein wenig PR nichts raus. Nach einigen Bewerbungen (von der Mutter verdonnert, ganz korrekt mit Lebenslauf und Begleitschreiben) fand das Kind je eine halbwöchige Schnupperstelle bei SportXX und bei Ochsner.
Es war eine lehrreiche Woche, auch für mich. Wer 8-9 Stunden arbeitet, spricht abends im Fachjargon, ich musste oft nachfragen. „Ich habe eine Stunde Damen aufgebügelt, danach zwei Stunden Freizeitschuhe gesichert“ bedeutet, neu eintreffende Frauensportkleider an Bügel und danach an rollbare Kleiderständer zu hängen und Turnschuhe mit einer Diebstahlsicherung zu versehen.
Meine eigene Schnupperzeit ist weit weg. Ich erinnere mich gut an die Praktika, die ich gleich nach der Steiner-Schule bei der Presse gemacht habe. Aber die Wochen und Monate, in denen ich eine Lehrstelle gesucht habe, liegen im Nebel.
Ich habe einen Tag bei einem Anwalt geschnuppert, dessen Namen und Gesicht mir völlig entfallen ist. Ich weiss noch, dass ich dort die Kaffeemaschine nicht bedienen konnte, weil ich damals nur das System Filterkaffee (von Hand abgeschüttet) kannte. Er war höchst ungehalten, dass ich das einzige, was er von einer Schnupperlehrtochter verlagte, (nämlich Kaffe auf seine Bestellung zu richten) nicht beherrschte. Ich bewarb mich danach noch für etliche andere kaufmännische Lehrstellen, aber das meiste habe ich verdrängt. Meine Steinerschulzeugnisse waren Honegger zu unklar, dem Berner Bär waren meine Eltern zu geschieden und die Galerie Kornfeld lobte zwar meine Kunstkenntnis, stiess sich aber am Rest und besonders an meinem Wohnquartier. Bei denen musste sogar die KV-Lehrtochter eine präsentable Adresse haben.
Die Berwerbung und die Schnuppertage in der Buchhandlung gingen mir hingegen leicht von der Hand. Ich packte aus und ein, holte und brachte die Post und half am Ende noch bis tief in die Nacht mit bei einem Büchertisch zu einer überfüllten Lesung mit Niklaus Meienberg („Die Welt als Wille und Wahn“). Es war, als hätte ich nie etwas anderes getan, Meienberg kannte ich schon aus dem WOZ-Praktikum und auch seine Leserschaft war mir vertraut.
Mein zukünftiger Lehrmeister redete kaum mit mir, aber er verspach am Ende der Schnupperzeit, sich bald wegen der Lehrstelle zu melden. Er rief mich einige Tage später an und fragte, was ich nun für Pläne im Leben hätte? Ich wusste nicht recht, was ich antworten sollte, hatte aber auf der Berufsberatung gelernt, dass man keine Gegenfragen stellen dürfe. So entgegnete ich „Buchhändlerin werden“ und das war offensichtlich das Richtige.
Was für ein wunderbarer& unterhaltender Text! Ich wusste übrigens gar nicht, dass du dich für eine kaufmännische Lehre interessiert hast.
Danke. Ja, das KV stellte ich mir spannend vor, ich passte einfach nicht so recht in die Vorstellungsgespräche (damals war man erst mit 20 volljährig und deshalb wollten alle die Eltern kennen lernen und meine Eltern waren dann irgendwie zu schräg).
Ich hatte ja in meiner Buchhandlungszeit auch immer wieder einen Hang zum Backoffice.