Bald Mitternacht, und ich blicke zurück auf eine harte Woche. Einmal mehr konnte die sparsame Schweiz in der NZZ lesen, wie antiquiert und unbeweglich die Buchbranche sei. Der Ton herablassend wie von Bti. gewohnt. Und ganz besonders angebracht in einer Zeit, in der die meisten von uns ihren mickrigen 13. Monatslohn erwirtschaften, falls es dafür überhaupt reicht. Inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben, den Tag zu erleben, an dem die NZZ den volkswirtschaftlichen und kulturellen Nutzen errechnet, den der Buchhandel zu schäbigen Konditionen und Löhnen erbringt, ohne dass sich jemand goldene Türklinken damit verdient. Uns fehlt es ohnehin an Spezialeffekten wie Traktoren und Mistgabeln, um der Konsumenten Aufmerksamkeit zu erhalten.
Wie demonstriert man Vielfalt und Kulturgut? Mit Büchern aus Kleinverlagen eines viersprachigen Landes? Eine Lachnummer.
Zufällig fiel auch (m)ein letzter Arbeitstag in diese Woche. Als Realistin erwartete ich kaum Reaktionen auf meinen Abschied. Ich sehe unsere Zeit als eine, die die Ersetzbarkeit von Angestellten und vor allem die Personenunabhängigkeit von Aufgaben erzwingt. (Ich hatte sogar überlegt, beim letzten Blogeintrag keine Kommentare zuzulassen, um mir die Blamage zu ersparen.) Ich bin sehr gerührt, dass es ganz anders war und sich so viele Leute gemeldet haben, nicht nur im Blog, auch privat. Zum Beispiel eine ehemalige Schülerin, aus der inzwischen eine engagierte und vielseitige Kollegin geworden ist. Und sie hat mir erlaubt, sie hier zu zitieren:
Mir geht es manchmal mit dem Buchhandel etwas, wie Mani Matter mit seinem Verein. Und wenn ich denke, Tanja ist auch noch dabei, bin ich selber auch ganz ganz gerne mit dabei. Keine hat meinen Blick auf den Buchhandel so geschärft wie du, niemand sonst tut es immer wieder mit einer solchen Weitsicht wie du das tust. Es ist einfach mal Zeit, so pathetisch das daherkommt, merci mille zu sagen: Merci mille fois! Ohne dich würde ich meinen (Um)Weg über den Buchhhandel ganz anders gewichten. Das ist nicht wenig.
Der Schweizer Buchhandel hat schon viele schwierige Zeiten überlebt, aber ich frage mich, ob das Volk seine Dienstleistungen nicht als etwas gar zu selbstverständlich nimmt? Die Attacken trotz Zugeständnissen, die für die Branchenmehrheit schwer zu tragen sein werden, lassen darauf schliessen.
Die vergangene Woche war für mich also eine branchenpolitische wie persönliche Zäsur. Doch wenn das Herz blutet, wird Herzblut frei. Und davon kann die Welt gut noch etwas mehr gebrauchen.
Keine Angst, der Gegenschlag des NZZ-Feuilletons kommt bestimmt (liest Du eigentlich nur den Wirtschaftsteil?).
Buchhändler scheinen etwas paranoid veranlagt zu sein: Ausser den Bauern geniesst keine Branche derart viel politisches Wohlwollen – in beiden Fällen langfristig zu ihrem Schaden. Dass der Preisüberwacher und nicht der (einzelne!) Buchhändler die Marge bestimmt, ist natürlich falsch – aber die Schuld trägt der Buchhandel selbst. Man stelle sich einmal vor, die Weinhändler, die auch ein kulturelles Gut verkaufen und unter gewaltigem Margendruck durch die Grossverteiler leiden, versuchten, eine Weinpreisbindung durchzusetzen.
Übrigens: Neben der Konkurrenz durch A* gibts ja auch noch die Konkurrenz durch B(ibliotheken), die erst noch staatlich subventioniert sind. Warum wehrt sich eigentlich der Handel nicht dagegen (d.h. gegen die Subventionierung)?
Zur allgemeinen Information: Wir haben uns mit dem eidgenössischen Preisüberwacher auf tiefere Buchpreise ab Mitte 2006 geeinigt. Damit profitieren die Kundinnen und Kunden von weiteren vier Prozent günstigeren Buchpreisen im Durchschnitt. Für Bücher im oberen Preissegment werden die Abschläge bis zu 10 Prozent betragen. Unsere Branche kalkuliert knapp, fair und konsumentenfreundlich. Besten Dank.
Christoph, wenn du Dreistigkeiten loswerden musst, ist ein sehr persönlicher Beitrag über den Einfluss eines Berufes und einer Branche auf das eigene Leben nicht der geeignete Ort.
Es war eigentlich nicht dreist gemeint; ich habe ja geschrieben, dass ich die durch den Preisüberwacher verhängte Margenkürzung falsch finde. Nicht alle Buchhandlungen werden die quasi erzwungene Kürzung überleben. Eigentlich versuche ich nur, in meinen Augen bessere Alternativen aufzuzeigen. Da das aber offensichtlich nicht erwünscht ist, werde ich mich künftig der Kommentare enthalten, obwohl ein öffentliches Weblog eigentlich von der Interaktion mit Lesern profitieren könnte – auch wenn diese nicht immer die eigene Meinung vertreten.
Und was jetzt?
Christian: Jetzt wird dieses Weblog als der Interaktion unfähig untergehen 🙂
Christoph, falls du inzwischen von der Preisbindung sprichst: Die Zahlen liegen auf dem Tisch, die Alternativen mit Wein und Eiern haben wir zig Mal in der NZZ lesen können, die Antworten der Branche ebenfalls. Die Vergleiche mit anderen Ländern hat das BAK mit dem Prognos-Bericht in Auftrag gegeben, auch dessen Schluss ist klar: Vorteile überwiegen die Nachteile. Ich finde Diskussionen sinnvoll, alledings beginne ich bei einem bekennend fleissigen Zeitungsleser wie dir nicht bei Null. Ich sehe keine Bloggerinnenpflicht, die Berichterstattung der letzten acht Jahre (der Begriff Hochpreisinsel für Bücher ist Ende der Neunzigerjahre kreiert worden) zu resümieren.
Recherchen über die Leistungen der Buchhandels und das, was dank ihm in die Volkswirtschaft zurückfliesst, würde ich definitiv im Wirtschaftsteil suchen, ja.
Bibliotheken sind in erster Linie Kunden, nicht Konkurrenten, weil sie Bücher kaufen und nicht verkaufen. Sie gehören subventioniert, weil sie nicht selbsttragend sein können, jedenfalls nicht solange wir der Chancengleichheit noch nicht vollends abgeschworen haben. Und das können wir uns im Moment dank PISA nicht erlauben. Auch hier wäre die Leistung des Buchhandels eine Recherche wert, die Volksbibliotheken kaufen nämlich nicht im Ausland, sondern schöpfen die inländischen Dienstleistungen aus.
Ich wags nochmals – bei diesem lausigen Wetter sitzt man halt hinter dem Compi. Auch als bekennender Zeitungsleser (wo habe ich das nur bekannt) kenne ich die Diskussion vielleicht etwas weniger gut.
Ich dachte eigentlich, die Analogie mit dem Wein sei neu, jedenfalls finde ich sie eine Überlegung wert; Weinhändler und Weinliebhaber sind nämlich wie Buchändler und -liebhaber Enthusiasten, die nicht bloss dem schnöden Geld nachrennen. Und die Interpretation der (Volks-)Bibliotheken als Konkurrenten scheint mir nicht so abwegig. Ich kenne einige Leute mit solidem Einkommen, die jegliche Lektüre quasi zum Nulltarif in der Bibliothek beziehen, während ich Idiot jeden Roman kaufe.
Und noch ganz kurz zu meinem eigentlichen Punkt (sorry, wenn das schon 100x irgendwo geschrieben wurde): Es soll/kann/darf/muss doch einen (preislichen) Unterschied machen, ob ich mir ein Buch per Internet bestelle, im Laden anschaue und dann kaufe, mich im Laden beraten lasse, am Sonntag im Bahnhofladen als Geschenk einpacken lasse, während der Ferien im Engadin kaufe, weil mir die Lektüre ausgegangen ist; ob ich eine Bestellung für eine Klasse mache etc. etc. Dies sind doch unterschiedliche Leistungen des Handels. Wenn aber die Marge fix ist (und jetzt noch gesenkt wird), werden bestimmte (teure) Dienstleistungen wegfallen (z.B. kleine Dorfbuchhandlungen), während die Kunden, die keine besonderen Leistungen wollen, zu A* abwandern. Das ist einfach nur schade.
Sorry, wenn ich irgendwem den Sonntag vergälle; gegenseitige Aufmunterung ist zugegebenermassen schöner, aber ob man damit überleben kann?
Ich verstehe nicht, warum es im obigen Kommentar einen Teil durchgestrichen hat; ich spreche den Buchhändlern den Enthusiasmus selbstverständlich nicht ab.
@Tanja
Ich meine wohin fliesst es jetzt – das Blut, dein Herzblut? Nach dieser Zäsur.
@Christian: Ich arbeite dies und das. Aber das Herzblut fliesst in die Ausbildungsreform (für Buchhändler/innen und andere Lehrberufe), also in die (möglichst gute) Umsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes.
@Christoph: Das mit dem Durchstreichen ist nicht dein Fehler, WP hatte das Gefühl, du wolltest deleten, weil du -liebhaber geschrieben hast, sorry. Ich melde mich vielleicht noch einmal in Sachen Preisbindung, bitte aber um Verständnis, dass ich a) ein bisschen leer bin und b) noch ziemlich viel Wäsche habe und c) morgen früh raus muss.