Was folgt, ist Lehrerinnen-Alltag pur, es ist also weniger denn je zu erwarten, dass das für andere nachvollziehbar ist.
Ich habe dieses Wochenende neben 14 Tests zum Thema „Sicherheitsaspekte im Buchhandel“ [vom Datenschutz über die IT-Sicherheit bis zum Diebstahl] auch ~30 Semesterarbeiten korrigiert. Thema: Verlagsportrait aus Sortimenterinnen-Sicht. [Notiz an mich: Frag, ob du eine veröffentlichen darfst.] Die Arbeiten waren bis auf wenigste Ausnahmen spannend zu lesen und weitaus umfassender als gefordert.
Dabei hatte ich mich erst am Donnerstag noch wahnsinnig (im Wortsinn, ich fühlte mich Richtung Wahnsinn treiben) genervt. Weil acht nicht abgegeben hatten, weil zu viele Erklärungen zu Fehlendem kamen, weil dort ein Drucker und hier ein PC kaputt war und es für dieses und jenes nicht gereicht haben soll. In Folge des Nervens hab‘ ich ein Mailing an die Lernenden gemacht:
Liebe Leute
Ich schreibe dieses Mail an alle, obwohl es nicht alle betrifft. Einfach dass es ein- für allemal klar ist (falls ich es im August noch nicht ausdrücklich genug gesagt haben sollte).
Fast alle haben die Verlagsarbeit abgegeben, das ist toll.
Sechs Personen waren krank oder verhindert, bei einer habe ich die Arbeit trotzdem bekommen (es gäbe ja auch Kolleginnen und die Post), bei zwei bekomme ich sie morgen. Da ich jemandem eine Fristerstreckung bis Montag gegeben habe, weil die Person keinen PC zur Verfügung hatte und dazu noch krank war, akzeptiere ich das bei den übrigen auch. Was bis Montag am Mittag nicht in meinem Fach liegt, wird nicht korrigiert. Heisst leider: Arbeitsverweigerung und gibt eine „1“. (Ausnahme: Arztzeugnis/Todesfälle im Umfeld.)
Die Bewertungskriterien haben Sie seit Monaten schriftlich, sie sind nicht verhandelbar, das gilt auch für das Begleitmaterial. Ich weiss, dass Sie viel zu tun hatten. Aber Sie hätten jeden Monat eine Seite recherchieren und schreiben können und es wäre immer noch ein Monat geblieben, um das Material zusammenzutrommeln, sofern man es nicht schon bei der Buchmesse hat schnappen können. Bedenken Sie bitte, dass ich meinen ganzen Unterricht so gestalte, dass ich mit dem Stoff durchkomme, ohne dass Sie (abgesehen von Testvorbereitung und dieser Semesterarbeit) je Hausaufgaben zu machen brauchen.
Die Handhabung ist somit klar und transparent. Ich bin in manchen Bereichen sehr wohl bereit, individuell zu reagieren, ich bin auch immer da zum Mailen oder Reden. Aber ich kann und will nicht die Lernenden benachteiligen, die termingerecht abgegeben haben und die sich aktiv bemühen, wenn sie einmal fehlen. Und das täte ich, würde ich mich nicht an die Vorgaben halten.
So, das war die Predigt. Die Hälfte Ihrer Lehre ist jetzt um und ich freue mich auf die zweite Hälfte. Ich hoffe, Sie auch!
Freundliche Grüsse
Logisch, dass das einige Lernenden ihrerseits genervt oder aber aufgeschreckt hat, logisch, dass einige gemotzt haben. Aber ein Reply auf dieses Mail hat mich dann doch völlig unerwartet getroffen:
Liebe Frau M
Wow, das hat mich beeindruckt! Ich muss zugeben, das hätte ich nicht erwartet, echt stark.
Sie sind einfach Klasse.
Liabi Grüassli