JeSuisCharlie: Übersetzungsversuch.

L’art n’est pas à mes yeux une réjouissance solitaire. Il est un moyen d’émouvoir le plus grand nombre d’hommes en leur offrant une image privilégiée des souffrances et des joies communes. Il oblige donc l’artiste à ne pas se séparer ; il le soumet à la vérité la plus humble et la plus universelle.
Albert Camus in seiner Nobelpreisrede im Dezember 1957

Übers. sinngemäss: „Die Kunst ist kein einsiedlerisches Vergnügen. Sie verlangt vom Künstler, sich nicht abzukapseln. Sie ist ein Mittel, die grösstmögliche Zahl Menschen anzurühren.“

Ich kann verstehen, dass manche genug von #jeSuisCharlie haben oder finden, die Franzosen hätten schon nach der Anschlagserie im März 2012 aufstehen sollen, ganz besonders gegen Antisemitismus.
Dass Frankreich gerade diese Tat so enorm erschüttert und mobilisiert, hat viele Gründe: Die französische Revolution, die bis heute in jeder Schule gepaukt wird, die Verfassung, deren Präambel und 1. Artikel jedes Kind auswendig lernen muss:

La France est une République indivisible, laïque, démocratique et sociale. Elle assure l’égalité devant la loi de tous les citoyens sans distinction d’origine, de race ou de religion. Elle respecte toutes les croyances. (…) [Hervorhebung nja.ch]

Ein Vergleich mit uns Deutschsprachigen ist nicht ganz einfach. Familien hier abonnieren sicher nicht Zeitschriften wie „Fluide Glacial“, aber die „Harald Schmidt Show“ hat man auch in dessen schärften Zeiten gern zusammen mit Oma geguckt. Die Karikaturen der Franzosen sind unsere Satire und Polemik in Wort und Schrift. Hätten die Terroristen Dieter Hildebrandt (+), Harald Schmidt, Martin Sonneborn, Anke Engelke, per Zufall noch Fredmund Malik und Peter Schneider umgebracht, konzentrierten wir unsere Voten auch auf sie. Einfach, weil sie repräsentieren, was uns wichtig ist: Wortgewalt als Kunstform, Frechheit, Freiheit, Demontage jeglicher Autorität.

Es gibt viele bessere Frankreichkennerinnen als mich. Ich schreibe das, weil ich mir sehr wünschte, dass wir Deutschsprachigen heute und für lange Zeit entschieden an der Seite Frankreichs bleiben, das Land hat riesige Aufgaben zu bewältigen. Und diese unterscheiden sich kaum von unseren Herausforderungen, selbst wenn wir – inshallah – bis jetzt kein vergleichbares Trauma haben. Radikalisierung und Faschismus zu begegnen, ist erschütternd. Menschen auf dem Weg dahin im Alltag immer zu widersprechen und sich endlos zu erklären, ist so ermüdend. Wenn ich an die Angst beim Verkauf der „Satanischen Verse“ als junge Buchhändlerin denke und an die Kinder, die mir im Laufe meiner Ehrenämter viele Spuren von Misshandlung gezeigt haben, fühle ich mich nur noch ausgelaugt.
Doch leider gibt es nichts, was wir sonst tun können, ohne zu verraten, was wir verteidigen.

3 Gedanken zu „JeSuisCharlie: Übersetzungsversuch.“

  1. … etwas off-topic, aber trotzdem: MO, DI, MI, jeweils 17:30 Uhr im Kino im KunstMuseum: Der Antiquar am Hirschengraben. 25 Minuten Film, die entspannen, kurzfristig ganz einfach glücklich machen und vorübergehend alles Mühselige vergessen lassen. Die Macht des Wortes, zwischen Buchdeckeln verborgen. Sie sowieso, als Büchermensch. Sie haben keine Zeit? Man muss sich Zeit nehmen, sonst hat man eh nie Zeit …

  2. „(…) Comment la faire fructifier ? C’est tout simple : combattre, tous les jours, ici et maintenant, demain et plus tard, avec force, avec patience, la peste identitaire. Chacun a droit à sa patrie, à sa religion, à sa tradition, à ses racines. Personne n’a le droit de les imposer aux autres. Le principe qui nous réunit le plus, les Français l’ont dit avec force, c’est l’acceptation des différences. Les cinglés du dogme, les exaltés du nationalisme, les adversaires de la Raison sont les fauteurs de trouble (…)“
    Aus dem heutigen Editorial von Libération

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