Sticheleien

Marjane Satrapi, Sticheleien
Satrapi, Marjane
Sticheleien
Editon Moderne 2005

Satrapi hat sich mit ihrer Biografie in mein Herz erzählt, ich hatte sofort das Gefühl, sie zu kennen. Aber das war nicht wichtig, denn es ist vielen so ergangen, das Zutun der Buchhändlerinnen war nur am Anfang nötig. Ähnlich wie Spiegelman mit „Maus I + II“ gelang es Satrapi, die Leute mit einem Comic in Bann zu ziehen und gleichzeitig weltweit gute Rezensionen zu bekommen. Es ist nicht einfach, nach einem solchen Erfolg erneut ein richtig gutes Buch zu machen. Aber sie kann das eben.
Die „Sticheleinen“ wirken im allerbesten Sinne aufklärerisch: Glaube nichts. Schau selber! Satrapi bleibt zwar bei ihrem autobiografischen Erzählstil, aber weil sie nicht die Protagonistin ist, macht sie den Vergleich mit ihren Bestsellern schwierig und schafft sich so ein altes neues Feld.
Ein kleiner Prolog über den Samowar, dem morgens, mittags und abends eine völlig unterschiedliche Bedeutung zukommt und ein paar Betrachtungen über die Launen ihrer opiumsüchtigen Grossmutter, leitet die Rahmenerzählung ein. Nach einem Festessen waschen die Frauen gemeinsam ab, Marjane kümmert sich um den Tee, denn das ist ihre Aufgabe (daher auch der Samowar-Prolog). Danach sind alle bereit für ihre grosse Leidenschaft: das Gespräch. Jungfernhäutchenreparaturen, Heiratsschwindeleien, Schönheitsoperationen, missratene Kinder, Leben im Exil, Rache, Sex, Quacksalberei und Sehnsucht – das ist der Stoff, aus dem die hingebungsvollen Binnenerzählungen gemacht sind. Sie reihen sich trotz verschiedenster Erzählperspektiven nahtlos, ohne das kleinste Stolpern aneinander, als wären wir Lesenden ein Teil davon. Und das ist Satrapis Begabung für die sequenzielle Kunst.
Wie gesagt, ist Marjane Satrapi eine kluge Autorin und Zeichnerin. Wenn sie gegen Klischees antritt, tut sie das ohne dass es auf ihrer Fahne steht. In „Sticheleien“ lässt sie Frauen bloss Kieselsteine auf das Glashaus der Vorurteile werfen. Aber sie treffen gut genug, um es zu zerbrechen.

2 Gedanken zu „Sticheleien“

  1. Pingback: kblog
  2. @kblog: Danke für den Link und die Werbung für Persepolis durch die Besprechung (die ich leider nicht kommentieren konnte). Ein Comic, dem man nicht genug Publizität einräumen kann, v.a. seit der Steinzeit-Regierung im Iran.

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