Wochenbilanz IX: Deutsch in der Romandie

Wie bereits bildhaft gestreift, war ich letzte Woche zu Besuch an der BFB, einer zweisprachige Berufsfachschule in Biel. Neben dem Austausch mit Lehrpersonen und der Besichtigung des Schulgebäudes, interessierte mich der Deutschunterricht. Wie die hier mitlesenden Schweizer wissen, ist das Erlernen der anderen Landessprache(n) ein bildungs- und staatspolitischer Konflikt. Im realen Leben kann man den Menschen dazu nicht allzuviel befehlen, weshalb Englisch für alle Landesteile die wichtigste Fremdsprache bleibt oder gar laufend wichtiger wird. Ausser natürlich in staatlichen oder politischen Gremien, wo ausser mit ausländischen Besuchern nie Englisch gesprochen wird. Das ginge auch gar nicht, dieser restringierte Code der föderalistischen Schweiz existiert nur in den Landessprachen.
Ich habe den Einblick in den Deutschunterricht in der Romandie mit Spannung erwartet, ich hatte keine Ahnung, wie das läuft. Den Französischunterricht für Deutschsprachige kenne ich hingegen bestens, in meinen Abteilungen sind vier Französischlehrerinnen beschäftigt, die ich regelmässig in den Klassen besuche. Ich habe im Deutschunterricht für die Romands folgende Erkenntnis gewonnen:

  • Ein Aufenthalt in der der deutschsprachigen Schweiz ist bei jungen Romands seltener als bei ein Aufenthalt von Deutschschweizern in der Romandie. Wir haben pro Klassen immer mindestens jemanden, der ein „Welschlandjahr“ gemacht hat, an der BFB kommt das praktisch nicht vor. Das ist für den Unterricht relevant, weil die, die schon im anderen Landesteil gelebt und geredet haben, Wichtiges zum Unterricht beitragen und die Lehrperson automatisch unterstützen, weil sie der lebendige Beweis für die Relevanz des Faches sind.
  • Bilingue Schüler gab es in den Klassen – etwa gleich viele wie bei uns. Auch diese können wichtige Vermittler einer Sprache sein. Allerdings hatten sie Mühe mit dem „Schul-Deutsch“, denn sie lernen diese Sprache ja im Alltag, häufig auch nur einen Dialekt. Aber das gibt es bei uns umgekehrt auch. Bei uns gab’s auch schon Lernende mit dem schönsten Französisch, die dann „JE“ als „Jö“ geschrieben haben.
  • Eine Sprache auf einem bestimmten Niveau zu sprechen ist eines, ich hab’s ich in der Integrationsarbeit recht gut gelernt. Aber eine Sprache auf einem bestimmten Niveau zu schreiben, fand ich sehr schwierig. Lehrerinnen haben natürlich Musterlösungen vom Schulbuchverlag und müssen selten selber dichten. Ich habe trotzdem versucht, eine Aufgabe der Fachleute Kundendialog im 3. Lehrjahr zu lösen. Es Es handelte sich um eine Notenarbeit auf Niveau B1 mit einem Zeitbudget von 25 Minuten.

  • Aufgabe: Sie haben im Fernsehen eine Diskussionssendung zum Thema „Sind junge Menschen heute schlecht erzogen?“ gesehen. Im Online-Gästebuch finden Sie folgende Meinung:
    Erich, 12.1.2014 / 18:31
    Die meisten jungen Leute denken nur an sich selbst. Sie achten nicht auf ältere Menschen, sind unhöflich und sprechen lieber mit ihren Mobiltelefonen als mit wirklichen Leuten. Das finde ich schade.
    Aufgabe: Schreiben Sie nun Ihre Meinung darunter. (Ca. 80 Wörter, bitte selber zählen und die Anzahl unten hinschreiben.)
    Meine Musterlösung:
    Das glaube ich nicht. Die Jugendlichen von heute sind anders erzogen. Oder sie müssen sich selber erziehen. Sie wissen wenig über die Höflichkeitsregeln. Dafür sind sie sehr flexibel und hilfsbereit. Sie stehen nicht von alleine auf, wenn ein älterer Mensch einsteigt. Sie haben oft Kopfhörer in den Ohren und merken nicht sofort, was passiert. Aber wenn man sie anspricht, nehmen sie schnell die Kopfhörer ab. Und wenn man sie bittet aufzustehen, machen sie es sofort. Viele entschuldigen sich auch für ihre Unaufmerksamkeit. (81 Wörter)

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