Überzeugungen über Generationen

Es ist meine tiefe Überzeugung, dass es nützt, wenn ich den anderen verstehe, ganz unabhängig davon, ob ich seine Meinung gutheisse oder gar richtig bissig werde. (Ehe Inkongruenz mit anderen Blogbeiträgen auftaucht: Gewalt ist explizit ausgenommen.) Ist mir kein Hauch Verständnis für das Problem möglich, halte ich in der Regel den Mund.
Selbstverständlich kommt auch das Kind in den Genuss meiner Überzeugung. Es ruft dann regelmässig entgeistert, warum ich nicht wie andere Mütter sein könne? Gopf! Die fragen auch nicht nach der Bedeutung von Musiktexten und verdächtigen reine Vorbilder als reine PR-Maschinen! Für die ist ein Rapper ist ein Rapper ist ein Rapper. Und die beschweren sich auch nicht beim Popcorn, wenns falsche Checklisten zur HIV-Ansteckung publiziert. Welch ein Segen!
Jedenfalls habe ich gerade wieder einmal Verständnisschwierigkeiten abzuarbeiten, es geht um die Notwendigkeit von dreissig SMS am Tag. Weniger aus finanziellen denn aus sozialen Gründen. Mit Kommuniaktionsbereitschaft meine ich nämlich den Einbezug der Familienmitglieder, während das Kind darunter die Kommunikation unter Ausschluss der solchen versteht, auch am Esstisch und während der nur noch flatterhaft ausgeführten Hausarbeit.
Ich habe also die Nacht genutzt und auf der Suche nach Verständnis zuerst einmal meine eigenen bestens erhaltenen Papier-SMS aus der säurefreien Schachtel geholt. Die ist übrigens der Beweis dafür, dass der Verständnis-Tick vererbt ist, denn welche Mutter (ausser meiner) archiviert die privaten Zetteleien der Tochter ungeöffnet und säurefrei für alle Ewigkeit?
Mein Lieblingsfundstück ist dieser beidseitig beschriebene Thumbnail (hier stark vergrössert) meines ersten Freundes. In unvermeidlichem Dialekt, wie das auch bei der heutigen Jugend noch Gang und Gäbe ist:
SMS anno 1981, 1. Seite
SMS anno 1981, 2. Seite

7 Gedanken zu „Überzeugungen über Generationen“

  1. Hei, so cool! Ich habe auch eine Schachtel, keine säurefreie, mit solchen Zettelchen, Schwesterherz. Aber ich finds trotzdem gut, bezahlst du deinem Kind seine SMS.

  2. Gell cool, aber ich weiss gar nicht, ob das Deutsche verstehen, was S. geschrieben hat. Und auch mit der Übersetzung tue ich mich schwer:

    Der Scheiss ist, dass [Vorname der Eltern] wahrscheinlich sagen werden, ich dürfe nicht. Aber ich probiere zu streiten. Gruss, S.

    Aber „stürme“ ist eben nicht einfach streiten, sondern eine Mischung zwischen Streit und Schnorrerei. Das was Kleinkinder machen, wenn sie im Laden Spielzeug oder Süssigkeiten wollen.

  3. zermürben?
    Jedenfalls würde ich das aus Elternperspektive so übersetzen.
    Alternativ – je nach Kontext – auch löchern, nicht locker lassen, hartnäckig bleiben.

  4. Ja, Katia, zermürben kommt schon sehr, sehr nahe! „Stürme“ geht allerdings nur mit Worten, zermürben geht auch non-verbal, oder?

  5. t(an)ja, … 30 sms pro tag (nicht schlecht I. !) … wenn ich da an die verzweiflung der oben beschriebenen eltern denke, wegen der damaligen horrenden telefonrechnungen (die auch nicht ich zahlen musste) … hmmmh … mit „Einbezug der Familienmitglieder“ war da auch nicht viel, und schon gar nicht erwünscht meinerseits!
    ich kann mich erinnern, wie brigitt jeweils sagte: „in der zeit wo du da am quatschen bist, wärst du schon längst in den gäbelbach gefahren (das sind ca. 17 km), und überhaupt, ihr seht euch doch morgen in der schule!“
    … bring ihm doch bei wie skype ( http://www.skype.com/ ) funktioniert, schenk ihm ein headset für den compi, und fertig ist der lack. der mit dem einbeziehen der familienmitglieder würd‘ ich mir abschminken … würde ihm dann eh kein‘ spass mehr machen.
    gruss vom zettelschreiber

  6. Sasha, skype kennen wir, Headset haben wir. Als mittelständisch aufgeklärter Haushalt mit Broterwerb in der IT mangelt es dem Kind nicht an Alternativen. Aber ein Handy ist einfach besser, es ist wie dein kleines, eigenes Haus und das wollen und brauchen Jugendliche.
    Mit Einbeziehen meine ich nicht in die Korrespondenz mit der Liebsten, sondern damit meine ich, dass ich zwischendurch kommunikativ angemessen behandelt werden will. Und das habe ich nicht zuletzt bei deinen Eltern gelernt, dass man das durchaus verlangen kann 🙂 Ich lasse sie übrigens herzlich grüssen! Dich natürlich auch.

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