Der Deux-Chevaux ist 60. Als ich ein Kind war, hatten wir glaub‘ ich einige davon, man weiss das ja irgenwann nicht mehr so genau.
Sicher ist, dass unser Bedarf an Autos gross war, denn wir erwarben sie auf dem Schrottplatz. Der lag nicht etwa am Stadtrand, sondern irgendwo hinter den sieben Bergen inmitten einer saftigen, grünen Wiese. Zum Autokauf ging ich immer mit. Wenn das alte Auto noch fuhr, fuhren wir auch, wenn nicht, liessen wir uns von einem anderen hinschleppen.
Dieser Autofriedhof wurde vom wortkargsten Menschen meines Lebens liebevoll betreut. Er widmete sich den halb und ganz toten Deux-Chevaux, R4 und Käfern hingebungsvoll. Wenn wir kamen, machte er höchstens eine kleine Bewegung mit dem Kopf und mein Vater wusste, wo er das alte Auto hinstellen und wo er das neue Auto suchen musste.
Hatten wir uns dann entschieden, welches Exemplar wir wiederbeleben wollten, drückte mein Vater dem Wortlosen ein kleines Röllchen Hunderternoten – vielleicht drei, vier – in die Hand, worauf dieser einen kleinen Segen murmelte. Dann füllten wir den neuen Tank aus einem mitgebrachten Benzinkanister, der Wortlose und ich schoben an und auch mein Vater – am Steuer sitzend mit einem Fuss. Wenn der Motor ansprang, drehten wir eine Runde, wenn nicht, werkelten die beiden weiter, während ich in anderen, möglichst grösseren Autos spielte. (Ich glaube, einmal hatte es sogar einen R10 dort, den ich mir als meine Villa vorstellte. Einige mögen denken, das Leben von Hippiekindern sei besonders interessant gewesen und das mag im Rückblick stimmen. Aber damals kam es mir – und nicht nur mir – einfach so vor, als würde die Kindheit aus Warten bestehen. Ich hatte genügend Platz, Freiheit und Phantasie, die Zeit zu überbrücken, aber es blieb eben Warten. Und das ist ein Unterschied zur heutigen Kindheit, in der das Warten eine völlig untergeordnete Rolle spielt.)
Für unsere lange Reise nach Indien suchten wir ein etwas besseres, teureres Auto aus. Das war ein Dyane (in Berndeutsch unerklärlicherweise männlich), eine hellgelbe „Kastenente“. Die Dyane erfreut mit ihren 41 Jahren diesen Frühling immer noch viele Nostalgiker und macht auch mich ein wenig sentimental.
Aber davon ein anderes Mal.
Auch das Leben der Frauen der Hippies bestand aus Warten.
Mit der Zeit konnten sie dafür einen Döschwo-Motor von einem VW-Motor auf Kilometer Entfernung unterscheiden. Sie sind noch heute ein bisschen eigenartige Mitfahrerinnen, trauen dem neuesten Auto nicht, steigen nur in Wanderschuhen ein und sind so ausgerüstet, dass sie ein paar Stunden irgendwo im Nihir warten könnten, falls …
Solche Schrottpaläste kenne ich nur aus weiter entfernten Erzählungen – nicht aus so nahen Erinnerungen. Die Mitbewohnerin hatte selbst mal etliche Jahre einen 2CV, bevor er dann in Hände gegeben wurde, die ihn besser zu würdigen wussten als die unseren (die wir nur selten Auto fuhren und auch gar keines haben). Es war ein edles und schlichtes Gefährt. Schnell fahren wollten wir eh nicht.
In diese Kategorie gehörte auch der Fiat Topolino, in der Schweiz liebevoll troppo chlino (oder troppo clino) genannt. Wer erinnert sich noch?