Mein Streiktag begann 06.50 in Neuenegg. Die Initiantin dieser Aktion war von der Gemeinde aufgefordert worden, das selbstgemachte Streikplakat von ihrem eigenen Balkon zu entfernen. Dies mit der Begründung einer fehlenden Baubewilligung und weil es die Verkehrssicherheit tangiere. Mein Start auf dem Dorfe verschaffte mir die Gelegenheit, mehrmals die Frage nach dem „warum gerade da?“ zu beantworten und diese typische Geschichte zu erzählen, die sich immer und überall in der ländlichen Schweiz so zutragen könnte, wenn eine Frau eine nicht opportune Meinung kundtut. Dank Internet können wir fadenscheinige Argumente heute parieren, kommunizieren schneller und lassen uns weniger auseinanderdividieren – ich empfinde das als grossen Fortschritt. (Bild: Franz Schweizer, Kultur Neuenegg.)
Um 11.00 Uhr traf ich dann die wichtigsten Frauen in meinem Leben am Bärenplatz in Bern: Meine Mutter und meine Schwester.
Eine lila Welle spülte uns vors Bundeshaus, wo die Parlamentarierinnen für die Gleichstellung pausierten (ein eiligst eingereichter Ordnungsantag, diese Pause zu verbieten, war vom Parlament klar abgelehnt worden). So viele da, die wir kannten! Wiedersehen, Freudentränen; Erinnerungen an den Frauenstreik 1991 und die Demonstrationen im Kampf um einen Bundesratssitz für eine Sozialdemokratin erwachten. Es wurde uns bewusst, wie viel wir seither in die Frauenwahl investiert, wie oft wir verloren und doch auch gewonnen haben. Jede von uns hat Vorbilder in der Partei, die unbirrbar, geschickt und unter grossen persönlichen Opfern den Weg ebneten: Danke Emilie Lieberherr, Liliane Uchtenhagen, Christiane Brunner und Ruth Dreifuss sowie unzählige Politikerinnen heute. Danke auch meiner Mutter, die verlässlich unser aller Einsatz dokumentiert.
«Ich arbeite, damit meine Freundin streiken kann» – diesen Sticker brachte ich nachmittags in unserem Schulsekretarait vorbei, wo sechs Frauen in enormem Tempo und lila T-Shirts Prüfungsresultate verarbeiteten und nebenbei auch sonst noch eine Menge Probleme lösten. Danach schaute ich rasch im Chinderchübu rein, wo die „Soli-Männer“ einen tollen Tag mit Betreuungsangeboten von Fussballturnier über Verkleidungsaktionen bis zum Vegi-Zvieri boten, einerseits in bester KITA-Manier und andererseits auch als Ort des Austausches für Väter. Meine Begegnung mit den streikenden Lehrerinnen von unserer Schule vor dem grossen Umzug durch Bern gehört zu den Highlights, wir hatten einander noch nie in dieser Formation getroffen, 13 Berner Frauen aus allen Generationen und Fachschaften. Nicht nur die Fotos via Social Media, sondern auch ein Gefühl des Aufbruchs verband uns mit den Kolleginnen, die in Burgdorf, Biel, Freiburg, Basel und Zürich mitliefen, mitsangen und mittanzten.
Ich beendete den Umzug mit meiner extrem engagierten Nichte, die bereits eine sehr reife Meinung zu feministischen Anliegen hat und von der ich glaube, dass sie unsere Tradition für Frauen- und Menschenrechte, die bei ihrer Ururgrossmutter in Bösarni begann, fortführen wird. Im Kosovo, in der Schweiz, in der Welt: Gleiche Rechte für alle.
Vielen Dank für den Bericht und den Link zum anderen Blog!