Mahlzeit

-Welches ist dein Lieblingsbuch?
Kann ich nicht sagen. Viele.
-Welches ist dein Lieblingsautor?
Dürrenmatt.
-Welches ist dein Lieblingskomponist?
JC.
-Welches ist dein Lieblinsinterpret?
JC. Also dem sein Gesamtwerk würde ich auf die Insel nehmen. Und welches ist dein Lieblingsbuch?
„Der Roman eines Verbrechens“, die klassischen 10 Bände der schwedischen Kriminalliteratur. Von Maj Sjöwall und Per Wahlöö.
-Welches dein Lieblingsautor?
Dürrenmatt und Goethe (und Andrew Vachss).
-Welches dein Lieblingskomponist?
Mozart.
-Welches dein Lieblinsinterpret?
Freddie Mercury. Frag mich noch, wie die erste Schulwoche war.
-Ich frage dich hiermit.
Schnell. Sehr schnell.

Gnade vor Recht+Freiheit

Herausgegeben vom Presseclub Schweiz erscheint vier Mal jährlich eine rechtsextreme Zeitung „Recht+Freiheit“: „Kopieren – verbreiten – Besellen Sie weitere Exemplare dieser Zeitung.“ (Daher habe ich beim Folgenden auch keine Urheberrechtsprobleme.)
In Ausgabe Nr. 3 vom August 2005, sucht J.J. Kariger aus Limpertsberg, Luxemburg, Hilfe bei Mitlesern. Er schreibt:

Verarmung der geistigen Schweiz. Conrad Ferdinand Meyer unbekannt!
Neulich fuhr mir ein gelinder Schreck durch die Glieder, der mich noch nicht ganz verlassen hat. Ich fragte bei meinem Buchhändler, übrigens ein Mann, der vollkommen auf der Höhe seines Berufes ist, nach den gesammelten Werken des Schweizer Novellisten und Dichters Conrad Ferdinand Meyer. Nach zwei Tagen vergeblichen Suchens (…) meldete er mir mit enttäuschtem Gesicht, er habe, ausser einer kurzen biographischen Notiz aus der Schweiz, von Veröffentlichungen gar nichts gefunden. Anfangs wollte ich ihm das nicht glauben; jenes herrliche Talent begleitet mich seit Schultagen durchs Leben; (…) Wie war das möglich? Ich wähnte ihn in mehr als einer Reihe gepflegter deutschsprachiger Klassiker – und nun schien er wie von einem bösen Geist aus dem Repertoire der Unsterblichen einfach gestrichen?
Welche Geister entscheiden über ein solches Fortleben? Sind es etwa dieselben, die in Stockholm der übelsten Pornographie, den Holocaustphantasten oder den farbig-rassistischen Romanschreibern die höchsten Preise nachschleudern? (…) Über dem Europa der Korruption und der Sodomiten steht auch künstlerisch-literarisch kein guter Stern. Vielleicht kann dieser oder jener Leser mich über das Vorgebrachte weiter aufklären? Ich wäre ihm sehr dankbar.

Sehr geehrter Herr Kariger, obwohl ich eigentlich keinen Nachtdienst mache, will ich Ihre Anfrage – angesichts Ihrer Not – dringlich behandeln. Conrad Ferdinand Meyer, auch in meinen Augen ein begnadeter Dichter, ist als solcher noch unter uns und wird gelesen, sogar als Klassenlektüre. Die Gesamtausgabe erscheint im Benteli Verlag. Folgendes würde gemäss meiner Einschätzung Ihrem Wunsch am besten entsprechen:

Conrad Ferdinand Meyer, Leseausgabe in 7 Bänden
Besorgt von Hans Zeller (Gedichte) und Alfred Zäch
Jeder Band gebunden mit Schutzumschlag
12,5 x 20 cm
ISBN 3-7165-0201-4
CHF 280.00
Artikelbeschreibung: Diese Leseausgabe beruht auf der historisch-kritischen Ausgabe der Werke in 15 Bänden, erschienen 1985–1996. Die Bände enthalten Faksimiles von Gedichthandschriften, die Meyers Arbeitsweise vor Augen führen, Reproduktionen der Titelseiten von Erstausgaben und anderen Dokumente sowie eine Zeittafel zu Meyers Leben und Werk.

Sollte Ihnen das – was ich allerdings nicht glaube – zu teuer sein, sind die bekannten Werke sowie die Balladen und Briefwechsel einzeln und teilweise in kostengünstigeren Ausgaben erhältlich. Auch antiquarisch könnte ich Ihnen einige Dutzend gut erhaltene Ausgaben anbieten.
Bitte erlauben Sie mir die Bemerkung, dass ich begründete Zweifel am Fachgeschäft hege, das Sie aufgesucht haben. Beherzigen Sie meinen Rat und wechseln Sie den Buchhändler.
[Brauche ich eine Kategorie Zensur und Desinformation? Mausert sich zum Dauerbrenner.]

ausgepackt

Die Packerin hat aufgehört, heute nehme ich sie schweren Herzens von der Blogrolle. Mir schien oft, wir hätten nicht den selben Beruf. Und so ist es auch. Die Arbeit vorne an der Front unterscheidet sich wesentlich von der Arbeit im Reduit.
Zur Derniere kommt aus dem Packraum noch eine letzte Knacknuss:

Präsens
Wenn ich ein Buch auswähle, habe ich ein ganz einfaches Kriterium: ich lese nichts, was im Präsens geschrieben ist. Das sind nämlich entweder
a) langweilige, hochliterarische Werke oder
b) heitere Romane für frustrierte Hausfrauen oder
c) im Eigenverlag erschienene Ergüsse

Ich habe viele Proben aufs Exempel gemacht und es gibt Ausnahmen. Aber Buchhändlerinnen müssen in Schubladen denken und da taugt die Faustregel erstaunlich gut. Wegen solchen Sachen und Erinnerungen an Urzeitkrebse und wegen der Design freien Zone und auch wegen der bissigen Verteidigung von Blogcontent, werde ich den Packraum vermissen.
Wenn etwas aufhört, muss ja etwas anderes anfangen: Zum Beispiel die Antithese zum Weltjugendtag: Werbung für Aufklärung mit Herr Schmidt-Salomon.

Little Lhasa, 1979

Es war ein strahlend schöner Tag, das goldene Dach der Bibliothek glitzerte in der Sonne, die roten Vorhänge leuchteten und das Kloster erhob sich bunt ins Hellblau des Himmels. Wir Kinder sprangen über Gräben und Bäche, balancierten über Mäuerchen, duckten uns unter Gebetsfahnen hindurch und spielten hinter den kleinen Steinstupas Verstecken. Wenn einer Pilgerin ein Zipfel Tsampa aus der Tasche lugte, kicherten wir hinter ihrem Rücken und warteten, bis sie sich das nächste Mal flach hinlegte, um zu sehen, ob er nun dieses Mal herausfiel. Das letzte Stück zum Tempel legten viele so zurück, zuerst stehend, die Handflächen vor der Brust aneinandergelegt, dann sanken sie auf die Knie, liessen die Hände bis ganz nach vorne in dne Staub gleiten und legten zuerst den Oberkörper dann den Kopf vollständig auf den Boden, um sich ausatmend wieder zu erheben und ein Fussmass weiter zu sein. Von Wegrand aus betrachtet, wirkten die Pilger wie eine grosse Woge, die sich im schimmernden Licht den steilen Hang hinauf bewegte. Wir Kinder sprangen mitten hinein und darin herum, manche Pilger liessen sich von uns nicht stören, andere verscheuchten uns mit Zischen oder schnellen Bewegungen, so wie die penetranten Affen der Region. Ein Mönch winkte uns zu sich und schenkte uns Kandiszucker, den er sorgfältig aus einem kleinen violetten Beutelchen verteilte, damit auch wir endlich die Feierlichkeit des Anlasses erfassten.
Unsere Eltern waren Teil dieser Menge aus betenden Tibetern und gestrandeten Europäern, die in Begeisterung ausbrachen, als der Dalai Lama vor dem Eingang des Klosters erschien. Alle warfen weisse Gebetsschleier von hinten nach vorne, Reihe um Reihe. Wir sprangen auch hoch und versuchten möglichst viele Schleier zu erwischen und weiterzugeben. Da drängte sich die Mutter meiner Freunde zu uns durch und fädelte sich mit der kleinen Lobsang auf dem Rücken und ihren beiden Kindern Tenzin und Ghesa in eine Reihe ein, von der ich nicht erkennen konnte, wohin sie führte. Ich weiss nicht mehr, wie ich selber in diese Menschenschlange hineinkam, jedenfalls wurde ich vorwärts geschoben bis ich schliesslich vor dem Dalai Lama kniete, ihn über mein weissblondes Haar kichern hörte, seine Hand auf meinem Kopf fühlte und gesegnet weiterstolperte, um wieder spielen zu gehen.
Und wenn ich dieser Tage über die vielen Begegnungen mit dem Dalai Lama lese, denke ich an McLeod Gunj und muss lachen über dieses Mädchen, das keine Eintrittskarte und überhaupt gar nicht zu suchen brauchte.

Kiffen neben der Schule

Kiffen und eine Lehre machen sind zwei Tätigkeiten, deren Auswirkung Züge einer klassischen Tragödie haben, da sie einander je widerstreben. Dafür gibt es etliche Gründe. In den Handwerksberufen ist Kiffen ein Unfallrisiko. Lehrfirmen, die ihren Lernenden vertrauen und Auto- oder Ladenschlüssel übertragen wollen, brauchen allseitig klare Köpfe. Im Detailhandel sind bekiffte Anprechpersonen unzumutbar und auch im Büro sind die bekifft ungenutzen Ausbildungsstunden ein Affront gegen alle, die auf eine Lehrstelle warten.
Ich bin frustriert darüber, wie viele Lehrerinnen und Lehrer auf bekiffte Lernende überhaupt nicht reagieren. Dank dem Eintrag in Herr Raus Lehrerzimmer habe ich mir wieder einmal Gedanken zum leidigen Thema gemacht. Auch zur Legalisierung, die in der Schweiz von vielen gefordert und in der Politik aktiv diskutiert wird (ich selber gehöre noch zu den Unentschlossenen).
Grundsätzlich wird das Kiffen in unserem Kanton toleriert. In vielen Berner Schulhäusern ist das auch ums Schulhaus herum so („man kann nicht viel machen…“). Manchmal fühle ich mich schon nach einem Besuch des Pausenplatzes irgendwie stoned, so geschwängert ist die Luft. Unsere Schule gehört allerdings nicht zu den Toleranten, der Konsum illegaler Drogen wird geahndet und es gibt ein Alkoholverbot für das ganze Schulgelände.
Vor einiger Zeit hatte es eine kleine Gruppe auf dem Pausenhof, die Selbstgedrehte rauchte, ich habe nicht weiter auf sie geachtet. Bis mir ihr „ich mach was Verbotenes“-Ausdruck auffiel. Da bin ich einmal näher getreten und habe freundlich gefragt, ob sie wissen, dass sie von der Schule fliegen? Nein, nein, das sei nur etwas spezieller Tabak meinten sie. Ich lächelte mein strahlendstes Lächeln (hab ich im Verkauf gelernt) und antwortete, jawohl, wunderbar, ich würde die Kippe gerne ins Labor mitnehmen. Diese Gruppe habe ich nie mehr zusammen rauchen sehen. Das tun sie jetzt nicht minder, aber ausserhalb und das war mein Ziel. Kiffen geht nicht zusammen mit Schule, siehe oben.
Meine wichtigste Frage lautet: Wie könnten Schulen reagieren, wenn Kiffen legal würde? Haben sie eine realistische Chance, es trotzdem und aufgrund der eigenen Hausordnung zu verbieten und das auch noch zu kontrollieren? Man könnte es machen wie die SBB, die nicht zuletzt deswegen die Raucherwaggons gänzlich abgeschafft hat. Allerdings müsste man bei einem Rauchverbot mit breiter Opposition aus dem Lehrerzimmer und den Chefetagen rechnen.
Und was wäre, wenn wir durch den Geburten- und Lehrstellenrückgang in eine stärkere Konkurrenzsituation mit anderen Schulen kommen? Wer hat bei Legalisierung die besseren Karten? Die Schulen, die Kiffen wie bis jetzt das Rauchen behandeln (nicht unter 16 Jahren) oder die, die es verbieten?

im Grunde erfinderisch 2

Im Mai hat mich die Redaktion vom „forum der rudolf steiner schule bern und ittigen“ auf dieses Weblog angesprochen. Daraus ist nun etwas geworden.
Den ersten Teil des Beitrags schrieb Bruno Vanoni, das Interview im zweiten Teil führte ich mit mir selber.
Ich fand es nicht ganz einfach, den Internet-skeptischen Leserinnen und Lesern das Bloggen und meine Einstellung zum Netz zu erklären, ohne zu heucheln. Und viele von ihnen kannten mich als Schülerin oder waren gar meine Lehrerinnen und Lehrer.
Umso mehr haben mich die guten Reaktionen gefreut. Vielen Dank dafür.
Hier der gescannte Beitrag als PDF.

Medien-Nachlese

Uff, ich habe mich durchgelesen. Es hat etwas von Suchtverhalten, die während des Ferienmonats erschienen Wochenzeitungen nachzulesen. Doch allein dank dieser Informationsverlustangst verstand ich sofort die Schlagzeile im heutigen „Bund“ „die Berner machens wie die Bayern“ und kam nicht auf dumme Gedanken.
Ja, die Kinder dürfen hier im Bernischen immer noch „Handy“ „Telephon“ schreiben, auch wenn der 1. August vorbei ist. Aber ich sage euch, gehet hinein in die Schulstuben und ihr werdet sehen, dass sich kaum jemand einen Deut um die paar Wörtlein schert. Das Kind (das meinige) hat reglmässig Diktatvorlagen aus den Sechzigerjahren, die älteste war Jahrgang 1963.
So hat Bayern wie erwartet das Bundesländer-PISA-Ranking wieder wuchtig gewonnen (SPIEGEL 29 vom 18.7.) und steht mit 533 Punkten noch vor der Schweiz (527). Doch der Leistungsdruck sei enorm, sagen Elternräte und Lehrer (in einer anderen, in der Toilette verlegten SPIEGEL-Nummer) und das wiederum legt die Frage nach anderen Statistiken nahe, zum Beispiel Suizid und Suizidversuch. Nun denn, wir sollten uns so oder so für alle freuen, die klug statt dumm gemacht werden.
Dazu habe ich auch noch einen nachgelesenen WOZArtikel (Thema: Kleinklassen-Bashing) in der Pipeline, aber der hat mich so geärgert, dass ich ihn vor dem Kommentieren besser noch einpaarmal überschlafe. Oder es vielleicht ganz sein lasse. Wobei solchem Quark einfach widersprochen werden muss.