Mikrokosmos Auffahrt

Unsere Schule ist von Auffahrt bis Sonntag geschlossen. Dank jahrelangen Verhandlungen darüber, lernt der Mensch, dass Ungerechtigkeiten selbst in unserem abgesicherten Leben dazugehören. Manche sind gezwungen, trotz gegenteiliger Verodnung zu arbeiten und müssen diese Arbeit also nach Hause nehmen. Zum Beispiel die, die Prüfungen gegenlesen, aber es gibt auch anderes Administratives, was wegen Terminen nicht warten kann. Bei den Azubis gibt es zahlreiche verschiedene Regelungen: Einige dürfen mir nix dir nix „die Brücke machen“ weil die Schule das auch macht, andere müssen frei nehmen, wenn sie „brücken“ wollen, wieder andere müssen Freitag und Samstag arbeiten. Und die Abschlussklassen sind auf ihrer Kulturreise, was neben den Azubi-Fragen auch Fragen zur Arbeitszeit der Begleitpersonen aufwirft, weil diese Brücke für die Lehrpersonen neuerdings im Kanton Bern zu den bezahlten Feiertagen gehört. Ebenfalls bedenkenswert: Auffahrt ist der Ökumene nicht gleich heilig und andren Religionen egal, die möchten an ihren Feiertagen frei. Um diesem Vorwurf entgegenzuwirken haben die meisten Kantone freie Halbtage erfunden, die jeder Schüler ohne Angabe von Gründen einziehen kann. Dies wiederum gilt leider nicht an Berufsfachschulen, weil Lehrverträge Arbeitsrecht sind und Unterricht als Arbeitszeit gilt.
Wegen solchen Dingen bleibe ich gern lange an der selber Arbeitsstelle. Ich lerne nie so viel wie bei Ereignissen, die im Grossen und Ganzen irrelevant, aber vorhersehbar sind und sich zuverlässig wiederholen. Gerade die Auffahrtsbrücke liefert ein Fallbeispiel für mindestens fünf Wissenschaften: Soziologie, Psychologie, Ökonomie, Politikwissenschaft und Betriebswirtschaft.
Ich habe das Privileg, meine Arbeit im Freien in Südfrankreich machen zu können, ich brauche nur ein Notebook und alle 24h kurz Internet, wie jetzt grad schnell in der Mücken-Ecke auf einer McDonald’s-Terrasse. Vor zehn Jahren noch hätte ich daheim im Regen bleiben müssen.

Wanted: Content

Frau Passig bestätigt in ihrer Technologiekritik die Annahme der meisten Buchmenschen und -statistiken, dass E-Books Vielbuchleserinnen zu Noch-mehr-Leserinnen machen. Die besten Wiki-Einträge werden ja auch von denen geschrieben, die zumindest ein paar Jahre ihres Lebens im Lexikon nachschlugen. Die Frage – ja, ich wiederhole mich – bleibt: Wie machen Menschen E-Bücher und E-Nachschlagewerke, die noch nie sowas in der Hand hatten?
Wir nutzen in der Schule seit 2007 Moodle und lernen vermehrt blended. Nächstes Schuljahr kommen die iPad-Wagen. Aber der Content, der kommt immer noch von denen mit den echten Büchern. Und glauben Sie mir, ich sehne mich nach der Wende. Es gibt lustigere Dinge im Leben, als ständig Inhalte zu produzieren, die andere brauchen aber bitte in Häppchen und visualisiert.
(Vielleicht bringt die kaltmamsell ja frohe Kunde von Menschen < Jg. 1980 von der re:publica.)

Back.

Offen für Neues
Meine Startwoche lässt nichts zu wünschen übrig: Munterer Unterricht, hunderte E-Mails, ein grosser Berg ungeöffneter Post, ein weiterer herber Verlust, kaum neue Anmeldungen, umso mehr Beratungsgespräche, ein gelungenes Abschiedsessen für meinen Chef bei uns daheim, die Zusage für einen Bildungsurlaub im Herbst 2014, die Volljährigkeitsfeier für das Kind.
Ich bin wieder da.

Schöne Ferien!

Ich habe ja häufig das Gefühl, ich hätte viel zu tun. Aber wenn ich Fotos von meinem Büro vor zehn Jahren anschaue, sehe ich schon, wie vieles in meinem Leben sich zum Besseren gewendet hat.
mein Büro 2003
Damals war ich Freelancerin. Keine Ferien, in denen nicht irgend ein Projekt mitlief, dessen Unterlagen ich entweder herstellen oder gegenlesen musste. Mein Büro stapelte sich daheim, eine Trennung von Haus- und Erwerbsarbeit gab es nicht. Das Kind hatte Fussballfreunde, die teils amüsant, doch dreckig, immer hungrig und grausam untreu waren. Es hasste die Schule, ging bedrückt und am liebsten gar nicht hin.
Heute kann ich ohne Dokumente in die Ferien und das Kind hat inzwischen neue, etwas ausgeglichenere Freundinnen und Freunde. Sport und Musik sind immer noch wichtig, Schule nicht enorm. Aber doch bedauert es der Primaner ein wenig, ist die Zeit zwischen den Pausenglocken bald vorbei.
So, nun stelle ich hier einen Monat ab und wünsche allen viel Schönes! Möge der Frühling unsere Nordhalbkugel bald erreichen.

Das Unerfreuliche zuerst:

Bis jetzt haben wir zu wenige Anmeldungen für das kommende Schuljahr. Mit den Anfragen hingegen verhält es sich genau umgekehrt: Je unsicherer die Lage, desto nötiger wird die
Schule als Informations- und Klärungsstelle gebraucht. Aber uns gibt es nur so lange, wie Buchhandlungen eine gewisse Anzahl Lernender ausbilden. Wenn sie uns für die Zusammenarbeit in der Grundbildung brauchen, engagieren wir uns gern. Wenn nicht, akzeptieren wir das und finden andere Arbeit. Aber Standby – das geht leider nicht.
Doch ist es schön, auch heuer wieder einen Jahrgang in die Buchbranche und Welt zu entlassen, der sich optimistisch und vielseitig interessiert auf Stellensuche begibt. Wir wünschen unseren Abschlussklassen eine erlebnisreiche Kulturreise, eine glanzvolle Prüfungszeit, eine krönende Abschlussfeier und Vorfreude auf den nächsten Schritt.

Aus dem Editorial des soeben erschienen Pegasus 111.

Nebenbei bemerkt

Bin ich krank, wenn ich nicht arbeite und umgekehrt. Das gesundheitliche Problem liesse sich bestimmt auf dem Zauberberg lösen, während sich die Arbeitsbelastung im Tale munter verdoppelte. Aber ich muss nicht über eine Kur entscheiden, denn ich habe bald Ferien und richtig Zeit zum Kranksein. Bis dahin hole ich die Zimtteemischung hervor und bastle Weihnachtsgeschenke.

World Poetry Day

Der Teppich
von Stefan George
Hier schlingen menschen mit gewächsen tieren
Sich fremd zum bund umrahmt von seidner franze
Und blaue sicheln weisse sterne zieren
Und queren sie in dem erstarrten tanze.
Tibeterteppich Tibetischer Sattelteppich Tibeterteppich
Und kahle linien ziehn in reich-gestickten
Und teil um teil ist wirr und gegenwendig
Und keiner ahnt das rätsel der verstrickten….
Da eines abends wird das werk lebendig.
Tibeterteppich Chinesischer Säulenteppich Tibeterteppich
Da regen schauernd sich die toten äste
Die wesen eng von strich und kreis umspannet
Und treten kla r vor die geknüpften quäste
Die lösung bringend über die ihr sannet!
Tibeterteppich Tibeterteppich Tibeterteppich
Sie ist nach willen nicht: ist nicht für jede
Gewohnte Stunde: ist kein schatz der gilde.
Sie wird den vielen nie und nie durch rede
Sie wird den seltnen selten im gebilde.