Endspurt im Buchhandel

Ja, gewiss, die Welt ist nicht untergegangen. In den Buchhandlungen jedoch fanden sich diesen Dezember einige ängstliche Kunden ein. Allerdings ist das Zusammengehen von Büchern und Apokalypse nicht ungewöhnlich.
Wärend meine Kolleginnen und Lernenden noch im Endspurt sind, klingt mein Buchhandelsjahr schon aus. Meine Buchgeschenke kaufe ich ja jedes Jahr in einer anderen Region, dieses Jahr war ich in Thun, bei Bücher Lüthi, Thalia und Krebser. Drei ganz verschiedene Läden mit eigenem Charme. Alle drei sind Vollsortimente und doch unterscheiden sie sich sehr. Bei Lüthi hat unendlich viel Platz, obwohl er klein ist, gibt es zu allen Themen etwas Besonderes. Man kennt die Kundschaft, grüsst mit Handschlag, bestellt umgehend. Thalia Thun lädt die zum Verweilen ein, die sich gerne ins Kaffee setzen, neben Büchern auch eine grosse Filmauswahl schätzen oder die Spielecke für die Kinder. Krebser war beeindruckend assortiert dekoriert, die Leute im Verkauf trugen dezent-festliche Kleidung, die Männer Anzug, die Damen Jupe. Trotz hoher Kundenfrequenz war jedes Gestell aufgeräumt, hier wird Regionalia gepflegt.
Uns sonst?
Das Forum für den Buchhandel werden wir Ende Jahr schliessen, es gibt heute bessere Möglichkeiten sich auszutauschen. Es freut uns, dass es lange funktioniert hat und uns im „Schweizer Buchhandel“ sogar nachgerufen wurde.
Hier nicht fehlen darf der Neujahrswunsch unserer Berner Buchhändlerschule. Er gilt zwar besonders denen, die in Buchhandlungen arbeiten. Doch Freude am Beruf ist etwas, was ich wirklich jedem wünsche.

Weihnachtswünsche

Persönlich habe ich so viele und schöne Weihnachtswünsche bekommen und danke allen sehr dafür.
Was mich aber zunehmend beelendet, sind die Texte der Weihnachtskarten und -mailings im pädagogischen Bereich. Sicher gibt es Ausnahmen, aber häufig sind diese Wünsche einfach platt. Lange wurden ja die Saint-Exupery-Zitate verwendet, und das hat mich manchmal auch genervt, weil ich einfach finde, für Lehrer oder von Lehrern könnte auch eigens etwas geschrieben werden. Aber Seit-Exupery war immerhin gut übersetzbar und er eignete sich für Schulstuben, Leherzimmer und Fortbildungsveranstaltungen gleichermassen.
Seit 2010 werden zunehmend chinesische Weisheiten verschickt. Letztes Jahr ist mir mehrfach und in verschiedener Übersetzung die altchinesische Lehre über den Umgang mit Veränderungen untergekommen. Sinngemäss: Wenn der Wind der Veränderung weht, errichten die Klugen Windmühlen und die Deppen Mauern. Dieses Jahr scheinen Abwandlungen von „der Weg ist das Ziel“ beliebt. Man liess uns Lehrpersonen mehrfach ein Zitat von Zhuangtsi oder Dschuang Dsi angedeihen, das besagt, dass ein Weg sich dadurch bildet, dass er begangen wird. Oder dass der Weg entsteht, indem er gegangen wird – alles eine Frage der Übersetzung aus einer anderen Kultur, Sprache und Schrift.
Wenn innerhalb des Bildungskuchens (zu dem ich auch gehöre, deshalb regt es mich ja auf) Lust, Zeit oder Personal fehlen, um selber etwas zu schreiben, wäre eine originalsprachige Twittererin mindestens so zitierwürdig wie ein verblichener Chinese.

Vorweihnacht

Vorweihnacht ist dieses Jahr anders als sonst, ich hatte mehr unverhoffte Termine und Interventionen. Aber die Erwartungen an heutige Arbeitnehmer in einer Schule sind klar und ich habe vesucht, ressourcenorientiert, motiviert, positiv denkend und möglichst gelassen zu reagieren.
Ich hätte sehr gerne mehr Weihnachtswünsche geschrieben, mir gefällt diese Handarbeit und auch unsere Karte, die im Schul-Wettbewerb für die Produktion ausgewählt worden ist. Aber eben, es geht nicht alles.
Aufgrund von Sparmassnahmen wurde unser traditionelles Weihnachtsessen ausserhalb der Schule zu einem Weihnachtsapéro im Schulgebäude. Es war angehnehm gesellig am Freitagabend, aber auch überschattet von der Amok-Meldung aus Connecticut (manchmal wünschte ich mir Internet weg). Es hat etwas Bedrückendes, zusammen in der Schule zu sitzen und sich über eine solche Tat zu unterhalten. Wie viele Schüler hat man selber enttäuscht, vielleicht nicht gut genug behandelt, zu wenig gefördert oder ihre Nöte und Krankheiten mangelhaft erfasst?
Es bleibt uns dennoch nicht viel übrig, als es täglich wieder zu versuchen. Deshalb zur neuen Woche ein Themenwechsel: Ein Video mit Tomi Ungerer, seit jeher meine Referenz für Widersprüche.

Das Neue

Für einmal kein Buch. Sondern Sound. Es ist immer eine Offenbarung, am Ende vom Jahr noch ein Masterpiece zu entdecken. Danke.

30 ist das neue 20. Der Mann ist die neue Frau. Freiheit ist das neue Gefängnis. Und reich ist das neue schlau. Islam ist die neue katholische Kirche. Deutschland die neue Türkei. Die Schweiz schon bald im Siebengebirge. Und jetzt ist das neue vorbei. Drum wenn Du bald nach Hause kommst, bin ich nicht mehr hier. Ich kann nicht bleiben wie ich bin trotz Dir. Zuckerberg ist der neue Columbus. Der Bankmann die neue Aristokratie. Gesundheit der neue Exorzismus. Et la fatique c’est la nouvelle folie. Nichtraucher sind die neuen Raucher. Alte fühlen ich neu immer jünger. Intellektuell ist neu völlig unbrauchbar. Frei zum bestehlen ist neu Sophie Hunger. Drum wenn Du bald nach Hause kommst dann such nicht mehr nach mir. Ich kann nicht bleiben wo ich bin mit Dir.

„Das Neue“ ist Track 4 on „The Danger of Light“. Musik von Sophie Hunger & Albert Malo, Lyrics von Sophie Hunger.
Ein Album mit viersprachigen Texten, vielschichtigen Klängen und auch herstellerisch eine gelungene Doppel-CD. Wärmstens empfohlen.

Ge- und verbunden

Diese beiden Geburtstagsgaben stehen ziemlich treffend für mein Leben (besonders mein Berufsleben) und erfüllen mir zwei grosse Wünsche: Endlich diese Kaléko-Gesamtausgabe und endlich ein rechter Blauzahn!
Lebkuchenproduktion 2012
Einen der ganz alten Berufe und einen ganz neuen unter meinen Fittichen zu haben, ist eine Aufgabe, die glaub ich ganz gut zu mir passt. Wie viel anders auch. Schwarze Kniesocken zum Beispiel. Und Grittibänze.

Wahlwochenende

An diesem verregneten Wahlwochenende geht mir alles gar langsam von der Hand. Aber die Woche war ordentlich, der Pegasus ist versandt, der Unterricht vorbereitet, Tests und Prüfungen aller Art sind erstellt, nötige Anträge geschrieben. Sogar ein bisschen Zeitung habe ich gelesen und freue mich auf das Buch von Buschkowsky:

„Welchen Tiefpunkt hat dieses Land in der geistigen Auseinandersetzung erreicht?“ fragte sich der Autor. „Niemand bestreitet meine Analyse, niemand setzt sich mit meinen Vorschlägen für eine bessere Intergrationspolitik auseinander, und an die Zahlen traut sich erst recht keiner ran.“ (Quelle: Das aktuelle Magazin)

Ich finde keinen einzigen Menschen in meinem politischen Leben (inklusive mir selber), der die Schattenseiten der Einwanderung, die Probleme und Forderungen mancher Zuwanderer, den Druck patriarchaler Gesellschaften auf unsere Liberalität thematisieren darf, ohne zum Rassisten gemacht zu werden. Für den Vorwurf spielt auch gar keine Rolle, wie lange und wie nah jemand am Thema dran ist. (Sarrazin ist beispielsweise für mich nicht ernst zu nehmen, er hat keine Ahnung und in seinem Buch ein Riesendurcheinander veranstaltet).
Vielleicht führt „Neukölln ist überall“ ja wirklich zu der einen oder anderen Veranstaltung, in der man sich differenzierter unterhält. Es gibt jedenfalls Anzeichen. Und zu spät ist es auch nie.
(Auch wenn ich manchmal das Gefühl habe. Zum Beispiel wenn die Mutter meines Schwagers bei ihm und meiner Schwester vor der Türe steht. Eine Analphabetin mit ein paar Plastiksäcken in der Hand. Seit dem Kosovo-Krieg in der Schweiz. Aber nach dem Tod ihres Mannes vom ältesten Sohn beraubt und um ihre Pensionskasse betrogen. Mit nichts im Besitz als ein paar Kleidern, einer angebrochenen Tube Mayonnaise und einer angefangenen Cola.)

So (selbst)gerecht!

Manchmal macht mich dieser Konflikt völlig fertig. Ich lebe mit Menschen hier in der Stadt, die einen persönlichen Befreiungskrieg für Palästina auf Wochenmärkten (mit gerechtem Olivenöl aus Gaza) und in Ausstellungen führen. Während Lila die Mobilmachung an den eigenen Kindern erlebt und der im letzten Krieg verwaiste Vater David Grossman im offenen Brief zum Dialog auffordert, sitzen wir in warmen Stuben und wissen vieles besser.
Zuerst wird zwar meist pflichtschuldig die israelische Politik kritisiert. Aber weil der Stellenwert der Knesset-News in unserem Alltag verschwindend ist, geht das rasch über zu Kritik an den Israelis per se und – immer öfter – an den Juden. Also gemeint sind nicht etwa Kubrick (der Originäre!), Dylan (der Friedensbarde!), Wynona Ryder oder die Geschwister Gyllenhaal (Hippiesprösslinge!). Auch nicht der jüdische Nachbar, denn den kennen wir gar nicht. Palästinensertum ist in Bern sichtbarer als Judentum und auch daran ist der Jude schuld, denn er outet sich inzwischen ungefähr so gern wie der Rom.
Mein Problem ist wohl, dass ich zur Welt kam, als meine Mutter noch nicht lange aus Israel zurück war, Ivrit im Kopf hatte und mir analog ihrem Programm im Kinderhaus des Kibbuz halt jüdische Geschichte und hebräische Kinderlieder beibrachte. Gerade habe ich gemerkt, dass eines meiner Lieblingslieder immer noch einen gewissen Bekanntheitsgrad hat und in Volksschulen, Hobby-Chören und Gymnastikhallen der Welt gesungen und getanzt wird.
Kindheitserinnerungen. Und der Konflikt? Da weiss ich heute – viel, viel Lektüre nach den Kinderliedern – nicht mehr als damals.

Sonntagsgefühle

Lebkuchenproduktion 2012
Die Fotos der letzten Tage, die ich soeben erlese, wirken harmonisch. Und so war das Wochenende. Nur manchmal erscheint mir der Haushalt als endlos, die Reinigung und das Upgrade von Behausung, Lebensmittelsvorrat, Wäsche und eigener Person. Aber wenn man keine anderen Probleme hat, obligen einem so simpe Dinge. Die sind dann also das Leben und gar kein schlechtes.